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"Was bedeutet Freiheit des Wortes?"

29. Juli 2002

– Pressestimmen aus Tschechien zum aufgedeckten Mordkomplott gegen eine Journalistin

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Prag, 26.7.2002, RADIO PRAG, deutsch, Silja Schultheis

So etwas hat es in der Tschechischen Republik bislang noch nicht gegeben: lebensgefährliche Übergriffe gegen Reporter (...) von Seiten ranghoher Politiker. Die Nachricht von dem geplanten Mord an der Journalistin Sabina Slonkova von der auflagenstarken Tageszeitung "Mlada fronta Dnes" rief daher Anfang der Woche bei der tschechischen Öffentlichkeit in erster Linie Fassungslosigkeit hervor. (...) Ob das wirklich eine Nachricht aus Tschechien sei, fragten in ihrer ersten Reaktion auf den bekannt gewordenen Mordkomplott gegen die Redakteurin Sabina Slonkova nahezu einhellig die tschechischen Tageszeitungen. Solche Fälle seien bislang nur aus Ländern wie beispielsweise der Ukraine oder Russland bekannt geworden, hieß es.

Die Zeitung "Lidove noviny" (Dienstagsausgabe, 23.7.) schreibt dazu: "Beispiellos ist zweifelsohne vor allem der Versuch der physischen Liquidierung von Sabina Slonkova. Bislang waren die Politiker vom Typ des verdächtigten Srba 'gemäßigter', beschränkten sich auf Drohungen und Einschüchterungen und gelegentliche Schmähschriften." (...)

Hintergrund für den versuchten Mord an der 29jährigen Sabina Slonkova - so wird vermutet - ist möglicherweise die Tatsache, dass sie in der Vergangenheit einige Finanzaffären enthüllt hatte, in die der Hauptverdächtige in dem Fall, der ehemalige Kanzleichef des Auswärtigen Amtes Karel Srba, verwickelt war. Damit hat sie sich auf eine Form des Journalismus spezialisiert, die in Tschechien bislang nicht sehr verbreitet ist, meint Petra Koepplova, Chefredakteurin der Internet-Zeitschrift Mediareport von der Stiftung Ferdinand Peroutka, die sich der Förderung der tschechischen Medienlandschaft verschrieben hat: "In den Redaktionen arbeiten sehr junge Leute, es fehlt die ältere und mittlere Generation. Und das hat natürlich Folgen. Sabina Slonkova gehört zu der jüngeren Generation, die jetzt in allen Medien überwiegt. Sie hatte sich auf investigativen Journalismus spezialisiert - ein Gebiet, das bei uns keine lange Tradition hat. Und auf diesem Gebiet hat sich Frau Slonkova selbstverständlich sehr verdient gemacht."

Die Zeitung "Hospodarske noviny" macht sich in ihrer Freitagsausgabe (26.7.) Gedanken über die Erneuerung der tschechischen Medienlandschaft nach 1989. Der Fall Slonkova habe jetzt Fragen ans Licht gebracht, die bereits vor 12 Jahren hätten gestellt werden sollen, heißt es in dem Kommentar, und weiter: "Was bedeutet Freiheit des Wortes, welchen Preis hat sie und was sind die dafür nötigen Bedingungen?" fragt die Zeitung und kommt zu dem Schluss: "Sabina Slonkova hat darüber geschrieben, dass einer der Mächtigen stiehlt und lügt. Solche unangenehmen Wahrheiten auszusprechen, sollte die Verpflichtung eines jeden sein, der die Pressefreiheit nutzt. Wenn Sabina Slonkova keine Ausnahme, sondern die Regel gewesen wäre, hätte einem verdorbenen Politiker kein Mord geholfen." (...) (ykk)