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Warum stellt Ihr nicht mehr Leute ein? BDA ließ 1.000 Unternehmen befragen

Karl Zawadzky19. November 2001

Vier Millionen Arbeitslose und hunderttausende offener Stellen sind nur scheinbar ein Widerspruch. Die Lohnnebenkosten und die Bürokratie verhindern Neueinstellungen, sagt die Wirtschaft

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Für Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt ist es eine "unsinnige Vorstellung", durch eine gesetzliche Begrenzung von Überstunden zusätzliche Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Der Arbeitgeberpräsident wies am Montag (19. 11.) in Berlin darauf hin, mit der voraussichtlichen Zahl von 1,6 bis 1,7 Milliarden Überstunden im laufenden Jahr sei ein Tiefpunkt erreicht. In der Vergangenheit seien in den deutschen Unternehmen stets deutlich mehr Überstunden angeordnet und geleistet worden. Für die Unternehmen seien Überstunden unverzichtbar, um Auftragsspitzen abarbeiten zu können, erklärte Hundt bei der Vorstellung einer Studie der Unternehmensberatungsgesellschaft KPMG über die Ursachen von gleichzeitig hoher Arbeitslosigkeit und den Schwierigkeiten der Unternehmen, freie Stellen mit ausreichend qualifizierten Fachkräften besetzen zu können.

Nicht nur der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, sondern auch die Überregulierung des deutschen Arbeitsmarktes belastet die Unternehmen und verhindert, dass mehr Menschen in den regulären Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Sinkende Lohnzusatzkosten, ein weniger restriktiver Kündigungsschutz, mehr Spielraum für befristete Beschäftigung und Zeitarbeit stehen auf der Wunschliste der Unternehmen ganz oben. Die Unternehmensberatung KPMG hat rund 1 000 Unternehmen aus der Industrie, der Baubranche, dem Handel, Handwerk und den Dienstleistungsbranchen befragt. Das Ergebnis lautet: Mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen haben trotz hoher
Arbeitslosigkeit Probleme, geeignete Bewerber für die Besetzung freier Stellen zu finden. Oder anders gesagt: Es gibt eine dramatische Fehlentwicklung zwischen der hohen und wieder steigenden Arbeitslosigkeit sowie dem Problemen vieler Unternehmen, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden.

Der Vorstandssprecher von KPMG Deutschland, Harald Wiedmann, erklärt: "Deshalb fordere ich einen Abbau der Überregulierung am Arbeitsmarkt. Denn die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist ganz überwiegend struktureller Natur, nicht konjunktureller Natur." Zu den strukturellen Fehlentwicklungen zählt Professor Wiedmann die in den letzten Jahrzehnten drastisch gestiegenen Personalkosten. Dabei handelt es sich nicht nur um die Löhne und Gehälter, sondern ebenso um die gesetzlichen sowie freiwillig gewährten Lohnnebenkosten, die die Arbeit hier zu Lande verteuern. Während die Löhne und Gehälter seit 1972 nur um das Zweieinhalbfache gestiegen sind, haben im gleichen Zeitraum die Personalzusatzkosten um mehr als das Vierfache zugenommen.

"Lohnnebenkosten sind kaum noch Nebenkosten," sagt Wiedmann, "sondern fast schon Hauptkosten. Und sie sind ein Haupthindernis bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Rund 80 Prozent der deutschen Unternehmen sagen, die Senkung der Lohnnebenkosten hat höchste Priorität und ist eine zentrale Voraussetzung, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist ein deutlicher Hinweis an die Politik."

Um Engpässe zu überbrücken, greifen die Unternehmen auf Überstunden und Zeitarbeitskräfte zurück. Viele Zeitarbeitnehmer werden anschließend in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen. Überstunden und Zeitarbeit sind auch nach Feststellung von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt "ein Ventil im überregulierten Arbeitsmarkt". Hundt verwies auf das Ergebnis der KPMG-Studie, wonach eine Lockerung der bestehenden Restriktionen zu mehr Einstellungen führen würde und setzte sich für mehr Bündnisse für Arbeit auf der betrieblichen Ebene ein:


"Betriebliche Bündnisse für Arbeit geben dem Betrieb die Möglichkeit, zur Sicherung von Arbeitsplätzen vom Tarifvertrag abzuweichen, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig sind. So muß es im Einzelfall zum Beispiel möglich sein, abweichend vom Tarifvertrag länger zu arbeiten, wenn damit Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden. Arbeitnehmer und Betriebsrat können diese Situation für ein Unternehmen gemeinsam mit dem Arbeitgeber am besten beurteilen," sagt der Arbeitgeberpräsident.

Ganz oben auf der Wunschliste der Unternehmen steht die Senkung der gesetzlichen Lohnzusatzkosten. Dies wird nach Hundts Meinung aber nur dann nachhaltig gelingen, wenn die dringend notwendigen Reformen in den sozialen Sicherungssystemen in Angriff genommen werden. Danach sieht es aber derzeit nicht aus. Arbeitgeberpräsident Hundt: "In der Rentenversicherung wird die Senkung auf 19 Prozent nicht erreicht. In der Krankenversicherung wird der Beitrag die 14-Prozent-Grenze durchbrechen, und in der Arbeitslosenversicherung ist die Möglichkeit einer Beitragssenkung erst einmal wieder verspielt. In allen Sozialversicherungszweigen besteht nach wie vor erheblicher Reformbedarf."