1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neuer Putschversuch in Guinea-Bissau

Johannes Beck22. Oktober 2012

In Guinea-Bissau hat am Sonntag eine Gruppe Militärs eine Luftwaffenbasis angegriffen - es gab sieben Tote. Die Regierung spricht von einem Putschversuch. Einer von vielen in dem westafrikanischen Land.

https://p.dw.com/p/16Ubx
Das Bild zeigt einen toten Soldaten, der bei einem Angriff am Sonntag Morgen (Foto: DW/Braima Darame 21.10.2012)
Bild: DW

Inzwischen wird in Guinea-Bissau im Halbjahres-Takt geputscht. Kein Land erlebte in den vergangenen Jahren so viele Umstürze und Umsturzversuche wie der kleine westafrikanische Staat südlich des Senegal.

Der letzte Vorfall ereignete sich am Sonntagmorgen (21.12.2012), als eine Militäreinheit die Luftwaffenbasis von Bissalanca im Westen des Landes angriff. Diese Attacke konnte das Militär abwehren - jedoch starben sieben Soldaten.

Der letzte fehlgeschlagene Putschversuch fand Weihnachten 2011 statt, also vor weniger als einem Jahr. Dazwischen lag der erfolgreiche Staatsstreich vom April dieses Jahres, bei dem die demokratisch gewählte Regierung von Premier Carlos Gomes Júnior zuerst durch einen Militärrat und später durch eine Übergangsregierung ersetzt wurde.

Ex-Premierminister Carlos Gomes Junior (Foto: DWNélio dos Santos)
Wollte das Militär reformieren: Ex-Premierminister Carlos Gomes JúniorBild: DW

"Solange es keine Reform der Streitkräfte gibt, glaube ich nicht, dass es in Guinea-Bissau jemals eine dauerhafte Lösung geben kann", hatte der Politologe Paulo Gorjão vom Lissabonner Forschungszentrum für internationale Politik (IPRIS) schon im Dezember 2011 vorausgesagt. "Die Macht geht in Guinea-Bissau nicht von der zivilen Regierung aus. Die Militärs haben die Macht inne, das ist seit der Unabhängigkeit des Landes so."

Das Militär in Guinea-Bissau will keine starke Zivilregierung

Spätestens seit dem Putsch im April dieses Jahres ist klar, dass die Militärs in Guinea-Bissau keinerlei zivile Autorität über sich dulden. Premierminister Carlos Gomes Júnior hatte damals die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gewonnen und galt als wahrscheinlicher Sieger der zweiten Runde. Auf diese Weise neu legitimiert, hätte er sein Projekt der Streitkräftereform entschieden angehen können.

Junta-Sprecher Dabna Na Walma nach dem Putsch vom April (Foto: EPA/ANDRE KOSTERS)
Junta-Sprecher Dabna Na Walma nach dem Putsch vom April dieses JahresBild: picture-alliance/dpa

Nachdem sich bereits eine Mission der Europäischen Union vergeblich die Zähne an den Streitkräften ausgebissen hatte, holte sich Carlos Gomes Júnior angolanische Soldaten ins Land, um die Streitkräfte zu professionalisieren. Das war den heimischen Militärs zu viel: Sie putschten gegen Carlos Gomes Júnior, sagten die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen ab und setzten eine ihnen wohl gesonnene Übergangsregierung ein.

"Es ist in erster Linie die ältere Generation der Militärs, die eine Streitkräfte-Reform bekämpft. Diese Soldaten haben teilweise noch den Unabhängigkeitskrieg gegen Portugal mitgemacht und sitzen heute in Schlüsselpositionen der Streitkräfte", analysiert IPRIS-Politologe Paulo Gorjão den entschiedenen Widerstand der Militärs gegen Reformen. "Diese älteren, hochrespektierten Soldaten ziehen aus ihrem Einsatz im Unabhängigkeitskrieg ihre Legitimität. Und genau diese Soldaten würden nach einer Reform aus dem Militär ausscheiden müssen."

Eine Luftwaffe ohne einsatzfähige Kampfflieger

Welche Blüten die fehlende Reform der Armee treiben kann, zeigt sich am Beispiel der Luftwaffe: Sie existiert weiter in vollem Umfang - obwohl sie schon seit Jahren keine einsatzfähigen Kampfflugzeuge mehr hat. Nach dem jüngsten Putschversuch hat sich die Lage im Land aber wieder schnell normalisiert. Das hat schon fast Tradition: Wer zu Fuß durch die Hauptstadt Bissau schlendert, kann sich kaum vorstellen, dass sich in dieser so friedlich erscheinenden Stadt so viele gewalttätige Aufstände ereignet haben.

Präisidentenpalast in Bissau (Foto: Helena Ferro de Gouveia/DW)
Trotz der instabilen Lage geht es in der Hauptstadt Bissau entspannt zuBild: DW/Ferro de Gouveia

Putsche der letzten Jahre

2009 waren der damalige Präsident Nino Vieira sowie der damalige Generalstabschef des Militärs Tagme Na Waie bei Anschlägen getötet worden. Die Fälle wurden bis heute nicht aufgeklärt. Laut Informationen der französischen Nachrichtenagentur AFP soll der Anführer des Angriffs vom Sonntag, Pansau N´Tchama, auch die Militäreinheit befehligt haben, die den Mord an Präsident Nino Vieira begangen hat.

Im April 2010 setzten Militärs ihren damaligen Generalstabschef Zamora Induta ab und brachten für mehrere Stunden Premierminister Carlos Gomes Júnior in ihre Gewalt. Jedes andere Land hätte die aufständischen Militärs degradiert, unehrenhaft aus dem Dienst entlassen und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Nicht so Guinea-Bissau: Der Anführer des Aufstandes, António Indjai, wurde sogar zum neuen Generalstabschef befördert. Das hat ihn offensichtlich zu weiteren Putschversuchen ermutigt: Indjai gilt als Kopf des erfolgreichen Putsches vom April 2012.

Keine Kontrolle des Drogenhandels

Straflosigkeit genießen neben den Militärs auch die lateinamerikanischen Drogenhändler, die zusammen mit lokalen Militärs und Politikern Guinea-Bissau zu einem Umschlagplatz für ihr Kokain gemacht haben.

Yuri Fedotov, der Direktor der UNO-Behörde zur Drogenbekämpfung (UNODC), beklagte im Juli gegenüber dem UN-Sicherheitsrat, dass der Drogenhandel in Westafrika in diesem Jahr deutlich zugenommen habe. Gerade Guinea-Bissau bereite ihm große Sorgen: "Wir haben vor allem Angst vor der Zusammenarbeit von Militär und Drogenhändlern. In Guinea-Bissau herrscht eine Kultur der Straflosigkeit, die verhindert, dass der Drogenhandel effektiv verfolgt wird."

Zum Drogenhandel kommen noch ethnische Spannungen: So gilt seit Jahren die Dominanz der Volksgruppe der Balanta als problematisch. Sie macht nur etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung aus, hält aber die meisten Schlüsselpositionen beim Militär inne. Ob Guinea-Bissau in absehbarer Zeit zur Ruhe kommen wird, bleibt daher fraglich.