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Was meinen wir, wenn wir „Gott“ sagen?

14. Juni 2014

Gott hat viele Namen. Der zutreffendste ist wohl der des Mysteriums. Gott ist Geheimnis, wie auch der Kosmos und die Natur Geheimnis ist, meint Pater Eberhard von Gemmingen von der katholischen Kirche.

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Bildergalerie Schwarze Löcher
Bild: NASA/CXC/SAO/A.Prestwich et al

Viele moderne Menschen sagen, sie könnten nicht an Gott glauben. Und verweisen auf negative Erfahrungen: Schwere Krankheiten, tragische Unfälle, Naturkatastrophen wie Tsunamis. Sie sagen. Wie kann ein allmächtiger Gott das zulassen? Ich kann und will nicht an einen solchen Gott glauben.

Vor wenigen Tagen haben wir Pfingsten gefeiert. Das ist ein Anlass, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Wovon sprechen wir eigentlich, wenn wir „Gott“ sagen? Christen sind herausgefordert, auf kritische Fragen nach Gott zu antworten. Die erste Frage lautet: Was meinen wir überhaupt, wenn wir von „Gott“ sprechen? Wer ist für uns Gott? Stimmen die Bilder, die ihn auf einem Thron im Himmel zeigen? Ist Jesus zu Ihm aufgefahren, wie sich das unsere Vorfahren vorstellten? Vor allem aber: Ist er gleichgültig? Ist er ohnmächtig? Wen oder was leugnet ein Mensch, der sagt: ich glaube nicht an Gott?

Der bekannte Theologe Karl Rahner sprach immer wieder von dem „unendlichen Geheimnis“, das wir „Gott“ nennen. Ich wiederhole: Das unendliche Geheimnis, das wir Gott nennen. Wenn wir vernünftig und gleichzeitig gläubig über Gott sprechen, dann müssen wir als erstes sagen: Gott ist ein undurchdringliches Geheimnis, ein Mysterium. Wenn Gott Gott ist, dann können wir ihn in sich nicht verstehen. Er ist geheimnisvoll. Vielleicht ebenso geheimnisvoll wie die Natur dieser Erde, der Kosmos. Die Natur ist – wie die Physiker sagen – Welle und Teilchen. Für uns widerspricht sich das, und doch sagen es uns die Physiker. In diesem Sinn muss der Glaubende bekennen: Gott ist ein Mysterium. Undurchdringlich. Wir können ihn nie verstehen. Wir können auch tragische menschliche Schicksale nicht verstehen und müssen mit diesem Nicht-Verstehen-Können leben. Aber dennoch kann ich als Christ bekennen: Ich glaube, dass hinter dem Kosmos, mit seiner wunderbaren Ordnung dieses unendliche Geheimnis steht. Ich kann glauben, dass der Kosmos mit seiner Ordnung nicht durch Zufall, sondern durch einen Geist entstanden ist. Ich verweise mit meinem Glauben also auf den, auf den diese kosmische Ordnung zurückgeht. Er ist aber ein undurchdringliches Mysterium.

Wie aber können wir dann Vertrauen auf dieses Geheimnis setzen? Ist das Geheimnis eine Person, ein Du?

Nun gehe ich einen wichtigen Schritt weiter: Es gab diesen Mann Jesus aus Nazareth. Er ist als einfacher junger Mann mit ungeheurer Autorität und ungeheurem Anspruch aufgetreten. Und er hat mit einer solchen Autorität gesprochen, dass seine Freunde in ihm eine menschliche Erscheinung Gottes gesehen haben. Sie haben ihn erfahren als die Verleiblichung des Mysteriums Gott. Das haben sie während seines irdischen Lebens erfahren. Aber auch nach seiner schrecklichen Kreuzigung haben sie ihn als Lebenden erfahren. Sie haben mit ihm gegessen, ihn angelangt. Sie haben gegen alle ihre Zweifel schließlich erkannt: Der Gekreuzigte lebt. Er zeigte sich ihnen einerseits und war dann aber andererseits auch wieder plötzlich weg. Sie haben erfahren, er identifiziert sich mit dem unendlichen Geheimnis, das er Vater nannte. Wir können also mit diesem Menschen Jesus in die Knie sinken vor dem unendlichen Geheimnis, und können ihn mit Jesus Vater nennen. Dieses Tun setzt Vertrauen auf Jesus voraus, dass wir ihm glauben und vertrauen.

Wenn wir aber beginnen, unser Leben an diesem Jesus und an dem Geheimnis, das er Vater nennt, fest zu machen, dann werden wir erfahren, dass wir davon getragen sind. Wir werden erfahren: Unser Leben bekommt Halt und Festigkeit. Wir werden weniger Schilfrohre sein, die vom Wind hin und her getrieben werden.

Wenn wir von Gott sprechen, meinen wir ein Geheimnis, das unserem Leben Orientierung, Halt, Festigkeit und Schönheit gibt.

Pater Eberhard von Gemmingen Radio Vatikan
Pater Eberhard von Gemmingen SJBild: picture-alliance/ ZB

Zum Autor:Pater Eberhard von Gemmingen SJ ist 1936 in Bad Rappenau geboren. Nachdem er 1957 in den Jesuitenorden eingetreten ist, studierte er 1959 Philosophie in Pullach bei München und Theologie in Innsbruck und Tübingen. 1968 erfolgte seine Priesterweihe. Pater Eberhard von Gemmingen SJ war Mitglied der ökumenischen Laienbewegung action 365, bischöflicher Beauftragter beim ZDF und Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan. Seit 2010 ist er Fundraiser der deutschen Jesuiten.