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Was man über Abschiebungen wissen sollte

Andrea Grunau2. Juni 2016

Abgelehnte Asylbewerber sofort raus aus Deutschland oder lieber warten, bis sie freiwillig ausreisen? Diese Fragen sind Teil der deutschen Asyldebatte. Fakten und Beobachtungen zu einem Top-Thema deutscher Politik.

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Ein abgelehnter 'Asylbewerber mit einem Mädchen auf dem Arm winkt, umringt von Polizisten (Foto: picture alliance/dpa/S. Willnow)
Bild: picture alliance/dpa/S. Willnow

Was heißt Abschiebung?

Von Abschiebung spricht man, wenn die Behörden und die Polizei Menschen ohne deutschen Pass zwingen, Deutschland wieder zu verlassen. Abgelehnte Asylbewerber, die keinen Schutzstatus in Deutschland bekommen, werden darüber informiert, dass sie das Land innerhalb von 30 Tagen verlassen müssen und dass man sie zwingt, wenn sie nicht freiwillig gehen. Bewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten" müssen innerhalb einer Woche ausreisen.

Was passiert bei einer Abschiebung?

Es wird oft berichtet, dass die Polizei die Menschen in den frühen Morgenstunden aus den Betten klingelt und sie nach einer kurzen Packpause zum Flughafen fährt. Man will sicherstellen, dass sich die Betroffenen der Abschiebung nicht entziehen und - so heißt es - dass sie im Zielland so früh eintreffen, dass sich die Behörden dort in ihrer Arbeitszeit um sie kümmern können.

Die allermeisten Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg - bei Einzelpersonen per Linienflug ins Herkunftsland. Bei Sammelabschiebungen werden 50 oder auch 150 Personen zu einer Chartermaschine gebracht, die sie in ihr Heimatland fliegt. Immer häufiger werden Abschiebungen auch länderübergreifend über die europäische Grenzschutzagentur Frontex organisiert.

Flugzeug auf dem Rollfeld, am Zaun davor stehen Journalisten und Helfer (Foto: Bernd Wüstneck/dpa)
Eine Maschine auf dem Flughafen in Rostock-Laage, die 50 abgelehnte Asylbewerber ausfliegen sollBild: picture alliance/dpa/B. Wüstneck

Wann gilt ein Abschiebeverbot?

Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Asylantrag ablehnt, prüft es, ob dem Antragsteller im Herkunftsland eine "erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit" droht. Das gilt zum Beispiel, wenn jemand an einer Krankheit leidet, deren Behandlung im Herkunftsland nicht möglich oder finanzierbar ist, oder wenn absehbar ist, dass insbesondere Kinder in eine existenzielle Notlage geraten.

Bei einem Abschiebeverbot bekommt der Betroffene eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr. Sie kann mehrmals verlängert werden. Abschiebeverbote werden eher selten ausgesprochen: Das BAMF nennt für 2016 (bis Ende April) gut 1000 Fälle bei insgesamt über 194.000 Entscheidungen.

Welche Rolle spielen die Bundesländer, in denen die Asylbewerber leben?

Die 16 Bundesländer und deren Ausländerbehörden sind für Abschiebungen zuständig. Nach dem BAMF-Bescheid prüfen sie, ob sie abgelehnte Asylbewerber abschieben oder eine Duldung aussprechen. Die Duldung erfolgt, wenn aus rechtlichen oder praktischen Gründen (noch) nicht abgeschoben werden kann. Beispiele: Ausreisepflichtige ohne Passdokumente, ein Herkunftsland, das die Rücknahme verweigert, ernsthafte Erkrankungen oder Reiseunfähigkeit. Die Duldung kann verlängert werden.

SPD-geführte Bundesländer wie Nordrhein Westfalen und Rheinland-Pfalz betonen, Abschiebung sei nicht das einzige Mittel und setzen auf die Beratung zu einer freiwilligen Ausreise. Das CSU-geführte Bayern dagegen betont, dass es sehr konsequent abschiebe.

Tatsächlich wird die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise je nach Bundesland sehr unterschiedlich genutzt. Eine Befragung des Mediendienstes Integration ergab, dass die Zahl der Abschiebungen in Sachsen zwischen Januar und November 2015 doppelt so hoch war wie die der freiwilligen Ausreisen. In Rheinland-Pfalz dagegen reisten 90 Prozent der Rückkehrer freiwillig aus.

Wie viele Menschen hat Deutschland in den vergangenen Jahren abgeschoben?

Seit 2013 steigt die Zahl der Abschiebungen. 2014 wurden knapp 11.000 Menschen abgeschoben. 2015 waren es knapp 21.000 Abschiebungen. Dieses Jahr wurden bis Ende April schon mehr als 9000 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben.

In welche Länder wird abgeschoben?

Vor allem Menschen aus den Balkanstaaten Serbien, Mazedonien, Kosovo, Albanien und Bosnien-Herzegowina wurden in den vergangenen Jahren abgeschoben. Für das Bürgerkriegsland Syrien verständigten sich die Innenminister 2012 darauf, die Abschiebung auszusetzen. Diese Regelung wurde bis September 2016 verlängert.

Polizisten vor einem Bus mit Kindern (Foto: Sebastian Willnow/dpa)
Polizisten in Sachsen kümmern sich die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber aus SerbienBild: picture alliance/dpa/S. Willnow

Wie viele Menschen müssten das Land eigentlich verlassen?

Mit solchen Zahlen kann man Stimmung erzeugen. So wurde für Mitte 2015 immer wieder die Zahl von 540.000 abgelehnten Asylbewerbern genannt, von denen viele seit mehr als zehn Jahren in Deutschland lebten.

Eine sofortige Ausreisepflicht besteht aber nur, wenn es keine Duldung gibt. Mitte 2015 waren nur 51.000 Menschen "unmittelbar ausreisepflichtig". Für 2016 nannte das Innenministerium eine ähnliche Größenordnung.

Wie entwickeln sich die freiwilligen Ausreisen?

Pauschal lässt sich festhalten, dass die Zahl der freiwilligen Ausreisen - unterstützt durch Förderprogramme - immer deutlich höher war als die der Abschiebungen. Auch 2016 verließen bis Ende April nach Informationen aus dem Innenministerium mehr als 20.000 Personen freiwillig das Land.

Was sagt die Abschiebebeobachterin?

Deutschland hatte 2001 auf dem Düsseldorfer Flughafen EU-weit die erste unabhängige Abschiebebeobachtung. Heute achtet dort Dalia Höhne vom Sozialverband Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe auf die Einhaltung der Menschenrechte. Auch in Düsseldorf steige die Zahl der Abschiebungen, sagt sie, viele Betroffene seien verzweifelt.

Diejenigen, die lange geduldet waren, seien trotz Vorwarnung von der unangekündigten Abholung oft überrumpelt: "Ich habe schon Menschen erlebt, die hier in Badeschlappen standen, ihre Brille oder Medikamente vergessen hatten und kein Geld in der Tasche hatten." Höhne wünscht sich mehr Personal und Rechte für die Abschiebebeobachter in Deutschland.