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Kommentar

Gabriele Schaaf9. Oktober 2006

Die Frankfurter Buchmesse ist zu Ende. Es war der weltgrößte Branchentreff mit 2272 Ausstellern, 400.000 Titeln und 112.000 Neuerscheinungen aus aller Welt. Gabriele Schaaf zieht Bilanz.

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Kenner der Frankfurter Buchmesse wissen: Man erlebt dort jedes Jahr dieselbe Mischung aus Hektik und Rausch, aus Angst, vor der Fülle zu kapitulieren, und dem Wunsch, dass es nie aufhören möge. Man trifft dort im wesentlichen auch jedes Jahr dieselben Bekannten. Und doch ist nicht jedes Jahr wirklich alles dasselbe, die Nuancen sind wichtig: Diese Buchmesse zum Beispiel sprühte vor guter Laune.

Die Branche, die jahrelang der Öffentlichkeit die Ohren voll klagte, dass die Umsätze stagnierten und die Konzentration dafür zunehme, freute sich: über den gelungenen Gastlandauftritt Indien, über mehr Aussteller als je zuvor, darüber dass die kleinen Verlage nach Jahren des Rückzugs wieder nach Frankfurt gekommen sind.


Kleine bringen frischen Wind

Nicht zuletzt die vielen neuen Klein-Verleger mit ihren ambitionierten Programmen sind es auch, die wieder frischen Wind in die Buchlandschaft gebracht haben. Die Innovationsfähigkeit und Risikobereitschaft, die sie an den Tag legen, hat jetzt offenbar die ganze Branche erfasst. Denn die genannten Probleme sind zwar geblieben - um nur ein Beispiel zu nennen: Zwei große Buchhandelsketten machen mittlerweile vielen kleineren Läden den Garaus. Aber man geht diese Probleme nun kreativer an.

Google will die Weltliteratur im Netz verscherbeln? "Das können wir zwar nicht verhindern", sagt der Börsenverein des deutschen Buchhandels, "aber wir jammern nicht, wir gründen eine eigene Online-Plattform". Zur Freude der Internet-geübten Kunden, die bald zuerst online in neuen Romanen surfen können, bevor sie dann wohl lieber die gedruckte Version kaufen. Und zur Freude der Verlage, die jetzt wenigstens ihre Inhalte vor Piraterie geschützt wissen. "Keine Angst vor digitalen Medien", heißt die Devise, "stellen wir uns lieber an die Spitze der Entwicklung." Darin liegt eine Herausforderung für die Literatur und ihre Märkte weltweit.


Probleme bleiben

Aber es gibt auch andere Herausforderungen, die keine gute Laune machen: In etlichen Regionen der Welt existiert so gut wie keine Buchkultur - sie konzentriert sich vorrangig auf die Industrie-Nationen. Und auch dort können nicht alle an ihr teilhaben: Vier Millionen Analphabeten gibt es allein in Deutschland, im immer noch gerne so genannten "Land der Dichter und Denker", fast 800 Millionen sind es weltweit. Und weltweit nehmen auch die Repressionen gegen Schriftsteller zu: 19 Autoren wurden in der ersten Jahreshälfte getötet, 194 verfolgt und inhaftiert.

Es ist eine der großen Qualitäten der Frankfurter Buchmesse, dass sie all dies zur Sprache bringt und sich hier in der Verantwortung fühlt. Etwa mit einem neu gestarteten Bildungsschwerpunkt. Geschäft, Kultur und Politik - das ist die Mischung, die diesen weltgrößten Branchentreff so einzigartig macht. Und so faszinierend. Jedes Jahr ist das so. Aber es ist eben doch nicht jedes Jahr alles dasselbe.