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"Weder politisch noch wirtschaftlich ein Durchbruch"

17. Januar 2002

- Erste Reaktionen auf Besuch des russischen Präsidenten in Polen

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Warschau, 17.1.2002, PAP, poln.

Der Besuch von Wladimir Putin ist ein Zeichen dafür, dass in den polnisch-russischen Beziehungen wieder die Normalität Einzug hält. Er sollte weder als Wende bezeichnet werden, noch sollten von ihm direkte politische Vorteile erwartet werden.

Der Besuch erfolgt acht Jahre nach dem Besuch des russischen Präsidenten Boris Jelzin. In dieser Zeit hat sich sowohl in Russland als auch in Polen die Lage verändert. Russland macht sich jetzt die günstige Konjunktur zunutze, erntet die Früchte der binnenwirtschaftlichen Reformen und reformiert erfolgreich das Wirtschaftsleben. Außerdem kommt Russland nach den Ereignissen des 11. September einem auf den Westen orientierten demokratischen Rechtsstaat näher.

Angesichts dieser Aussichten kann, wie ich meine, in unseren wirtschaftlichen Beziehungen erwartet werden, dass sich das derzeit vorhandene beachtliche Defizit im russisch-polnischen Handel verringert.

Die russische Finanzkrise von 1998 hat dazu geführt, dass sich polnische Firmen vom russischen Markt zurückgezogen haben. In den darauffolgenden Jahren hielt das Klima des hohen Risikos in den wirtschaftlichen Beziehungen an. Nun ist dieses Risiko geringer geworden. Es wäre gut, wenn ein staatlicher Garantiefonds für Handelskredite, der schon seit nahezu zwei Jahren im Gespräch ist, geschaffen würde. (...)

In den Wirtschaftsbeziehungen muss es auch klare Entscheidungen über die Gasleitungen durch Polen geben, insbesondere müssen die polnischen Verpflichtungen hinsichtlich der Gasmenge und die Frage der Jamal-Gasleitung (Verzicht auf den zweiten Strang) geklärt werden.

Wichtig ist auch, dass die banale geografische Tatsache, dass Polen westlich von Russland liegt, in der Politik zum Ausdruck kommt. Es sollte nicht so sein, dass Russlands Dialog mit dem Westen über den Kopf Polens hinweg erfolgt. Polen ist Mitglied des Nordatlantischen Bündnisses. Es wäre also gut, wenn Russland die Aufrechterhaltung des Dialogs mit uns als sein eigenes Interesse betrachten würde. Polen wird in zwei Jahren der EU angehören. Daran sollte auch Russland ein Interesse haben.

Ich denke, die Liste der Fragen, über die gesprochen werden muss, ist wohl bekannt. Keine dieser Fragen darf vergessen werden, auch nicht die Entschädigung für die Menschen, die nach Sibirien deportiert wurden.

Wir sollten - und das gilt für beide Seiten - den Dunst geschichtlicher Vorurteile hinter uns lassen. Damit es dazu kommt, dürfen wir im Programm des derzeitigen Besuchs die Kultur nicht vergessen. Die Kultur ist es nämlich, die zur Überwindung der gegenseitigen Abneigung beitragen kann.

Der Besuch Wladimir Putins hatte schon etwas Gutes, noch bevor er tatsächlich begann: In den polnischen Medien gab es eine ganze Menge von Berichten über Russland. Es wäre gut, wenn dieses Interesse an Russland nicht nur vorübergehend wäre.

Der Besuch sollte als Gelegenheit betrachtet werden, die polnisch-russischen Beziehungen zu klären. Bei seiner Bewertung sollte nicht zu Attributen wie "historisch" oder "Wende" gegriffen werden. Statt während des Besuchs Offenbarungen zu erwarten, muss aufmerksam und mit Hoffnung auf die Entscheidungen geblickt werden, die danach fallen werden. (TS)

PAP, poln., 16.1.2001

Grzegorz Kostrzewa-Zorbas vom Institut für Politische Studien an der Polnischen Akademie der Wissenschaften (PAN) vertritt den Standpunkt, dass der erste Tag des Besuchs des russischen Präsidenten in Polen weder politisch noch wirtschaftlich einen Durchbruch gebracht hat. (...)

"Der erste Besuchstag hat weder politisch noch wirtschaftlich etwas Konkretes gebracht", sagte Kostrzewa-Zorbas am Mittwoch (16.1.) der Nachrichtenagentur PAP. Seiner Ansicht nach ist die Ankündigung einer neuen Ära in den polnisch-russischen Beziehungen verfrüht. "Die Losung neue Ära in den gemeinsamen Beziehungen, die Präsident Aleksander Kwasniewski benutzt hat, gebrauchte er schon zuvor mehrfach, bislang gab es darauf aber noch nie eine Resonanz", so Kostrzewa-Zorbas.

Das einzige sichtbare, positive Ergebnis des ersten Besuchstages sei "eine gewisse Einsicht in den Köpfen der Russen und die Blumenniederlegung am Denkmal des Untergrundstaates und der Heimatarmee". Die UdSSR habe beispielsweise den polnischen Untergrundstaat und die Heimatarmee als Feinde betrachtet, und der NKWD habe sie bekämpft. "Es war eine wichtige Geste, obwohl sie nicht ganz so groß ausfiel, wie man in Polen erwartet hatte."

Aber vielleicht sollte gerade das als ein gutes Zeichen für die Zukunft gewertet werden, denn "es scheint, Putin lernt über Polen und die polnisch-russischen Beziehungen". (...)

Ähnlich habe sich Putin in den Beziehungen mit dem Westen verhalten, insbesondere mit den USA nach dem 11. September, als er den Kurs der russischen Politik gegenüber diesen Staaten über die Köpfe der Minister und Generäle wesentlich änderte, fährt Kostrzewa-Zorbas fort. "Vielleicht wird er nach einer gewissen Zeit die gleichen Schlussfolgerungen in Bezug auf Polen ziehen." (TS)