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Kreiswehrersatzämter warten auf die Freiwilligen

2. April 2011

Bislang haben die Kreiswehrersatzämter junge Wehrpflichtige für den Dienst in der Bundeswehr gemustert. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht haben die Ämter diese Arbeitsgrundlage verloren - ein radikaler Wandel.

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Kreiswehrersatzamt in Köln - Schilder weisen den Weg zur Musterung (Foto: DW)
Zur Musterung müssen ab sofort nur noch FreiwilligeBild: DW/Arne Lichtenberg

Dem Kreiswehrersatzamt in Köln geht es wie der Deutschen Bundeswehr insgesamt. Es wird eifrig renoviert, denn die Bundeswehr muss sich neu aufstellen. Kamen die jungen Leute bisher wie von selbst in die Truppe, muss die Bundeswehr heute um sie werben. Doch genau das lief bisher alles andere als erfolgreich, nur 433 Freiwillige wollten im April bei der Bundeswehr anfangen. Benötigt werden wohl eher 2000.

Verwaiste Flure

Manfred Schmeichel, stellvertrender Leiter des Kreiswehrersatzamts in Köln (Foto: DW)
"Müssen uns Gedanken machen", sagt Manfred Schmeichel, der stellvertretende Leiter des Kreiswehrersatzamts in KölnBild: DW/Arne Lichtenberg

Schon beim Betreten des Kreiswehrersatzamtes ist es ruhig. Die Flure sind leer, kein Freiwilliger in Sicht, der sich mustern lassen möchte. Keine Spur mehr von der Betriebsamkeit vergangener Tage. Insgesamt 52 Kreiswehrersatzämter gibt es in Deutschland, und einige klagen seit Beginn des Jahres über fehlende Arbeit, da die Wehrpflichtigen nicht mehr zur Musterung kommen. Von aufkommender Langeweile möchte Manfred Schmeichel, der stellvertretende Leiter des Kreiswehrersatzamts in Köln, trotzdem nichts wissen. Zwar habe sich der Aufwand deutlich reduziert, sagt er. Aber man habe darauf auch schon frühzeitig reagiert und Personal zu anderen Dienststellen abgeordnet, vor allem Ärzte. "So dass wir mit deutlich geringerem Personalstamm diese Aufgaben bewältigen müssen und dadurch insoweit doch noch ausgelastet sind."

Dr. Jürgen Marienberg Musterungsarzt (Foto: DW)
Dr. Jürgen Marienberg mustert seit 2011 nur noch Freiwillige für einen Dienst in der BundeswehrBild: DW/Arne Lichtenberg

Drei Musterungsärzte sind in Köln verblieben, vor kurzem waren es noch acht. Hatte ein Arzt im Kreiswehrersatzamt früher zehn bis zwölf Wehrpflichtige pro Tag zu untersuchen, sind es heute nur noch die Hälfte. Einer der verbliebenen Ärzte ist Dr. Jürgen Marienberg. Mit Drückebergern, die um den Dienst bei der Bundeswehr herum kommen wollen, hat er nun nicht mehr zu tun. "Früher war es wohl eher so, dass das eine oder andere unter dem Eindruck, dass man eben nicht zur Bundeswehr wollte, vielleicht übertrieben hat. Jetzt wird genau das verharmlost, was eigentlich vielleicht da ist," erklärt der Musterungsarzt die neuen Gegebenheiten. Ab sofort müssten die Ärzte umdenken und sehr genau hingucken, ob einer nicht untertreibe. Man müsse also jetzt prüfen, ob möglicherweise ernstere Erkrankungen vorliegen, als die angegebenen.

Musterungen dauern heutzutage länger

Das Kreiswehrersatzamt in Köln. (Foto: DW)
Das Kreiswehrersatzamt in Köln wird gerade renoviertBild: DW/Arne Lichtenberg

Vor allem mehr Zeit muss Jürgen Marienberg heute in seine Musterungen investieren, denn sein Urteil über den Gesundheitszustand der angehenden Soldaten muss hinterher auch rechtlich fundiert sein. Denn treten später im Dienst Beschwerden auf, die vorher vom Arzt hätten bemerkt werden müssen, dann gibt es Probleme. Seitdem der Bundeswehr die Wehrpflichtigen auch nicht mehr automatisch zulaufen und sie stattdessen mit der freien Wirtschaft um Bewerber konkurriert, ist guter Service gefragt: Nett, freundlich und gewinnend gegenüber den Interessenten auftreten. Der Kommandoton vergangener Jahre ist nicht mehr gewünscht. "Das machen wir schon seit Jahren nicht mehr. Wir sind eigentlich ein Dienstleistungszentrum, und dieser Gedanke steht bei uns auch ganz weit oben. Wir haben uns immer als jemand verstanden, der diesen Service-Gedanken hochhält", erläutert Dr. Marienberg die Philosophie des Hauses.

Trotz aller Bemühungen und Veränderungen hängt man in Köln - wie in anderen Kreiswehrersatzämtern auch - etwas in der Luft. Die Wehrpflicht wurde im Eiltempo abgeschafft. Aber eine richtige Strategie, wie man in Zukunft um Freiwillige werben will, gibt es noch nicht. Es fehlen Informationsmaterialien, Flyer und auch konkrete Fakten zum kommenden Freiwilligendienst. Hier steht man noch komplett mit leeren Händen da. Noch weiß man nicht einmal, mit welchen Anreizen und Konditionen man die Interessenten zum Dienst beim "Bund" locken kann. "Wir sind im Moment im Umbruch, und auch diesbezüglich sind wir noch in der Findungsphase. Wir müssen uns auch auf die neue Situation einstellen und müssen uns auch Gedanken machen, wie wir besser für die Bundeswehr werben können", sagt Manfred Schmeichel.

Angetretene Rekruten stehen in Berlin in der Julius-Leber-Kaserne. Zum letzten Mal vor dem Auslaufen der Wehrpflicht haben junge Rekruten der Bundeswehr ihr Gelöbnis abgelegt. Rund 530 Soldaten des Wachbataillons traten zu dem feierlichen Akt an. (Foto: dpa)
Die letzten Rekruten legten im Februar 2011 ihr feierliches Gelöbnis abBild: picture alliance/dpa

Erstmals mit Probezeit

Wie es in Köln mit dem Kreiswehrersatzamt genau weiter gehen soll, ist noch nicht bekannt. Offenbar werden nämlich nicht alle 52 Kreiswehrersatzämter in Deutschland erhalten bleiben. Angeblich gibt es Pläne für einige wenige Zentren zur Nachwuchsgewinnung im gesamten Bundesgebiet. Fest steht aber: Die Bundeswehr wird auch in Zukunft als Freiwilligenarmee weiterhin offen für Bewerber mit allen Schul- und Bildungsabschlüssen sein. Erstmals soll es beim Freiwilligendienst auch eine sechsmonatige Probezeit - für beide Seiten - geben. Bei Nichtgefallen kann das Dienstverhältnis somit wieder gelöst werden. Seit kurzem wird in den Medien für den neuen Dienst geworben. Es wird ein harter Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte auf einem für die Bundeswehr bislang völlig unbekannten Gelände.

Autor: Arne Lichtenberg
Redaktion: Hartmut Lüning