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Weblog: Der Weltinformationsgipfel

Gabriel González, zurzeit Genf 12. Dezember 2003

Tausende Delegierte konferieren in Genf über die Rolle der Dritten Welt in der Informationsgesellschaft von Morgen. Und was geschieht zwischen den Konferenzen?

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Bild: AP

Big Brother in Genf


Es musste ja so kommen. Da werden auf dem UNO-Gipfel zur Informationsgesellschaft am laufenden Band Reden gehalten: zur Bedeutung von diesem und jenem und natürlich auch über den Datenschutz, die Sicherheit im Internet und die diversen Kontrollmöglichkeiten. Prompt erfahren die Gipfelteilnehmer, dass die netten Akkreditierungs-Karten aus Plastik die sie um den Hals tragen gar nicht so harmlos sind wie sie aussehen.

Es handelt sich um sogenannte Smartcards, mit denen es möglich ist mittels Funksignalen die Bewegungen aller Teilnehmer dieser Gipfelkonferenz zu verfolgen und aufzuzeichnen. Ob in den Sitzungssälen oder den Aufzügen, überall sollen die kleinen Funkmelder an der Decke hängen und die Informationen an einen zentralen Massenspeicher übertragen.

Informative "Überwachungskarten"

Diese netten Karten sind schon auf dem Weltwirtschaftsforum in Cancún zum Einsatz gekommen und haben sich dort wohl als tauglich für die Überwachung der "Informationsgesellschaft" erwiesen. Ironie des Schicksals: Auf dem Informationsgipfel werden weniger Informationen verbreitet – sie werden vielmehr gesammelt. Ein schlechtes Omen?

Während ich noch über das Ganze nachdenke, überkommt mich das Bedürfnis eine der Toiletten des Gipfelgeländes aufzusuchen. Zu meinem Erstaunen finde ich dort einen Genfer Polizisten als einzigen "Gast" dieser Einrichtung vor. Er sieht nett aus, etwas kleingewachsen, und einem gemütlichen französischen Polizisten, der gerne mal einen Pernod trinkt, nicht unähnlich.

Begegnung der dritten Art

Das ist die Chance, denke ich mir und spreche ihn direkt an. Auf mein "Can i ask you a question?" schüttelt er leider verschämt den Kopf. Mit all meinen verstaubten Französischkenntnissen zeige ich zuerst auf seine und dann auf meine Karte und sage "C’est une card very especiale, nes pas?" "Oh, oui!", ruft er, zeigte mit dem Finger hoch zur Decke und lächelt stolz. "Aha", denke ich mir, die wissen jetzt also genau, wo wir beide gerade stecken.

Ich verlasse den Ort der Erleichterung und Überwachung um wieder in den großen Überwachungssaal zu treten. Die Sache ist geklärt, weitere Nachforschungen wohl überflüssig. Wie weit reichen diese Smartcards denn wirklich? Wissen die auch, wann ich im Hotel oder auf dem Gipfelgelände bin? Könnte man damit ganz Genf überwachen? Werden die Daten vielleicht meinem Arbeitgeber übermittelt? Erfährt er nun von meinem Ausflug in die Genfer Altstadt? Nicht auszudenken!