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Wechselvolle Geschichte des Sicherheitsrates

12. Oktober 2010

Noch vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der UN-Sicherheitsrat aus der Taufe gehoben. Im Laufe der Jahrzehnte wandelte er sich vom militärischen Einsatzkommando zum Krisenpräventionsforum.

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Im Hauptsitz der UN in New York tagt auch der Sicherheitsrat (Foto: AP)
Im Hauptsitz der UN in New York tagt auch der SicherheitsratBild: AP

Die ursprüngliche Aufgabe des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) war eine militärische: Er sollte schnell bewaffnete Einsätze befehlen können. Nicht noch einmal wollten die großen Mächte von einem Krieg überrascht werden, erklärt David Bosco. Der Jurist und Politikwissenschaftler an der American University ist Autor eines Buches über den Sicherheitsrat. "Der Sicherheitsrat hat seine Aufgabe als militärische Kommandozentrale sehr ernst genommen", sagt er. Alle Mitgliedsländer stellten Truppen, die zentral befehligt wurden.

Mitglieder des Sicherheitsragtes bei einer Abstimmung (Foto: AP)
Mitglieder des Sicherheitsragtes bei einer AbstimmungBild: AP

Doch die Rolle des Rates wandelte sich schneller als erwartet. Die Sowjetunion und der Westen zerstritten sich, das erste Veto kam weniger als einen Monat, nachdem der Sicherheitsrat seine Arbeit aufgenommen hatte. In den ersten 20 Jahren war es vor allem die Sowjetunion, die von ihrem Einspruchsrecht Gebrauch machte. In den ersten Jahrzehnten habe der Sicherheitsrat wenig tun können. "Die Ausnahme war der Korea-Krieg, als die Sowjetunion den Sicherheitsrat boykottierte," erklärt Bosco. In Abwesenheit der Sowjets konnten die USA, Briten und Franzosen Resolutionen verabschieden. Sie verurteilten die Invasion Südkoreas und schickten Soldaten.

Positive Wende in den 1980er Jahren

Es gab nur wenige Gelegenheiten, bei denen US-Amerikaner und Sowjets die gleichen Interessen hatten, wie bei den Kriegen im Nahen Osten Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre. Aber solche Fälle blieben die Ausnahme. Der Sicherheitsrat wurde vor allem zu einer Bühne, auf der man öffentlichkeitswirksam aneinandergeraten konnte wie während der Kuba-Krise. Erst in den 1980er Jahren, als sich mit Michael Gorbatschow als Staatschef die politische Situation in der Sowjetunion veränderte, wehte ein neuer Wind durch den Sicherheitsrat.

Dass der Sicherheitsrat effektiver arbeiten konnte, zeigte sich im Konflikt zwischen dem Iran und Irak. Autor Bosco erklärt: "Ab einem gewissen Moment begannen die fünf permanenten Mitglieder, Beratungen hinter verschlossenen Türen abzuhalten, um einen Weg zu finden, den Konflikt zu lösen." Von da an, so Bosco, gab es mehr Resolutionen, mehr Friedensmissionen, mehr Waffenembargos und Sanktionen. Nach der irakischen Invasion Kuwaits autorisierte der Rat den darauf folgenden ersten Golfkrieg.

Seine produktivsten Jahre hatte der Sicherheitsrates 1993/94. Man verabschiedete Dutzende Resolutionen zum Balkankonflikt, zu Somalia und Ruanda. "Seitdem haben die Aktivitäten nachgelassen, aber", so David Bosco, "sie liegen immer noch weit über denen während des Kalten Krieges."

Die Irak-Krise

Colin Powell am 5. Februar 2003 vor dem SIcherheitsrat (Foto: AP)
Colin Powell am 5. Februar 2003 vor dem SicherheitsratBild: AP

Mit dem zweiten Golfkrieg kam es dann zu einer Krise. In seiner inzwischen berühmten Rede vor dem Sicherheitsrat im Februar 2003 versuchte der damalige US-Außenminister Colin Powell, die Mitgliedsländer ein weiteres Mal dazu zu bewegen, einen Krieg gegen den Irak zu autorisieren. Als das nicht funktionierte, marschierten die USA gemeinsam mit einer so genannten Koalition der Willigen im Irak ein. Ein schwerer Schlag für die Autorität der UN. Aber das Fiasko des Irakkrieges belehrte alle die eines besseren, die bewaffnete Konflikte im Alleingang angehen wollen.

Trotzdem steht der Sicherheitsrat weiter in der Kritik. Im Nahost-Friedensprozess sind die UN mittlerweile ganz unbeteiligt, Friedensmissionen wie die in Bosnien gelten als Fehlschlag. Auch im Atomstreit mit dem Iran ist man nicht wirklich weiter. Dabei solle man allerdings, merkt David Bosco an, die präventive Wirkung der Sicherheitsrats-Resolutionen auf jene Länder nicht vergessen, die auch überlegen, Atomwaffen zu bauen: "Sie schauen sich genau an, was mit dem Iran passiert, wie er isoliert wird und die Wirtschaft leidet. Und sie denken vielleicht: Das wollen wir uns nicht antun."

Der Sicherheitsrat sei sicher nicht perfekt und reformbedürftig, sagt Bosco. Weil seine Zusammensetzung nicht mehr den Kräfteverhältnissen des 21. Jahrhunderts entspreche. Ganz wirkungslos sei er aber auch nicht. Nur sei es schwer zu belegen, wenn eine Krise verhindert würde. Vor allem sorge der Sicherheitsrat aber dafür, dass die großen Mächte regelmäßig miteinander redeten.

Autor: Christina Bergmann
Redaktion: Klaudia Prevezanos