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Wasser für eine Stadt, die austrocknet

Naomi Conrad, Lima, Peru 25. Dezember 2012

Lima liegt mitten in der Wüste. Rund eine Million Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser. Die peruanische Regierung will helfen – und kämpft gegen Klimawandel und Stadtflucht.

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Huayacan (Foto: Naomi Conrad/DW)
Bild: DW/Naomi Conrad

Maria erinnert sich noch gut an die Zeit, als die Mafia das Wasser nach Huayacan brachte. Noch vor zwei Jahren hat sie ihre Eimer bei einem der Tanklaster gefüllt, die alle paar Tage in den Vorort von Lima rumpelten. Wasser war teuer: 10 Soles, fast drei Euro, pro Kubikmeter, erzählt Maria, eine schüchterne Frau Anfang zwanzig.

Wasser ist rar in Lima, einer der trockensten Hauptstädte der Welt. Fast 40 Prozent der Limeños haben weder Zugang zu sauberem Trinkwasser noch zu einem funktionierenden Abwassersystem. Fast eine Million sind auf die Wassermafia oder auf selbstgebaute Brunnen angewiesen. "Die Brunnen ziehen Ratten und Fliegen an. Das sind regelrechte Brutstätten für Krankheiten", sagt Educardo Cascón, Leiter der staatlichen Wasserbehörde SEDAPAL. Letztlich sei es teurer, diese Menschen zu behandeln, als ihnen richtige Abwassersysteme zu bauen, betont Cascón.

Wasser für alle?

Noch heute ist Huayacan eine wild-wuchernde Ansammlung grau-brauner Stein- und Lehmhütten, die sich an die kargen Berge krallen. Doch es hat sich etwas geändert. Inzwischen hat jede Hütte einen eigenen Wasseranschluss, verlegt von SEDAPAL, mit finanzieller Unterstützung der deutschen Entwicklungsbank KfW. Der Kubikmeter Wasser kostet rund 3 Soles, sagt Cascón. Selbst Marias kleine Hütte hat einen Wasserhahn, aus dem das Wasser in einen blauen Bottich sprudelt, in dem ihre schmutzigen Teller einweichen.

Maria mit Kind (Foto: Naomi Conrad/DW)
Anwohner versuchen, Wasser zu sparenBild: DW/Naomi Conrad

Vor fünf Jahren hat die peruanische Regierung das Programm "Agua para todos" beschlossen. Wasser für alle: in nur drei Jahren will Cascón alle Limeños mit sauberem Trinkwasser versorgen. Keine einfache Aufgabe: "Lima liegt in der Wüste. Wir befinden uns in einer Zone mit extremem Wassermangel", sagt Cascón, der die Wasserbehörde vor einem Jahr übernommen hat und deutet auf die trockene Berglandschaft, die im wabernden Dunst bläulich-grau schimmert.

Der beste Vergleich, sagt Cascón, sei die ägyptische Hauptstadt Kairo. "Sie hat 15 Millionen Einwohner und liegt in der Wüste – aber Kairo hat den Nil, durch den jede Sekunde 2840 Kubikmeter Wasser fließen." Lima hat etwa 9 Millionen Einwohner, "aber in den trockensten Zeiten fließen nur 10 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch unseren Fluss." Außerdem habe Lima kaum Wasserquellen.

"Wasser ist zu günstig"

Cascón lächelt müde. Fast täglich streitet er mit Ministerien um Gelder und kämpft gegen die Korruption in der eigenen Behörde. Manchmal, wenn er wieder erst spät abends nach Hause kommt, wünscht er sich zurück an die Ingenieursfakultät einer Privatuniversität, die er früher - vor der Wasserbehörde - geleitet hat. Vor allem dann, wenn er sieht, wie viel von dem kostbaren Wasser einfach versickert. "Es gibt so viel Ineffizienz bei der Wassernutzung", sagt er. Der durchschnittliche Wasserverbrauch in Lima liege bei 240 Litern pro Tag, doppelt so viel wie in Deutschland. "Wir wohnen in der Wüste und verbrauchen mehr als die Deutschen", sagt er und schüttelt den Kopf. Das liege vor allem daran, dass die Industrie viel zu große Mengen konsumiere.

