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Die Schuldenkrise spitzt sich zu

28. April 2010

Eine große Ratingagentur stuft die Bonität Griechenlands und Spaniens herab – und reißt Europas Börsen in die Tiefe. Die Agenturen sind zu mächtig – und zu pessimistisch, meinen Experten.

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Symbolbild Geld Euro-Münze in einer Wasserpumpenzange (Foto: picture alliance)
Griechenland - EurolandBild: picture-alliance/dpa

Wenn Menschen Geld verleihen, dann wollen sie sicher sein, dass sie es auch zurückbekommen, mit Zinsen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sie das Geld einem Unternehmen oder einem Staat leihen. Ratingagenturen bewerten, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Schuldner seinen Verpflichtungen nachkommt.

Vertrauenskrise

Sambole von Moodys, Fitch und Standard & Poors (Grafik: DW)
Wenn Analysten zweifeln...Bild: DW

Im Falle Griechenlands haben die Analysten der Agentur Standard & Poor's die aktuelle Haushaltslage, die politische Situation und das erwartete Wirtschaftswachstum untersucht. "Wir glauben, dass sich der politische Spielraum der Regierung verengt", schreiben die Analysten in ihrem Bericht. Trotz der angekündigten Reformen sehen sie eine "Vertrauenskrise", denn es sei unsicher, ob die Regierung in der Lage sei, die Reformen auch schnell umzusetzen. Auch zweifeln sie am politischen Willen, den harten Sparkurs "über viele Jahre durchzuhalten".

Griechenland ächzt unter gewaltigen Schulden, die größer sind als alles, was das Land in einem Jahr produziert. Zudem werden ständig alte Schulden fällig, die bedient werden müssen. "Griechenland braucht in den nächsten drei Jahren über 100 Milliarden Euro an Anschlussfinanzierung", sagt Wolfgang Gerke, der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, einer Denkfabrik in München.

Risikoaufschläge

Die Vertrauenskrise, von der die Analysten sprechen, hat sich nach der Rating-Abwertung noch verschärft. Schon in der letzten Woche verlangten Anleger fast täglich höhere Risikoaufschläge, wenn sie dem griechischen Staat Geld liehen. Während Deutschland sich für weniger als drei Prozent Geld leihen kann, liegt die Rendite für griechische Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit bei über zehn Prozent im Jahr. Mit anderen Worten: Für jeden Euro, den sich Griechenland jetzt leiht, muss es am Ende mehr als zwei Euro zurückzahlen. Man muss kein Finanzprofi sein, um zu ahnen, dass das nicht lange gut gehen kann.

Negativ übertreiben

In die Herabstufung durch S&P seien keine wirklich neuen Erkenntnisse eingeflossen, glaubt Martin Hüfner, Chefvolkswirt beim Münchner Finanzdienstleister Assenagon: "Das hätte man auch schon vor vier Wochen machen können". Weil sie in der Finanzkrise verschiedene Anlageprodukte als zu sicher eingestuft haben, neigten die Agenturen nun dazu, die Einschätzung negativ zu übertreiben, sagt Hüfner. Er erwartet, dass die beiden anderen Ratingagenturen Moody's und Fitch ihre Griechenland-Bewertung ebenfalls herabstufen.

Blick Häusermeer Athen (Foto: dpa)
Schwere Zeiten für HellasBild: picture-alliance/dpa/Peter Zimmermann

Die schlechtere Rating hat weitreichende Folgen für Griechenland. Denn große institutionelle Anleger wie Pensionsfonds und Versicherungen dürfen ihr Geld nicht in griechische Anleihen investieren, wenn deren Rating Ramsch-Niveau hat. "Natürlich gibt es auch Spekulanten. Aber die große Masse derer, die Griechenland-Anleihen haben, sind doch Pensionsfonds und Versicherungen", sagt Hüfner. Er plädiert für eine Änderung der Vorschriften. "Man sollte Anleger nicht dazu zwingen, bei einer Rating-Abstufung Papiere abzustoßen. Das macht die Sache nur noch schlimmer, und die Ratingagenturen sind auch nicht mehr frei in ihrem Handeln."

Die Unruhe an den Märkten treibt nun die Politiker zur Eile. Die Milliardenhilfe für Griechenland könnte bei einem Sondergipfel am 10. Mai freigegeben werden, berichten Agenturen mit Berufung auf Kreise der EU-Ratspräsidentschaft. Das wäre einen Tag nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Offenbar möchte es Bundeskanzlerin Merkel vermeiden, vor dieser Wahl den Milliardenhilfen für Griechenland zuzustimmen.

Schlechtes Krisenmanagement

Ökonom Martin Hüfner macht die Politik daher mitverantwortlich für das Ausmaß der Krise: "Das Krisenmanagement ist sehr schlecht". Ursprünglich haben die Eurostaaten Hilfe zugesagt, als Griechenland diese Hilfe dann in Anspruch nehmen wollte, zögerte vor allem die deutsche Bundesregierung, schnell zu handeln. "Diese Ja-Aber-Haltung mag der Markt überhaupt nicht". Die anschließende Diskussion deutscher Politiker, Banken und private Anleger durch eine Umschuldung Griechenlands zu bestrafen, habe das Land von den privaten Märkten abgeschnitten. Vor vier Wochen habe man noch von einer Ko-Finanzierung ausgehen können, "einen Teil geben die privaten Anleger, einen Teil die öffentlichen Hände", so Hüfner. Durch das Zögern aber machten private Anleger nun einen Bogen um griechische Anleihen, und es bleibe nur noch die staatliche Unterstützung. "Das heißt, die ganze Sache ist sehr viel teurer geworden".

Autor: Andreas Becker

Redaktion: Monika Lohmüller