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Weg frei für Hartz-IV-Reform

25. Februar 2011

Bundesrat und Bundestag haben die Reform von Hartz IV gebilligt. Der Regelsatz wird bis 2012 um insgesamt acht Euro erhöht. Linke und Grüne bezweifeln, ob die Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird.

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Fünf Euro (Foto: de.fotolia.com)
Rückwirkend zum Jahresbeginn erhalten ALG-II-Empfänger fünf Euro mehrBild: Fotolia/VRD

Nach monatelangem Tauziehen haben Bundestag und Bundesrat am Freitag (25.02.2011) der Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes zugestimmt. Nach diesem Kompromisspaket sollen die Regelsätze für Erwachsene in zwei Schritten um insgesamt acht Euro angehoben werden. Etwa 4,7 Millionen erwachsene Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II) erhalten daher zunächst rückwirkend zum 1. Januar fünf Euro mehr pro Monat – damit 364 Euro. Eine erstmalige Auszahlung ist nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit Ende März möglich. Zum Jahresbeginn 2012 wird der Regelsatz dann um weitere drei Euro erhöht.

Außerdem bekommen etwa 2,5 Millionen Kinder aus Familien mit geringem Einkommen Zuschüsse aus dem 1,6-Milliarden-Euro-Bildungspaket, das finanzielle Hilfen für Schulmaterial, Nachhilfe, Sport- und Freizeitaktivitäten vorsieht.

Im Bundestag stimmten 432 Abgeordnete für die Reform, darunter fast alle Abgeordneten von Union, FDP sowie der SPD, die den Kompromiss gemeinsam ausgehandelt hatten. 132 Abgeordnete stimmten dagegen, zwei enthielten sich. Im Bundesrat verweigerten die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Saarland und Nordrhein-Westfalen der Reform die Zustimmung. Bundespräsident Christian Wulff muss das Gesetz noch unterzeichnen.

"Viele Steine im Weg"

Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) lobte den Kompromiss: "Wir haben viele Steine im Weg gehabt. Jeder Stein ist jetzt an seinem Platz, und ich bin der festen Überzeugung, wir haben mit dem Bildungspaket etwas richtig Gutes gebaut." Hauptgewinner der Reform seien Kinder und Kommunen.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen im Bundestag (Foto: dapd)
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen: "Etwas richtig Gutes gebaut"Bild: dapd

Zufrieden zeigte sich auch die SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig. Sie habe zahlreiche Verbesserungen durchsetzen können, fordert allerdings weitere Schritte, insbesondere die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns sowie die Umsetzung des Grundsatzes "gleicher Lohn für gleiche Arbeit".

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) appellierte an die Bundesregierung, die Interessen der Länder künftig stärker zu berücksichtigen. Er könne der Regierung nur raten, bei künftigen Vermittlungsverfahren "einfach zu respektieren", dass die Länder laut Grundgesetz ein Mitwirkungsrecht an der Gesetzgebung hätten.

Kritik hält an: Verfassungsgemäß?

Unsicherheit herrscht jedoch weiterhin hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Reform. So sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), er sei "nicht ohne Sorge, was eine mögliche Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht betrifft."

Entsprechende Kritik kam von den Grünen und der Linkspartei. Ihrer Ansicht nach erfüllt die Neuregelung nicht die Vorgaben des Verfassungsgerichts. Der Verhandlungsführer der Grünen, Fritz Kuhn, betonte: "Das wird in Karlsruhe entschieden." Er sprach sich dafür aus, die Hartz-Gesetzgebung gründlich zu überarbeiten. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sagte: "Union, FDP und SPD haben sich auf dem Rücken der Ärmsten der Gesellschaft auf ein verfassungswidriges Gesetz verständigt."

Von der Leyen wies die verfassungsrechtlichen Bedenken zurück. Das Bundesverfassungsgericht habe vergangenes Jahr nicht die Höhe der Regelsätze angeprangert, sondern die mangelnde Transparenz der Berechnungen, so die Ministerin. "Das haben wir korrigiert, und dazu können wir jetzt stehen."

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (l.) und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Bundestag (Foto: dapd)
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck (l.) und der bayerische Ministerpräsident Seehofer

Jeder zweite Bundesbürger hält die Erhöhung der Hartz-IV-Sätze für zu gering. 48 Prozent der Befragten sagten laut ZDF-Politbarometer, acht Euro mehr sei zu wenig. Elf Prozent finden, das sei zu viel, 35 Prozent halten die Erhöhung für angemessen. Für die Umfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen wurden 1306 Wahlberechtigte befragt.

Der Auslöser der Hartz-IV-Debatte

Vor einem Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Berechnung der geltenden Hartz-Regelsätze gegen das Grundgesetz verstößt. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, neu zu rechnen. Im Herbst legte die Bundesregierung eine Reform vor, die eine Anhebung des Regelsatzes für Erwachsene um fünf Euro von 359 Euro auf 364 Euro im Monat und ein Bildungspaket mit einem Umfang von 740 Millionen Euro jährlich vorsah. Diese Reform scheiterte jedoch im Bundesrat.

Autor: Dirk Eckert/Naima El Moussaoui (dapd, rtr, dpa)

Redaktion: Martin Schrader