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Politik

Was Trump im Jerusalem-Streit antreibt

Michael Knigge hin
10. Dezember 2017

Je mehr Widerspruch US-Präsident Trumps Jerusalem-Beschluss provoziert, desto mehr stellen Kritiker seine Gründe infrage. Kenner sehen einen politischen und einen psychologischen Faktor. Aus Washington Michael Knigge.

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Gaza - Proteste gegen Jerusalem-Status
Bild: Reuters/M. Salem

Falls Donald Trump gedacht haben sollte, die Einwände gegen seinen Alleingang würden langsam verebben, hat er sich getäuscht: Die Proteste gegen seine Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft aus Tel Aviv dorthin zu verlegen, werden zunehmend massiver, sowohl in den USA als auch weltweit.

In einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats mussten die Vereinigten Staaten massive Kritik einstecken. Später erklärten Großbritannien, Frankreich, Schweden, Italien sowie Deutschland, die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt widerspreche einschlägigen UN-Resolutionen und sei "nicht hilfreich" für Frieden in der Region. Schon längst waren Muslime in der ganzen Welt auf den Straßen, um gegen Trumps Entscheidung zu protestieren.

Gegen diesen einseitigen Schritt sprachen sich auch neun von elf ehemaligen US-Botschaftern in Israel aus, die auf eine Ad-hoc-Umfrage der "New York Times" antworteten. Zugleich verurteilten über hundert Wissenschaftler der Judaistik in den USA in einem gemeinsamen Brief den Entschluss.

USA Trump erkennt Jerusalem als Hauptstadt Israels an
Alleingang trotz Warnungen: Trump erkennt Jerusalem als Israels Hauptstadt anBild: Reuters/J. Ernst

Angesichts der beherrschenden Kritik daran, dass Washington mit einer Jahrzehnte währenden politischen Position gebrochen hat, stellt sich die Frage: Warum hat Trump diesen Schritt getan - trotz aller Warnungen von arabischen und europäischen Verbündeten?

Den Evangelikalen zu Gefallen

Das lässt sich einfach erklären, sagt Martin Indyk, ehemaliger US-amerikanischer Botschafter in Israel, Sondergesandter für die israelisch-palästinensischen Gespräche und jetzt Vizepräsident des Thinktanks Brookings Institution: "Das war ein Gefallen für seine evangelikale christliche Basis, schlicht und einfach."

Seine konservativen christlichen und jüdischen Unterstützer zufriedenzustellen, war ein zentrales Element in Trumps Entscheidung, stimmt Steven Spiegel zu, Direktor des Center for Middle East Development an der Universität von Kalifornien in Los Angeles, UCLA. Während des Wahlkampfes hatte Trump wiederholt versichert, er werde Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkennen und die US-Botschaft dorthin verlegen.

Israel US Wahl Trump
Trump-Fans in Israel - Unterstützer in Jerusalem im Wahlkampf, Oktober 2016Bild: Getty Images/T. Coex

Ein verlockend einfacher Schritt

Viele Wahlversprechen kann Trump nicht so leicht einlösen wie geplant - etwa Obamas Gesundheitsreform zu widerrufen oder ein Einreiseverbot für Muslime einzuführen. Er hat auch Mühe, seine Gesetzesvorhaben durchzusetzen, obgleich seine Republikanische Partei die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses hält. Im Gegensatz dazu war die Anerkennung Jerusalem als Israels Hauptstadt eine niedrig hängende Frucht, weil allein die Entscheidung des Präsidenten dafür ausreicht.

Es gibt aber noch einen anderen, unpolitischen Faktor, der Trumps Entscheidung, Jahrzehnte der US-Außenpolitik umzukehren, erklären hilft. Er schüttelt einfach gerne alles durcheinander, stellt Spiegel von der UCLA fest, eine Neigung, die an sich ja nicht notwendigerweise schlecht sei. "Die Situation aufrütteln, mit einer besseren Idee daherkommen - warum nicht? Aber das ist hier nicht der Schwerpunkt, vor allem, wenn man nicht erwähnt, dass Ostjerusalem die palästinensische Hauptstadt wird."

Trump verspielt die Gunst des Nahen Ostens

Beide Wissenschaftler kritisieren Trumps Entscheidung und die Art, wie er sie vermittelte. Insbesondere zerstöre sie den Ansatz der US-Regierung im Nahen Osten, in einer der wenigen Weltgegenden, in der - so Spiegel - Trumps Politik bis jetzt recht positiv aufgenommen wurde.

"Es schien gerade besser zu werden", urteilt Spiegel. "Sie haben Obama im Nahen Osten nicht besonders gemocht und das schien für Trump von Vorteil zu sein. Er kriegt dort nicht so absolut schlechte Noten wie anderswo. Aber das hat er jetzt vermasselt."

Die Jerusalem-Entscheidung passe nicht zu Trumps weiteren Zielen im Nahen und Mittleren Osten, findet Indyk. "Seine Berater haben versucht, sie seiner Strategie der Friedensstiftung anzupassen. Aber das war zu unausgewogen, um den Zorn der Palästinenser zu besänftigen."

Spiegel ist sicher, dass Trumps Entscheidung dem Friedensprozess im Nahen Osten einen schweren Schlag verpasst hat. Sie werde der Wahrnehmung Washingtons in der Region - und darüber hinaus - Schaden zufügen.

"Es ist ein weitgehend symbolischer Akt. Vor allem, weil es viele Jahre dauern wird, bis die Botschaft verlegt wird", sagt Indyk, der frühere Sondergesandte für die israelisch-palästinensischen Verhandlungen. "Aber der Nahostkonflikt wird nun mal von Symbolen angeheizt."