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Was wird aus dem Luftfahrtstandort Deutschland?

31. März 2017

Weltweit nimmt der Flugverkehr zu und in der Branche wird mit harten Bandagen gekämpft. Deutsche Luftverkehrsunternehmen fordern deshalb mehr Beistand von der Politik und haben dabei ihre Finanzen im Blick.

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Deutschland Flughafen Frankfurt
Bild: picture alliance/dpa/B. Roessler

"Buchen Sie Ihren Städtetrip ab 14,99 Euro", heißt es auf der Webseite von Ryanair. Der irische Billigflieger lockt mit knallhart kalkulierten Angeboten, hat seine Preise im Geschäftsjahr 2016/2017 nach eigenen Angaben noch einmal um 14 Prozent gesenkt. "Wir streben weiter an, Tickets irgendwann ganz kostenlos abzugeben", brüstet sich Ryanair-Chef Michael O'Leary. Mit dem Flughafen Frankfurt hat der Billigflieger seine inzwischen neunte Basis in Deutschland erobert. Dort haben es die Iren jetzt besonders eilig: 17 von 20 für Ende Oktober angekündigte Strecken sollen schon ab dem 4. September bedient werden.

Dahinter steckt der Plan, im Niedrigpreissektor in Frankfurt so schnell wie möglich den Ton anzugeben. Noch bevor Eurowings, der Billigableger der Lufthansa, 2018 in Frankfurt Fuß fassen wird.

Auch der Brexit wirft seinen Schatten voraus. Wer kann schon sagen, wie die Verkehrsrechte zwischen Großbritannien und der EU geregelt werden? Deutschland ist ein attraktiver Markt und damit eine gute Alternative. Auch der britische Billigflieger Easyjet baut sein Geschäft aus. Wie Ryanair, so zielt auch Easyjet auf den Kundenkreis von Eurowings, der Billigtochter der Lufthansa.

Preisdruck von allen Seiten

Die Kranich-Linie hat auch bei der Kernmarke mit wachsender Konkurrenz zu kämpfen. Auf der Langstrecke machen arabische Fluglinien Druck, in Europa machen sich Billigflieger auch auf der Mittelstrecke breit. Während die Einnahmen sinken, bleiben die Kosten jedoch konstant oder steigen. "Als Serviceindustrie am Standort Deutschland sind wir besonders benachteiligt", klagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr auf dem Luftfahrtkongress, einem Industrie-Treffen in Berlin. Der gerade erzielte Abschluss mit der Pilotengewerkschaft Cockpit, der die Lufthansa jährlich 150 Millionen Euro einsparen lässt, ändert daran nur wenig.

Billigflieger wie Ryanair entwickeln eine enorme Fantasie, wenn es um die Reduzierung der Kosten geht. Da werden aus abhängig beschäftigten Piloten Scheinselbständige gemacht, Briefkastenfirmen eröffnet und mit der Steuer getrickst. Wenn die Iren dennoch vom Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport einen Neukunden-Rabatt in Höhe von schätzungsweise 30 Millionen Euro eingeräumt bekommen, kann Lufthansa-Vorstand Spohr nur nach Luft schnappen. Das sei Wettbewerbsverzerrung und durchaus ein Grund, vor Gericht zu ziehen.

Was kann die Politik tun?

Im Kampf gegen sinkende Marktanteile deutscher Fluggesellschaften in Deutschland sieht die Luftverkehrsbranche aber auch die Politik gefordert. Für die fehlende Wachstumsdynamik seien vor allem "einseitige steuerliche Sonderlasten" verantwortlich, die "überproportional die heimischen Unternehmen" träfen, heißt es in einem Positionspapier, das der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft und der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie herausgegeben haben.

Deutschland Luftfahrtkongress 2017 in Berlin
Diskussionsrunde auf dem Luftfahrtkongress in Berlin. In der Mitte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries, rechts von ihr Lufthansa-Chef Carsten Spohr, links Airbus-Chef Thomas EndersBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Gemeint ist damit vor allem die Luftverkehrssteuer, die seit dem 1. Januar 2011 für nationale Fluglinien bei jedem Abflug von einem deutschen Flughafen erhoben wird. Rund eine Milliarde Euro bringt die Steuer pro Jahr ein. Die Airlines stören sich aber auch daran, dass die Kosten für die Sicherheitskontrollen an den Flughäfen komplett auf die Nutzer umgelegt werden. In anderen Ländern trägt sie größtenteils der Staat. Ein Dorn im Auge sind den Luftverkehrsunternehmen zudem die Beschränkungen für Nachtflüge in Deutschland, die nirgendwo auf der Welt rigider seien.

