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Warum Autobahnen platzen

Tobias Oelmaier8. August 2013

Straßenbau-Experte Stephan Freudenstein erklärt im DW-Interview, wie es zu Blow-Ups ausgerechnet auf den berühmten deutschen Autobahnen kommen konnte, die in diesem Sommer vermehrt aufgetreten sind.

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Der Asphalt der Autobahn A93 an der Anschlussstelle Abensberg (Bayern) ist durch die Hitze aufgebrochen (Bild: dpa) pixel
Wetter Autobahn "Blow-Up"Bild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Freudenstein, warum kommt es auf deutschen Autobahnen zu diesen Blow-Ups, zu diesen Aufplatzungen?

Stephan Freudenstein: Diese Aufplatzungen sind Hitzeschäden, die an meist älteren Betonautobahnen auftreten können. Die Ursache dafür ist relativ einfach zu erklären: Beton ist ein elastischer Baustoff, und wie die meisten elastischen Baustoffe möchte sich der Beton bei Erwärmung ausdehnen. Die Betondecke einer Fahrbahn kann sich über die Fugen bis zu einem gewissen Maß ausdehnen. Wird dieses Maß überschritten, werden Druckspannungen aufgebaut, die in Extremfällen zu Aufplatzungen, dem so genannten Blow-Up führen können.

Sie sagen, dieses Phänomen tritt vorwiegend an älteren Autobahnen auf. Warum ist das nicht schon früher passiert? Schließlich haben wir momentan ja keinen Rekordsommer.

Richtig, wir haben keinen Rekordsommer. Aber wir hatten auch in den Vorjahren immer wieder solche Hitzeschäden an den Autobahnen. Für uns, die wir uns mit den Betonautobahnen beschäftigen, ist das nichts Neues. Wir kennen dieses Phänomen. Das passiert vorwiegend, wenn hohe Temperaturen zum ersten Mal in einem Jahr auftreten. Speziell in Süddeutschland hatten wir im Juni eine erste Hitzewelle, in deren Folge es zu einigen dieser Hitzeschäden kam, leider auch mit einem tödlichen Verkehrsunfall, was dazu führte, dass diverse Maßnahmen getroffen wurden.

Stephan Freudenstein, Professor TU München
Stephan FreudensteinBild: Stephan Freudenstein/TUM

Ist das denn ein deutsches Problem?

Das ist kein deutsches Problem. Ich habe kürzlich mit Italienern, Österreichern und Schweizern darüber gesprochen. Solche Schäden gibt es auch in anderen Bundesländern. Das ist weit verbreitet.

Was tut man gegen diese so genannten Blow-Ups?

In Bayern haben wir bei den älteren, dünneren Betonfahrbahnen mit einer Deckendicke von etwa 20 bis 22 Zentimetern ab einer Lufttemperatur von 28 Grad Celsius eine verstärkte Streckenkontrolle eingeführt, die die Fahrbahnen inspiziert. Ab 30 Grad werden die Höchstgeschwindigkeiten auf diesen Autobahnen begrenzt, so dass die Gefahr für die Autofahrer und speziell die Motorradfahrer reduziert werden kann.

Giganten im Straßenbau

Werden heute überhaupt noch Betonautobahnen in Deutschland gebaut?

Selbstverständlich werden noch Autobahnen in Betondeckenbauweise hergestellt. Heute allerdings mit anderer Deckendicke. Wir bauen heute mit 27 bis 30 Zentimetern Dicke. Wir wissen, dass die Autobahn, wenn sie in die Jahre kommt, entsprechend instand gehalten werden muss. Wir gehen davon aus, dass wir wegen der größeren Deckendicken in Zukunft weniger dieser Hitzeschäden zu erwarten haben.

Kann man die älteren Autobahnen sanieren?

Es handelt sich hier im Wesentlichen um Autobahnen, die 30 bis 40 Jahre alt sind. Konzipiert waren sie für eine Haltbarkeit von 20 bis 30 Jahren. Wenn eine Autobahn 38 Jahre alt ist, hat sie ihr "Lebensende" einfach erreicht. Dann muss man sie erneuern. Das wird auch gemacht, diese Erneuerungsprogramme laufen, aber man kann gewisse Autobahnabschnitte mit einer Länge von 100 Kilometern nicht von heute auf morgen erneuern. So werden manche Abschnitte früher erneuert, manche brauchen halt ein bisschen länger.

Was ist denn überhaupt der Vorteil von Betonplatten gegenüber anderen Bauweisen?

In Deutschland haben wir etwa 25 bis 30 Prozent der Autobahnen in Betonbauweise. Der Rest ist in Asphaltbauweise hergestellt. Beton hat den Vorteil, dass er, wenn er qualitativ hochwertig hergestellt wurde, besonders langlebig ist. Die Vorteile von Asphalt liegen in der kurzen Bauzeit und darin, dass im Bedarfsfall die Oberfläche schnell erneuert werden kann. Beide Bauweisen haben ihre Vor- und Nachteile. Es gibt keine Ausschlusskriterien für die eine oder die andere.

Sie sind Beton-Experte. Drohen denn auch Beton-Hochhäuser bei großer Hitze einzustürzen, wenn sie 30, 40 oder 50 Jahre alt sind?

Nein. Ein Blow-Up bei Hochhäusern kann nicht auftreten, weil ein Hochhaus immer nach oben hin wachsen kann, wenn es sich infolge der Hitze ausdehnen sollte.

Vielen Dank für das Gespräch!

Stephan Freudenstein ist Professor für Verkehrswegebau an der TU München am Lehrstuhl und Prüfamt für Verkehrswegebau.

Die Fragen stellte Tobias Oelmaier.