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Verkaufshit Jugendsprache

Isabel Ernst9. November 2008

Jugendwörterbücher sind in Mode. Doch geben die zahlreichen witzigen bis abstrusen Begriffe und Redewendungen tatsächlich den Sprachgebrauch der Jugend wieder?

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Zwei Teenager sitzen auf einer Mauer und unterhalten sich.
Wenn sich Jugendliche unterhalten, verlieren Erwachsene schnell mal den Durchblick

Gammelfleischpartys sind schon echt peinlich und diese ätzenden Zornröschen sind auch übertrieben nervig. Wer jetzt gerade kein Wort versteht, sollte sich schleunigst informieren - und zwar in so genannten Jugendwörterbüchern, wie sie zum Beispiel jüngst wieder mit "Hä?? Jugendsprache unplugged" publiziert worden sind. Doch inwiefern die vielen witzigen, abstrusen Begriffe und Redewendungen tatsächlich den Sprachgebrauch der jüngeren Generation wiedergeben, ist eine andere Frage.

Dass Jugendliche kreativ in ihrem Sprachgebrauch sind, wussten vor allem die Jugendlichen selbst ja schon immer. Erwachsene können das allerdings oft nicht wertschätzen. Stichworte wie Sprachzerfall oder die Bedrohung der deutschen Sprache durch Anglizismen fallen in diesem Zusammenhang immer wieder.

Jugendwort des Jahres gesucht

Vier Jugendliche in Damaskus posieren für die Kamera auf einer Bank vor einem Laden mit runtergelassenem Rollladen. (dpa)
Die besten Experten für Jugendsprache sind immer noch die Jugendlichen selbstBild: pIcture-alliance/ ZB

Doch der deutsche Verlag Langenscheidt meint jetzt, das kreative Potential der Jugendlichen erkannt zu haben. So wird dieses Jahr im Dezember das erste Mal das Jugendwort des Jahres gekürt. Im Vorfeld konnten Vorschläge eingereicht werden, und bis Ende Oktober wurde im Internet über die besten und lustigsten Begriffe abgestimmt.

Nun ist das Buch "Hä?? Jugendsprache unplugged" erschienen, in dem diese Wörter aufgeführt sind und erklärt werden. Ein Nachschlagewerk also für all jene Unwissenden, die endlich einmal mitreden wollen. Doch was für eine Sprache benutzen Jugendliche eigentlich genau, wenn sie sich untereinander unterhalten?

Man könnte an Wörter wie cool, krass und Alta denken. Besonders beliebt unter Schülern ist momentan auch die so genannte B-Sprache: Jedes Wort wird einfach mit einem B in der Mitte ausgestattet. Unwissende Lehrer können auf diese Weise nicht mitreden und vor allem nicht zuhören.

Doch Langenscheidt hat sich stattdessen dafür entschieden, kreative Wortneuschöpfungen wie Zornröschen (zickiges Mädchen) oder Gammelfleischparty (Party für Leute über 30) als Jugendsprache zu verkaufen. Ob derartige Begriffe tatsächlich die Sprache von Jugendlichen heutzutage repräsentieren? Nun, darüber lässt sich streiten.

Frau Eva Neuland, Soziolinguistin der Universität Wuppertal, ist zumindest skeptisch: "Unseren Untersuchungen zufolge sind Jugendliche heute wirklich kreativ, aber man kann wohl kaum sagen, dass Jugendliche solche Wörter erfinden und auch unter sich benutzen, jedenfalls nicht in so einem Umfang, wie diese Aktion vielleicht jetzt nahe legt."

Jugendsprache oder PR-Aktion?

Vier jugendliche Mädchen sitzen auf der Wiese und schreiben Nachrichten mit ihrem Handy. (AP Photo)
Sms-taugliche Abkürzungen ist typisch für JugendspracheBild: AP

Doch woher kommen Wörter wie Stockente als Bezeichnung für Nordic Walker oder Heuchlererbsen für Blumenstrauß dann? Die Germanistin glaubt, "dass dies Erfindungen von Leuten sind, die so was vielleicht auch professionell machen. Denn man muss natürlich zugestehen, dass die oft mit einem gewissen Witz verbunden sind. Man kann darüber schmunzeln, allerdings nutzt sich der Witzeffekt relativ schnell ab."

Von Jugendsprach-Wörterbüchern wie das von Langenscheidts hält die Soziolinguistin daher wenig: "Ich halte sie auch für eine Vermarktungsstrategie. Es wird mit dem Thema Jugendsprache sehr viel Geld in unserer Gesellschaft gemacht, eben weil Jugendlichkeit ein so positiver Faktor für uns alle ist."

Jugendwörterbücher sind schon länger in Mode

Drei Mädchen lachen herzhaft.
Lachen kann man über manch kreative Wortneuschöpfung auf jeden FallBild: Bilderbox

Tatsächlich ist Langenscheidt nicht der erste Verlag, der Jugendsprache als ertragreiches Publikationsmaterial für sich entdeckt hat. Der Klettverlag hat bereits 2007 das "Pons- Wörterbuch der Jugendsprache" auf den Markt gebracht – ein Bestseller, vor allem unter Jugendlichen. Als Nachfolgewerk wird es das Buch "Hä?? Jugendsprache unplugged" von Langenscheidt deswegen möglicherweise auch schwer haben.

Eines steht jedenfalls fest: So lustig diese Wörterbücher auch sein mögen, Jugendsprache ist etwas, das Erwachsene ganz bewusst nicht verstehen sollten, wie Professorin Neuland erläutert: "Wenn andere Gruppen in der Gesellschaft diesen Sprachgebrauch verbreiten und übernehmen, dann verliert diese besondere eigene Sprache die identifikatorische und abgrenzende Funktion für die Jugendlichen."

Also bitte liebe Eltern, kleine Geschwister, Lehrer, Großeltern und Erwachsenen: Selbst wenn Ihr jetzt dank Jugendwörterbüchern die Bedeutung von Gammelfleischpartys kennt, so benutzt dieses Wort doch bitte nicht im Alltag. Das wäre ja doch nur peinlich oder total uncool!