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Wegweisende Gespräche auf Zypern

Baha Güngör5. Dezember 2001

Ankara und Athen müssen Maximalpositionen aufgeben und für ein friedliches Miteinander innerhalb der EU arbeiten. Ein Kommentar von Baha Güngör.

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Wenn das Zypern-Problem erst einmal gelöst ist, wird es keine Verlierer, sondern nur Gewinner geben. Vielleicht deshalb gaben sich die Führer der Griechen und der Türken auf der Mittelmeerinsel, Glafkos Kleridis und Rauf Denktasch, demonstrativ locker, nachdem sie sich nach vier Jahren erstmals wieder zu direkten Gesprächen getroffen hatten. Allein schon dieses Treffen stellt einen Sieg der Vernunft über politische Sturheit dar. Aber noch viel bedeutsamer ist die Entscheidung der beiden, einander ebenbürtigen Polit-Profis, sich im Januar ohne Vorbedingungen erneut zu direkten Gesprächen zu treffen und die sich abzeichnende Aussicht auf eine Lösung des Zypern-Problems zu festigen.

Denktasch und Kleridis hatten keine Alternative zur Fortführung ihres direkten Austauschs ohne Vorbedingungen. Auch die beiden von der Europäischen Union unter Druck gesetzten "Mutterländer", Türkei und Griechenland, sind sehr an einem Ende ihres Gezänks um Zypern interessiert. In Athen und in Ankara sprachen die beiden Regierungschefs, Kostas Simitis und Bülent Ecevit, fast gleichlautend von "Fortschritten" und "erfreulichen Entwicklungen." Der historische Streit zwischen ihren Ländern war zunehmend zu einer Gefahr für die Bemühungen der Europäer geworden, ihre Union in östlicher und südöstlicher Richtung auszudehnen und somit den Demokratisierungsprozessen neue Impulse zu verleihen.

Optimismus verfrüht

Aber vor zu großem Optimismus sei gewarnt: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu glauben, die Wiedervereinigung Zyperns sei nur noch eine Frage der Zeit und praktisch schon eingeleitet, würde die Realitäten auf der Insel verkennen. Die Bevölkerung Zyperns hat viele leidvolle Jahre hinter sich. Morde, Massaker, Kriege und Vertreibung sowie von den Falken auf beiden Seiten geschürte Ängste vor den Menschen anderen Glaubens werden nicht einfach vergessen sein, nur weil sich die Politiker einig sind. Vielmehr bedarf es noch vieler kleiner Schritte, um gegenseitiges Vertrauen zu bilden und zu festigen.

Ob Kleridis und Denktasch im hohen Alter von 81 beziehungsweise 77 Jahren die Wende schaffen und nicht als unfriedliche Dauerkontrahenten in die Geschichte eingehen, hängt nicht zuletzt vom Wohlwollen Athens und Ankaras ab. In beiden Hauptstädten sollten die vertrauenbildenden Maßnahmen erarbeitet werden, die Zypern dringend braucht. Dazu ist eine Politik der kleinen Schritte, der Gesten des guten Willens notwendig.

Entmilitarisierung wäre hilfreich

Solche Gesten könnten schon mit einer Entmilitarisierung der Insel durch den Abzug von Truppen beider Seiten eingeleitet werden. Schließlich kann niemand von Griechenland erwarten, die Präsenz von 35.000 türkischen Soldaten im besetzten Nordteil zu akzeptieren. Ebenso wenig kann von der Türkei erwartet werden, vor ihren Küsten einen fremden Armeestützpunkt zu dulden und eine strategische Gefährdung der Südküste Anatoliens hinzunehmen.

Eine Beilegung des Zypern-Problems würde auch die Beendigung anderer diverser türkisch-griechischer Streitpunkte wie das Hoheitsgezänk in der Ägäis nach sich ziehen. Deshalb bleibt zu hoffen, dass beide Seiten Vernunft annehmen und von ihren Maximalpositionen abrücken. Denn die entscheidende Frage lautet nicht, ob sich die griechische Seite mit ihrer Forderung nach einer von ihr dominierten Regierung und einem Minderheitenstatus für die Inseltürken durchsetzt, oder ob die türkische Seite einen Bund zweier unabhängiger Staaten erzwingt. Die entscheidende Frage lautet, wie neues Blutvergießen für immer ausgeschlossen werden kann. Ein dauerhaft garantierter Frieden zwischen Türken und Griechen ist im lebenswichtigen Interesse eines Europas, das die Türkei und Griechenland einschließt.