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Warum Berlin anders "klingt" als Peking

Iveta Ondruskova24. August 2015

In der Stadtplanung spielt zunehmend auch die Geräuschkulisse von Orten eine Rolle. Der Berliner Klangforscher Thomas Kusitzky erklärt im Gespräch mit der DW, was den Klang von Städten ausmacht.

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Reichstagsgebäude in Berlin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Deutsche Welle: Wie wichtig ist Klang fürs Wohlbefinden?

Thomas Kusitzky: Ich denke, dass der Klang für das Wohlbefinden sehr wichtig ist. Er ist ein unumgänglicher Teil des Gesamterlebens in einer Stadt. Wir hören unsere Umwelt permanent, auch wenn wir uns dessen vielleicht nicht immer bewusst sind.

Wird beim Bau neuer Stadtteile ausreichend auf die klangliche Wirkung geachtet?

Bislang passiert das kaum. Es gibt natürlich die Lärmbekämpfung. Aber diese orientiert sich immer noch stark am Schalldruckpegel. Und Klang wird dabei vor allem als etwas potenziell Störendes betrachtet. Was in den letzten fünf bis zehn Jahren passiert ist, ist jedoch sehr vielversprechend: Es gibt viele Aktivitäten in Bezug auf die positiven Aspekte des Klangs. Es gibt viele Publikationen zu dem Thema, Konferenzen oder auch erste konkrete Projekte. London beispielsweise hat sich vor einigen Jahren damit beschäftigt, ob es nicht auch Klänge gibt, die vielleicht schützenswert sind, weil sie typisch für London sind.

Schauen wir mal nach Deutschland: Klingt Köln anders als Berlin und Hamburg anders als München?

Städte klingen immer so, wie wir sie erbauen und organisieren, aber auch wie wir in ihnen leben. Köln hat sehr viel engere und verwinkeltere Straßen als zum Beispiel Berlin, wo es geradere und breitere Straßen gibt. Diese unterschiedliche Bauweise wirkt sich auf die Ausbreitung des Schalls aus - in den Straßen klingt es anders. Die Breite der Straßen in Berlin führt auch dazu, dass Autofahrer ein bisschen schneller fahren. Und auch das wirkt sich auf den Klang aus. Hamburg hingegen ist eine Hafenstadt, da hört man hafentypische Klänge. Im Unterschied zum Beispiel zu München: Dort gibt es im Zentrum den großen Englischen Garten. Diese riesige Grünfläche wirkt sich auf den typischen Klang Münchens aus.

Klangforscher Thomas Kusitzky (Foto: Thomas Kusitzky)
Klangforscher Thomas Kusitzky: "Jede Stadt hat ihren eigenen Klang"Bild: T. Kusitzky

Welche Orte in Berlin klingen schön?

Ob man einen Ort als gut oder schön klingend empfindet, hängt natürlich sehr stark von dem jeweiligen Hörer ab und von dessen Erwartungen. Aber in Berlin gibt es durchaus besonders klingende Orte, zum Beispiel das Tempelhofer Feld. Das Flugfeld des zentralen Tempelhofer Flughafens wurde nach dessen Stilllegung für die Öffentlichkeit geöffnet. Eine solche riesige Fläche ist einzigartig für eine städtische Umgebung. Die Weite des Feldes hat fast schon ländlichen Charakter.

Das Tempelhofer Feld in Berlin (Foto: Thomas Kusitzky)
In der deutschen Hauptstadt verbringen viele Bewohner gerne ihre Freizeit auf dem Tempelhofer FeldBild: T. Kusitzky

Wie klingt denn dieser Ort?

Es gibt wenige Reflektionen an Gebäuden. Es klingt - wenn man so möchte - sehr offen. Andererseits halten sich dort auch viele Menschen auf, die Kitesurfen, Fahrradfahren, Grillen und das Feld lebendig machen. Dieses Feld hat etwas Urbanes, aber gleichzeitig eben auch diese ländliche Weite.

Klingen Metropolen in anderen Ländern anders als deutsche Großstädte?

Die Kultur eines Landes ist mitentscheidend für den Klang einer Stadt. Das Verhalten der Bewohner ist unterschiedlich und auch bestimmte Tätigkeiten sind charakteristisch und prägen den Klang. Ich war zum Beispiel vor einigen Jahren in Peking. Dort ist mir häufiger begegnet, dass Menschen abends auf der Straße zu Musik Walzer oder Tango tanzten. Auch wenn es sich dabei um westliche Tänze handelt, habe ich das als typisch für Peking empfunden. In Berlin wiederum ist es im Sommer sehr typisch, dass auf jeder kleinen Grünfläche entweder gepicknickt oder gegrillt wird, was den Klang der Stadt in diesen Monaten mit prägt.

Neben der Kultur - welche Faktoren bestimmen noch, wie eine Stadt klingt?

Das sind zum Beispiel klimatische Bedingungen: In Ländern, in denen die Temperaturen es zulassen, dass man sich auf der Straße aufhält, sind die Straßen sehr viel lebendiger als in kälteren Regionen. Und es gibt auch wirtschaftliche Aspekte: In Peking gab es in den 1990er Jahren sehr viele Radfahrer. Das hat sich stark gewandelt: Durch den zunehmenden Wohlstand können sich immer mehr Menschen ein Auto leisten, was den Klang in dieser Stadt verändert hat.

Die Altstadt von der portugiesischen Stadt Porto in Abendstimmung (Foto: picture alliance)
In der portugiesischen Stadt Porto hört man abends auch das Meer "klingen"Bild: picture alliance/R. B. Fishman/ ecomedia

Eine Stadt, die mir sehr gut gefällt, ist Porto in Portugal. Dort habe ich es als sehr angenehm empfunden, dass vor allem abends die Straßen in der Altstadt sehr belebt sind. Und auch die Nähe zum Meer hat eine typische klangliche Stimmung hervorgebracht.

Was genau macht ein Klangforscher?

Klangforscher ist kein geschützter Begriff und darunter ließen sich sicherlich verschiedene Forschungsrichtungen zusammenfassen. Ich selbst beschäftige mich gerade vor allem mit dem Klang der Stadt und erforsche, wie man ihn in die städtische Planungspraxis mit einbeziehen kann.

Wie sollte das Ihrer Meinung nach geschehen?

Mein Ziel ist, dass der Klang künftig ein selbstverständlicher Teil der Planung wird. Ich bin der Überzeugung, dass die Berücksichtigung der auditiven Dimension bei der Planung zu einer besseren Lebensqualität in der Stadt beitragen kann.

Thomas Kusitzky ist Doktorand der Bauhausuniversität Weimar und Stipendiat der Thüringer Graduiertenförderung. Seit 2008 unterrichtet er an der Universität der Künste in Berlin. Er ist Mitbegründer der Auditory Architecture Research Unit (AARU) an der UdK Berlin. Neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit produziert er auch Klanginstallationen und Hörstücke.

Das Gespräch führte Iveta Ondruskova.