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Weiße Farbe für den Papst

Bernd Riegert15. April 2016

Papst Franziskus, Erzbischof Hieronimus und Patriarch Bartholomaios besuchen Flüchtlinge, die in die Türkei zurück sollen. Die griechische Insel bereitet sich auf die Kirchenfürsten vor. Bernd Riegert aus Lesbos.

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Griechenland: Flüchtling Heraehmen Rahman auf Lesbos (Foto: DW/B. Riegert)
Rahman: Der Papst soll aufmerksam auf unsere Lage machenBild: DW/B. Riegert

Heraehmen Rahman aus Dschalalabad in Afghanistan lehnt am Maschendrahtzaun des Lagers Moria auf Lesbos. Durch den Zaun spricht er mit Reportern auf der anderen Seite. Das ist eigentlich nicht erlaubt. Ab und zu kommt eine griechische Polizeistreife vorbei und scheucht die Asylbewerber und die Journalisten fort. Nach ein paar Minuten kann ich aber an den Zaun zurückkehren. Die Polizisten sind hinter einigen Olivenbäumen verschwunden. Der 21 Jahre alte Mann aus Afghanistan beklagt sich über die Zustände in dem Lager. Wenig Essen, keine Waschgelegenheit, die Toiletten stinken. "Ich rieche auch schon", sagt er und zieht an seinem braun gestreiften Pullover. "Seit dem 21. März bin ich hier. Seither konnte ich die Kleidung nicht wechseln." Zusammen mit vier anderen Afghanen übernachtet Rahman in einem kleinen Zelt. Die schneeweißen neuen Wohncontainer, die erst vor ein paar Tagen aufgestellt wurden, stehen weiter vorne im Lager. Dort werden der Papst und orthodoxe Kirchenführer am Samstag etwa 200 handverlesene Flüchtlinge und Migranten treffen, mit einigen von ihnen sogar zu Mittag essen.

Lesbos: Selbstmordgefahr unter Flüchtlingen?

Papst trifft Kandidaten für Abschiebung in die Türkei

"Wir sind sicher nicht dabei", sagt der junge Afghane grinsend. Das sei wohl eher für die syrischen Flüchtlinge gedacht, die bessere Chancen auf Asyl haben. Er hat einen Asylanstrag gestellt und die Nummer 9781 erhalten. Was das bedeutet - das weiß er nicht so recht. Etwa 2500 Menschen warten in diesem geschlossenen Lager darauf, nach Ablehnung ihrer Asylanträge in die Türkei zurückgeschoben zu werden. "Natürlich wird vorher jeder Einzelfall geprüft", erklärt der Sprecher der Europäischen Asylagentur EASO, Jean-Pierre Schembri. Ihn treffe ich vor dem Haupttor des Lagers, denn hinein dürfen Journalisten ja nicht. "Von nächster Woche an werden 140 Asylberater aus verschiedenen EU-Staaten die griechischen Beamten unterstützen. Die ersten Entscheidungen darüber, wer zurück muss in die Türkei sind bereits gefallen. Jetzt laufen die ersten Berufungsverfahren vor Asylrichtern." Das brandneue griechische Asylgesetz sieht Schnellverfahren vor, die nur 14 Tage dauern sollen, inklusive Berufungsinstanz.

Flüchtlinge und Helfer beklagen die Zustände im Lager Moria (Foto: DW/B. Riegert)
Fünf Mann im Zelt und wenig Essen: Flüchtlinge und Helfer beklagen die Zustände im Lager MoriaBild: DW/B. Riegert

Schnell noch streichen für den hohen Besuch

Der Sprecher der Europäischen Asylbehörde beschreibt die Lage in Moria als ingesamt ruhig. "Natürlich hört niemand gerne, dass sein Antrag negativ beschieden wurde, aber es ist ruhig", so Jean-Pierre Schembri. Der Papstbesuch habe auf die Abläufe keine weiteren Auswirkungen. Optisch wird das Abschiebelager ein wenig aufgehübscht. Während wir reden sprühen städtische Arbeiter weiße Farbe auf die graue Außenmauer. Auch der Stacheldraht wird geweißelt. Die Straßenreinigung wäscht die Straße, auf der die päpstliche Kolonne ins Lager fahren wird. Der afghanische Asylbewerber Heraehmen Rahman hofft, dass der Papst und die orthodoxen Kirchenführer möglichst viele Journalisten mitbringen, damit die Welt erfährt, wie es im Lager Moria aussieht. Er hofft, dass er doch noch in Europa bleiben kann.