Erleichterungen nach der Bundestagswahl?

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt kann den Zorn der Branche nachvollziehen. Der CSU-Politiker, in dessen Heimatland Bayern der expandierende Flughafen München liegt, sorgt sich um die Zukunft des Luftverkehrsstandorts Deutschland. Fliegernationen seien Wohlstandsnationen und dieses ökonomische Grundprinzip dürfe die Politik nicht vergessen, so Dobrindt auf dem Luftfahrtkongress. "Ob wir Innovationsland oder Stagnationsland werden, das entscheidet sich maßgeblich darin, ob Sie weiterhin erfolgreich sein können", sagte er an die versammelten Branchenvertreter gewandt. Die Chancen im Luftverkehr müssten die Belastungen überwiegen.

Ein generelles Nachtflugverbot lehnt Dobrindt ab. Auch beim Thema Luftverkehrssteuer könne er sich vorstellen, die Abgabe "nach und nach" abzubauen. "Deswegen glaube ich, würde es allen gut anstehen, wenn man dazu ein klares Bekenntnis abgäbe, dass wir einen Einstieg in den Ausstieg wollen." Eigentlich wollte Dobrindt in dieser Legislaturperiode ein Luftverkehrskonzept zur Zukunft des Luftfahrtstandorts Deutschland vorlegen. Fünf Monate vor der Bundestagswahl sind indes nur Eckpunkte bekannt. Auf dem Kongress sagte der Minister zwar, das Konzept werde "demnächst" vorgelegt, ein Datum blieb er aber schuldig. 

Rabatte für leise Flieger

Die Luftverkehrssteuer würde auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, in dessen Bundesland der größte deutsche Flughafen Frankfurt liegt, gerne abschaffen. "Ich war schon immer dafür, sie zu streichen." Die Luftfahrtabgabe sei eine Sonderbelastung für die Unternehmen, die den Standort Deutschland einseitig belaste. Bouffier verlangt als Gegenleistung allerdings eine weitere Lärmreduzierung. "Ein Unternehmen, das nachweist, dass es seine Flotte leiser macht, muss einen Bonus kriegen." Das helfe allen: den Airlines, der Politik und den Bürgern, die alle sagen würden, es sei ihnen zu laut und zu viel.

Symbolbild Protest gegen Fluglärm in Frankfurt
Bild: picture-alliance/dpa

Eine Forderung, mit der Bouffier bei Lufthansa-Chef Carsten Spohr offene Türen einrennt. "Der Landesvater meines größten Flughafens hat versprochen, es gibt in Zukunft Rabatte für Lärmreduzierung und nicht Rabatte für Sozialdumping", sagte er in Berlin unter Anspielung auf den Frankfurter Ryanair-Rabatt und erntete dafür den Beifall der Kongressteilnehmer. Die Lufthansa habe sich 2016 fast jede Woche ein neues Flugzeug geleistet, insgesamt seien es 46 neue Maschinen gewesen. Solche Innovationen könne sich allerdings nur ein gesundes Unternehmen leisten.

Deutsche immer lärmempfindlicher

Die meisten Maschinen kauft Lufthansa vom Flugzeugbauer Airbus. Dessen Vorstandschef Thomas Enders versprach auf dem Luftfahrtkongress, weiter an der Lärmreduzierung zu arbeiten. "Da tun wir schon eine ganze Menge und die "Lärm-Schleppen" der heutigen Flieger sind nicht zu vergleichen mit Maschinen, die vor 20 Jahren entwickelt wurden". Allerdings habe er den Eindruck, so Endres, dass der technische Fortschritt in der Bevölkerung wenig ausrichte. "Je leiser unsere Flugzeuge sind, desto schneller wächst die Lärmempfindlichkeit der Deutschen."