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Warum Papandreou plötzlich ein Referendum will

2. November 2011

Papandreous taktisches Manöver, ein Referendum über die jüngsten EU-Beschlüsse abzuhalten, birgt ein hohes Risiko - für den Premier selbst und für das Euro-Land.

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Der griechische Ministerpraesident Georgios Papandreou (Foto: Thanassis Stavrakis/AP/dapd)
Möchte Referendum - der griechische Ministerpräsident Georgios PapandreouBild: dapd

Selbst die eigenen Minister waren ziemlich überrascht von dieser Ankündigung: Das griechische Volk müsse selbst zu Wort kommen und in einem Referendum über den in Aussicht gestellten Teilerlass der Staatsschulden sowie die damit einhergehenden drastischen Sparmaßnahmen frei entscheiden, erklärte der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou am Montagabend vor der Fraktion der regierenden Sozialisten in Athen. Zudem stellte Papandreou wieder einmal die Vertrauensfrage. Spätestens in der Nacht zum Samstag (05.11.2011) soll das griechische Parlament darüber abstimmen.

Volksentscheid-Ergebnis bindend

Wie genau die Referendum-Frage lautet, über die die Griechen voraussichtlich im kommenden Januar abstimmen sollen, ist noch nicht bekannt. Aber die Entscheidung des Volkes sei für seine Regierung bindend, sagte Papandreou.

Völlig aus dem Nichts kam sein Paukenschlag eigentlich nicht, denn Papandreou gilt ohnehin als Anhänger direktdemokratischer Verfahren. Noch als Oppositionsführer plädierte er vor der Europa-Wahl 2009 für eine Volksabstimmung über den Lissaboner Vertrag und machte sich damit nur wenige Freunde in Brüssel. Die Kommunal- und Regionalwahlen 2010 erklärte er als Ministerpräsident kurzerhand zum Volksentscheid über seine Sparpolitik und kam mit einem blauen Auge davon. In den Großstädten konnten die Sozialisten sogar deutlich zulegen.

Menschen auf der Straße in Athen (Foto:Petros Giannakouris/AP/dapd)
Referendum soll ein Befreieungsschlag für Papandreou werdenBild: dapd

Papandreou unter Druck

"Was schon einmal funktioniert hat, könnte auch ein zweites Mal klappen", denkt sich offenbar der griechische Ministerpräsident und ergreift erneut die Flucht nach vorne - um dem Druck der Opposition zu entkommen, aber auch, um die eigenen Reihen zu schließen. In seiner sozialistischen Regierungspartei steht Papandreou nämlich mit dem Rücken zur Wand, im Parlament verfügt er über eine Mehrheit von nur noch drei Stimmen. Vier Abgeordnete seiner Partei plädieren mittlerweile offen für eine "Regierung der nationalen Einheit" ohne Papandreou an der Spitze.

Eine Volksabstimmung könnte jetzt den Befreiungsschlag für Papandreou bringen oder aber seinen Abschied aus der Politik. In jedem Fall birgt sein taktisches Manöver ein hohes Risiko, zumal die Bürger in Griechenland mit Volksabstimmungen kaum Erfahrung haben. Zuletzt wurde dort ein Referendum 1974 abgehalten. Es ging um die Abschaffung der Monarchie nach dem Zusammenbruch der griechischen Militär-Diktatur.

75 Prozent Griechen für Verbleib in der Eurozone

Die Ankündigung eines Volksentscheides über das vereinbarte neue EU-Hilfspaket sorgt in Griechenland für Aufregung auch im Zusammenhang mit Ergebnissen einer Umfrage von letzter Woche. Da hatten 60 Prozent der Befragten die Beschlüsse der jüngsten Brüsseler Gipfeltreffen als negativ bewertet. Andererseits: In der gleichen Umfrage sprachen sich knapp 75 Prozent der Befragten für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone aus.

Möglicherweise, munkelt man in Athen, will Papandreou genau diese Stimmung aufgreifen und den griechischen Wählern deutlich machen, dass es hier nicht nur um die Privatisierung der Elektrizitätswerke geht, sondern um Wichtigeres und auch Grundsätzliches, nämlich um die Frage, ob Griechenland weiterhin dem harten Kern Europas angehören soll.

Autor: Jannis Papadimitriou, Athen
Redaktion: Julia Elvers-Guyot