Weiße Farbe für die Kirchenführer: Das Lager Moria wird gestrichen (Foto: DW/B. Riegert)
Weiße Farbe für die Kirchenführer: Das Lager wird gestrichenBild: DW/B. Riegert

"Lesbos ist ein Insel der Liebe"

Am Montag, zwei Tage nach dem hohen Besuch, sollen die Abschiebungen in die Türkei aus dem Hafen von Mytilene weitergehen. Der Bürgermeister von Mytilene sieht die Abschiebungen, die der EU-Türkei-Deal zu den Flüchtlingen auslöst, kritisch. Die Besucher, wie Bürgermeister Spyros Galinos, die Flüchtlinge konsequent nennt, seien auf seiner Insel immer willkommen gewesen und gut behandelt worden. 550.000 Menschen kamen im letzten Jahr aus der Türkei auf Schlauchbooten in Lesbos an. Die Hilfe aus Europa oder von der griechischen Zentralregierung sei erst spät angelaufen, aber die Menschen auf Lesbos hätten geholfen so gut es geht und am Schluss sei die Lage eigentlich ganz gut unter Kontrolle gewesen, sagt Bürgermeister Galinos in seinem Amtszimmer mit Blick auf den Hafen. "Es ist eine große Ehre für uns, dass die drei Kirchenführer uns besuchen werden. Sie werden die Botschaft verstärken, die wir schon seit langem aussenden. Dies hier ist die Insel von Frieden, Liebe und menschlichen Werten", so Spyros Galinos.

Griechenland: Jean-Pierre Schembri auf Lesbos (Foto: DW/B. Riegert)
Schembri: Faire Verfahren für jeden FallBild: DW/B. Riegert

Papstbesuch ist Werbung für Lesbos

Für den Papst, den orthodoxen Erzbischof von Athen und das geistliche Ehrenoberhaupt der Orthodoxen hat er extra einen Olivenbaum vorbereitet, den diese am Denkmal für Flüchtlinge einpflanzen sollen. Im Hafen von Mytilene werden die Kirchenführer einen Kranz ins Wasser werfen und gemeinsam beten. 500 Journalisten aus aller Welt sind angereist. Fernsehsender übertragen live. Das sei natürlich willkommene Werbung für Lesbos und seine gastfreundlichen Einwohner, glaubt Bürgermeister Galinos. Die Buchungen der Touristen würden dieses Jahr nicht zurückgehen, im Gegenteil "Es gibt solche Sorgen, aber ich habe immer gesagt, Menschenleben kann man nicht mit möglichen Kosten aufrechnen."

Bürgermeister Spyrios Galinos auf Lesbos (Foto: DW/B. Riegert)
Galinos: Botschaft der Liebe. Die Olivenbäume für den Papst stehen bereitBild: DW/B. Riegert

"Kein Theaterauftritt"

Ganz besonders auf den Besuch des Papstes freut sich der Pfarrer der nur dreihundert Seelen umfassenden katholischen Gemeinde von Lesbos. Pfarrer Leo Kiskinis meint, es sei gut, dass der Papst allen Menschen auf der Insel Solidarität zeigen wolle, Migranten wie Einwohnern. "Der Papst kommt hier nicht für eine Theatervorstellung her, um symbolisch zu handeln und von den Medien gefilmt zu werden. Er will Menschen treffen und begegnen.

"Er will die Wirklichkeit sehen und die wird ihm nicht verborgen bleiben", sagte Kiskinis der DW. Damit die Wirklichkeit nicht schmuddelig aussieht, lässt Bürgermeister Galinos auch in Mytilene noch schnell Müll einsammeln und die Mauern rund um ein Denkmal streichen. Lesbos will einen guten Eindruck machen.