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Was wird aus Afghanistan?

Kommentar von Peter Philipp28. September 2001

Washington darf die Zukunft des Landes nicht dem Zufall überlassen

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Der angedrohte Angriff der Amerikaner auf die Taliban als Schutzherrn des saudischen Terroristen Osama bin Laden löst nicht nur unter Afghanen immer mehr die Diskussion darüber aus, wie es mit Afghanistan wohl nach der Militäraktion weitergehen mag. Vorausgesetzt, die Taliban werden verjagt oder geschlagen. So, wie es das erklärte Ziel Washingtons ist, solange sie bin Laden nicht doch noch ausliefern.

Eine klare und vor allem einleuchtende und überzeugende Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Denn Afghanistan und die Afghanen sind nun einmal nicht einfach am Reißbrett oder am Computer neu zu erfinden. Sie haben ihre Geschichte, haben ihre Eigenarten und auch ihre oft widersprüchlichen Interessen. Und mancher von ihnen wird jetzt sicher versuchen, mit Hilfe der Amerikaner das zu erreichen, was ihm sonst nie gelungen wäre. Immer in der Hoffnung, so wieder an die Macht zu kommen.

So täte Washington sicher gut daran, wenn es die Zukunft Afghanistans jetzt mit ins Kalkül seiner militärischen Operationen zöge und nicht dem Zufall überließe. Und wenn man nun nicht einfach Kabul zur Belohnung demjenigen in Aussicht stellt, der sich am hilfreichsten bei der Aktion gegen die Taliban erwiesen hat.

Bunt zusammen gewürfelter Haufen

Da ist zum Beispiel die Nordallianz: Ein bunt zusammengewürfelter Haufen ehemaliger "Mujahedin", die einst mit amerikanischer Hilfe die Sowjets vertrieben, dann aber das Land in bitterer Rivalität untereinander mit Krieg überzogen und dabei auch die Hauptstadt zerstörten. Das Chaos, das diese Gruppen anrichteten, führte maßgeblich dazu, dass die Taliban-Milizen entstanden, um erst einmal Ruhe und Frieden herzustellen.

Die Nordallianz versucht sich nun als Widerstandsgruppe gegen die weltweit geächteten Taliban zu präsentieren. Es wäre aber sträflicher Leichtsinn, diese Leute wieder an die Macht zu bringen. Das umso mehr, als es bereits erste Zeichen eines neuen Konkurrenzkampfes unter ihnen gibt.

Und dann gibt es im römischen Exil den greisen König Mohammad Zaher, der 1973 vertrieben wurde. Ein Mann, der sich mit Mussolini duzte und dessen Rückkehr von denen zurückgewünscht wird, die seine Regierungszeit gar nicht kannten.

Alle Afghanen sollten sich an der Gestaltung ihrer Zukunft beteiligen können. Und es gibt dafür ein traditionelles Instrument: Die "Loya Djirga" - eine Versammlung der wichtigsten Vertreter aller Bevölkerungsschichten. Eine solche sollte zusammengerufen werden - mit Afghanen aus dem Land selbst, aus den Flüchtlingslagern und aus dem Exil. Die Royalisten sollten ebenso beteiligt werden wie die Nordallianz. Aber keinem sollte jetzt allein der Weg an die Macht geebnet werden. Das wäre wieder der alte Fehler, der diesem Land dann zum vierten Mal innerhalb weniger Jahrzehnte nichts bringt als Tod und Elend.