Kinder in Huayacan (Foto: Naomi Conrad/DW)
Hoffen auf Wasser und Entwicklung: Kinder in HuayacanBild: DW/Naomi Conrad

"Wasser ist einfach zu günstig, das ist nicht richtig." Es fehle der Anreiz, um Wasser zu sparen. SEDAPAL zahlt 20, manchmal sogar 30 Soles für jeden Kubikmeter Wasser, der in entlegene Gebiete transportiert werde. Doch die Konsumenten würden nur etwa drei Soles zahlen. Cascón würde den Preis gerne erhöhen. Aber das, sagt er, sei unmöglich. Wasser sei einfach zu politisch: Höhere Wasserpreise, sagt er trocken, würden die Menschen auf die Straße treiben.

Der Druck des Klimawandels

Aber der Druck auf Cascón und SEDAPAL wächst. Der Klimawandel trockne die Stadt immer weiter aus: "Unsere Wasservorkommen schwinden, es regnet nicht mehr genug, die Lagunen trocknen aus." Die Gefahr für Lima sei riesig, "aber die meisten Menschen sind sich dessen einfach nicht bewusst!"

Marias Wasser sprudelt weiter in ihren Bottich, rinnt über den Rand und wird gierig vom trockenen Staubweg aufgesogen. "Manchmal vergesse ich, meine Rechnung zu bezahlen", gibt sie zu. Sie zuckt ihre Schultern und wiegt ihren drei Monate alten Sohn, der trotz der drückenden Mittagshitze in eine staubig-braune Wolldecke eingewickelt ist. Nach drei Tagen dreht ihr SEDAPAL dann das Wasser ab. Eine Nachbarin, hinter dessen Beinen der verschnupfte Enkelsohn hervorlugt, nickt. "Dann musst du zu deinen Nachbarinnen gehen und um Wasser betteln. Wir teilen uns das bisschen, das wir haben."

Den Wasseranschluss wieder zu öffnen sei teuer, sagt Maria, fast 100 Soles (30 Euro). Kann sie sich das überhaupt leisten? Maria zuckt wieder die Schultern. In ihrem Einzimmer-Laden stapeln sich ausgeblichene Seifen- und Kekspackungen in einer verstaubten Vitrine. "Wir müssen vorsichtig sein", erklärt die Nachbarin, die früher als Hausmädchen in Limas Villenvierteln gearbeitet hat. Vorsichtig: das heißt, den Fernseher ausstellen, wenn ihr Mann und Sohn bei der Arbeit sind und auch nicht zu oft das Licht anmachen. Aber, sagen beide, sie kommen über die Runden.

Kaktus (Foto: Naomi Conrad/DW)
Der Klimawandel trocknet Perus Lagunen ausBild: DW/Naomi Conrad

Immer mehr Menschen ziehen in die Stadt

Und das Wasser hat auch eine gewisse Entwicklung nach Huayacan gebracht. Als SEDAPAL die Wasserleitungen verlegt hat, hätten die Bauarbeiter auch die vielen Schlaglöcher, die sich früher in den Weg gefressen haben, zugeschüttet und die Straße ausgebessert, erklärt Carmela Gabonal, eine Sozialarbeiterin aus Lima.

Entlang der Straße in Richtung des Stadtzentrums stapeln sich kleine Holzhütten zum Verkauf. Was nach Gartenhäuschen aussieht, sind vorgefertigte Hütten für illegale "invasiones". Über Nacht würden neue Siedlungen entstehen, erklärt ein deutscher Entwicklungshelfer: Familien zäumen kleine Parzellen Land ab und verlangen bald Strom und Wasser für ihre Holzhütten – Wasser, von dem es, trotz der Bemühungen von Cascón, immer weniger gibt.

Die Reise der Autorin nach Peru wurde von den KfW finanziert.