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Was und wieviel braucht der Mensch?

Bernd Gräßler26. April 2004

"Konsum ist für ein Viertel der Weltbevölkerung zu einer Selbstverständlichkeit geworden", steht im Bericht "Zur Lage der Welt 2004" - und beschreibt damit einen Trend unserer Zeit.

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Leben in der ÜberflussgesellschaftBild: bilderbox

Deutschland gehört zu jenen hochindustrialisierten Ländern Nordamerikas und Westeuropas, die 60 Prozent des weltweiten privaten Konsums bestreiten. Für Eiskrem wird in diesen Regionen fast zehnmal soviel Geld ausgegeben wie man brauchte, um Schutzimpfungen für jedes Kind der Welt zu finanzieren.

Appelle zur Begrenzung des globalen Konsums sind deshalb auch wenig glaubwürdig, solange man nicht selbst Mäßigung übt. "Die Einsicht, dass unser Lebensstil nicht verallgemeinerungsfähig ist, ist nicht wirklich neu", sagte denn auch der Grünen-Politiker Reinhard Loske, der in Berlin den Bericht des Worldwatch-Instituts zum Stand des Konsums in der Welt vorstellte. "Aber der Konsum hat im Kapitalismus quasi religiösen Charakter." Umso mehr, wenn in Zeiten ökonomischer Stagnation die Steigerung des privaten Konsums quasi zur nationalen Pflicht erklärt wird, um Wachstum zu erzielen.

Immer und immer mehr

Die rot-grüne Bundesregierung macht da keine Ausnahme. In der deutschsprachigen Ausgabe des Berichts zur Lage der Welt nimmt das Washingtoner Worldwatch-Institut weltweite Konsumgewohnheiten und ihre negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft ins Visier. Die Ökonomie des Massenkonsums, des "immer mehr und immer billiger" sei zum mächtigsten Antrieb für den ökologischen Ruin des Planeten geworden, erklärte Ralf Fücks von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung.

Dabei herrscht eine enorme Ungleichheit. Nur 1,7 Milliarden Menschen nehmen am Konsum teil, während 2,8 Milliarden mit weniger als zwei Dollar pro Tag um ihre Existenz kämpfen. In den USA verbrauchen fünf Prozent der Weltbevölkerung rund ein Viertel der fossilen Energien der Welt, also Kohle, Öl und Erdgas. "Wenn China im gleichen Masse Öl verbrauchen würde, dann das Land 90 Millionen Barrel täglich verbrauchen", nennt Gary Gardner vom Worldwatch-Institut eine Vergleichszahl. "Die gesamte Weltproduktion 2001 betrug aber nur 79 Millionen Barrel."

Genug ist genug

Das 21. Jahrhundert wird nach Ansicht Gardners und anderer Experten von neuen Konsumnationen geprägt werden, zum Beispiel China und Indien. In Asien werden voraussichtlich 200 Millionen neue Autos fahren - das Anderthalbfache des heutigen Autobestandes in den USA. Das Institut gibt Ratschläge, wie die verheerenden Folgen der Konsumrevolution abzumildern sein könnten. Dazu gehört eine ökologische Steuerreform. Außerdem seien Verpackungsgesetze sowie ein stärkerer Einsatz für qualitativ hochwertige, langlebige Produkte nötig. Es müsse künftig mehr um das persönliche Wohlbefinden statt um Wohlstand gehen. Alle müssten sich fragen: "Was sind wirklich meine Bedürfnisse und wann habe ich genug?"

Die Verantwortung der Politiker

Für die deutschen Grünen kündigte Reinhard Loske Vorschläge zur Weiterentwicklung der Ökosteuerreform für Mitte des Jahres an. Durch Steueranreize sollten etwa umweltfreundlicher Autos begünstigt werden. Weiter forderte er die Einführung der Mehrwertsteuer auf Tickets im europäischen Luftverkehr, während gleichzeitig auf Bahntickets im Fernverkehr nur noch der halbe Mehrwertsteuersatz erhoben werden soll. Außerdem wollen die Grünen auch für Elektroschrott eine Rücknahmeverpflichtung einführen. Politik könne dem Bürger zu Recht keine Lebensstile vorschreiben, betonte Loske. Sie könne aber durch Rahmenbedingungen vernünftigeres Verhalten anregen.