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Washington misstraut Pakistan

3. Mai 2011

Pakistan gerät in Erklärungsnot. Wie konnte Al-Kaida-Chef Osama bin Laden jahrelang unbehelligt in der pakistanischen Stadt Abbottabad leben, ohne entdeckt zu werden? Die USA fordern Aufklärung.

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Villa mit hohen Mauern (Foto: AP)
In dieser Villa hielt sich Osama bin Laden jahrelang verstecktBild: dapd

Nach der Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden in Pakistan schließen die USA eine Unterstützung des meistgesuchten Terroristen der Welt durch örtliche Behörden nicht aus. Es sei "unvorstellbar", dass Bin Laden sich ohne Hilfe längere Zeit in Pakistan habe verstecken können, sagte der Anti-Terror-Berater von US-Präsident Barack Obama, John Brennan. Am Dienstag (03.05.2011) bestätigte er dem Sender CBS, Bin Laden habe sich die vergangenen fünf bis sechs Jahre auf dem Anwesen aufgehalten. Dort sei er sehr aktiv gewesen und habe auch Video-Botschaften aufgenommen. Allerdings habe er praktisch keine Kontakte außerhalb des Geländes gehabt.

Auch Mitglieder des US-Kongresses zeigten sich wütend und fassungslos, dass Bin Laden offenbar über viele Jahre angeblich ohne Wissen der Behörden so zentral leben konnte. Sie stellten die US-Finanzhilfe für Pakistan infrage, die seit den Angriffen vom 11. September 2001 etwa 20 Milliarden Dollar beträgt. "Unsere Regierung ist in finanziellen Nöten", erklärte die einflussreiche Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, Dianne Feinstein. Viele Abgeordnete hätten ein Problem damit, ein Land zu unterstützen, das sich nicht mit ganzer Kraft einbringe.

US-Präsident Barack Obama, sein Vize Joseph Biden, Außenministerin Clinton, Verteidigungsminister Gates im 'Situation Room' des weißen Hauses (Foto: AP)
Im "Situation Room" des Weißen Hauses ließen sich die zentralen Figuren der US-Regierung über die Aktion gegen Osama Bin Laden unterrichtenBild: AP

Bin Laden hatte sich jahrelang in Villa versteckt

Eine US-Spezialeinheit hatte Bin Laden in der Nacht zum Montag im pakistanischen Abbottabad aufgespürt und getötet. Bin Laden lebte dort offenbar jahrelang unerkannt in einer schwer gesicherten Villa unweit einer Militärakademie. Washington führe Gespräche mit der pakistanischen Regierung darüber, warum der Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 so lange unbehelligt in einem befestigten Anwesen kaum zwei Autostunden von der Hauptstadt Islamabad entfernt habe leben können, sagte Brennan. Die USA wollten untersuchen, ob Bin Laden über "irgendeine Form eines Unterstützungssystems in Pakistan" verfügt habe.

Pakistan weist Anschuldigung zurück

Pakistans Botschafter in den USA, Husain Haqqani, sicherte eine "vollständige Untersuchung" zu der Frage zu, warum dem Geheimdienst der Aufenthalt von Bin Laden in seinem Land entgangen sei. "Offensichtlich hatte Bin Laden ein Unterstützungssystem", sagte er im Sender CNN. "Die Frage ist, war es Unterstützung innerhalb der Regierung und dem Staat Pakistan oder innerhalb der pakistanischen Gesellschaft?"

Porträt von Pakistans Präsident Zardari (Foto: AP)
Pakistans Präsident Zardari weist eine Nähe zu Al Kaida zurückBild: picture-alliance/ dpa

Pakistans Präsident Asif Ali Zardari wies Anschuldigungen zurück, sein Land habe nicht genug getan, um Bin Laden zu ergreifen. Auch wenn der US-Einsatz gegen den Al-Kaida-Chef "keine gemeinsame Aktion" gewesen sei, habe ein Jahrzehnt Zusammenarbeit zwischen Pakistan und den USA "zu der Ausschaltung von Osama Bin Laden als dauerhafte Bedrohung für die zivilisierte Welt geführt", schrieb er in einem Gastbeitrag in der "Washington Post". Unter der Überschrift "Pakistan hat seinen Teil getan" fügte er hinzu, Pakistan sei zufrieden, dass die Identifizierung eines Al-Kaida-Kuriers durch pakistanische Dienste letztlich zu Bin Laden geführt habe.

Zardari ging nicht direkt auf Vorwürfe ein, die pakistanischen Sicherheitskräfte hätten den Aufenthaltsort von Bin Laden kennen müssen. Mutmaßungen in den US-Medien, Pakistan gewähre Terroristen Schutz, nannte er "gegenstandslose Spekulationen". Zardaris Kommentar war die erste öffentliche Stellungnahme eines ranghohen Pakistaners zur Tötung von Bin Laden.

US-Regierung prüft Veröffentlichung von Fotos

Doch in Washington herrschte offenbar schon vor dem Spezialeinsatz Misstrauen gegenüber Pakistan. Die USA hatten die pakistanische Regierung erst dann über die Kommandoaktion in der Stadt Abbottabad informiert, als die Hubschrauber mit den US-Elitesoldaten den Luftraum des Landes wieder verlassen hatten. Dabei habe Washington ein Feuergefecht mit dem pakistanischen Militär in Kauf genommen, sagte Brennan.

Photo von Bin Laden in einer Internet-Botschaft (Foto: AP)
Bin Laden hatte in der Vergangenheit etliche Drohvideos produziertBild: AP

Die US-Regierung schloss nicht aus, Fotos des getöteten Al-Kaida-Chefs zu veröffentlichen. Die Vereinigten Staaten würden alles tun, um Zweifel am Tod des Drahtziehers der Anschläge vom 11. September 2001 auszuräumen, sagte Brennan. Die Veröffentlichung von Fotos werde geprüft. Mehrere US-Abgeordnete hatten zuvor die Befürchtung geäußert, dass es Versuche geben werde, den Tod von Bin Laden zu leugnen, wenn die USA nicht ausreichende Beweise vorlegten. Seine Leiche wurde nach US-Angaben im Meer bestattet. Demnach wurde dieser an Bord des Flugzeugträgers "USS Carl Vinson" gebracht und später im Norden des Arabischen Meeres bestattet. Zuvor sei die Leiche in einen "beschwerten Sack" getan worden, ein Offizier habe einige religiöse Ausführungen gemacht, bevor der Körper auf ein flaches Brett gelegt und dieses dann in Richtung des Wassers gekippt worden sei, berichteten Vertreter des US-Verteidigungsministeriums am Montag.

USA schließen Botschaft und Konsulate in Pakistan

Nach der Tötung von Bin Laden haben die USA ihre Botschaft und drei Konsulate in Pakistan geschlossen. Die Botschaft in der Hauptstadt Islamabad sowie die Konsulate in Peshawar, Lahore und Karachi seien bis auf weiteres für den generellen Geschäftsbetrieb geschlossen worden, blieben aber für "andere Angelegenheiten" und für US-Bürger betreffende Notfälle geöffnet, teilte die US-Botschaft mit.

Durch den Tod Bin Ladens waren Befürchtungen von Vergeltungsmaßnahmen aufgekommen. Das US-Außenministerium gab eine weltweite Reisewarnung an alle US-Bürger aus, da es zu anti-amerikanischer Gewalt kommen könnte. Die Warnung soll zunächst bis zum 1. August gelten.

Autorin: Annamaria Sigrist (afp, dpa, dpad)
Redaktion: Martin Schrader/ Ursula Kissel