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Weiße Südafrikaner in Armenvierteln

Kerstin Poppendieck6. November 2012

Eine weiße Hautfarbe bedeutet finanziellen Wohlstand. Das ist bis heute ein gängiges Klischee in Südafrika. Doch immer mehr weiße Südafrikaner rutschen in die Armut ab und müssen in Townships ziehen.

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Wellblechdächer in Blikkiesdorp (Foto: Kerstin Poppendieck)
Bild: Kerstin Poppendieck

Blikkiesdorp, ein Township in der Nähe des Kapstädter Flughafens. Seit fast einem Jahr leben Mirinda und ihre Schwester Ester De Vries hier. Wenn die beiden durch das Township gehen, fallen sie auf - denn sie sind weiß. Townships aber sind die typischen Schwarzenviertel in Südafrika. Die ersten wurden während der Apartheid angelegt, um nicht-weiße Südafrikaner an die Stadtränder abzuschieben.

Menschen vor ärmliche aussehenden Wellblech-Hütten. (Foto: Kerstin Poppendieck)
Aus dem Provisorium wurde für viele eine DauerlösungBild: Kerstin Poppendieck

Blikkiesdorp wurde erst vor sieben Jahren angelegt. Eigentlich waren die vielen Tausend Blechhütten nur als Übergangslösung für Hilfsbedürftige gedacht, die später einmal Steinhäuser bekommen sollten. Aber auch Blikkiesdorp ist zu einem Armenviertel von farbigen Südafrikanern geworden. Obwohl Mirinda nun in dem Armenviertel wohnt und eine andere Hautfarbe als die meisten dort hat, ist es ihr nicht unangenehm, dort zu leben. "Ich erzähle meinen alten Bekannten sofort, dass ich in Blikkiesdorp in Block R Nummer 30 wohne. Wenn Leute danach nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, dann ist mir das egal."

Weltwirtschaftskrise trifft auch weiße Südafrikaner

Mirinda hat eine Hütte für sich, ihre Schwester Ester lebt in einer der Blechhütten zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen auf 13 Quadratmetern. Der Jüngste ist gerade mal ein Jahr alt. Nur mit einem T-Shirt bekleidet und ohne Hose oder Windeln spielt Conrad mit einem halben Ziegelstein vor der Blechhütte. Manchmal denkt Ester wehmütig an ihr früheres Leben zurück, als sie mit ihrer Familie noch in einem Haus aus Stein gewohnt hat - und Geld für Kleider und Windeln hatte.

Ester De Vries sitzt mit ihren zwei Kindern auf einem Sofa. (Foto: Kerstin Poppendieck)
Ester De Vries und ihre Familie in ihrer Wellblech-HütteBild: Kerstin Poppendieck

Plötzlich aber änderte sich alles. Die Familie bekam die Weltwirtschaftskrise zu spüren. Ester und ihr Mann wurden arbeitslos. Ohne ein regelmäßiges Einkommen konnten sie sich die Miete nicht mehr leisten und rutschten in die Armut ab. Seitdem wohnen sie in Blikkiesdorp. Obwohl ihre Familie am Existenzminimum lebt, fühlt sich Ester allerdings zwischen den Menschen im Township wohler als zuvor. "Ich verstehe mich besser mit Schwarzen oder Farbigen als mit Weißen. Weiße Menschen halten sich immer für etwas Besseres. In meinen Augen hat Gott uns alle gleich geschaffen."

Leben im Township macht toleranter und offener

Gerade am Anfang war das Leben in Blikkiesdorp für Ester ein Kulturschock. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis sie akzeptiert hat, dass es im Township keine Privatsphäre gibt. Die Blechwände sind so dünn, dass die Nachbarn alles hören können. Und wenn jemand Essen kocht, erwarten die Nachbarn, dass man eingeladen wird. Aber anders als beim anonymen Innenstadtleben, ist der Zusammenhalt in den Townships viel größer. Man passt aufeinander auf. Auch das ist neben dem finanziellen Aspekt einer der Gründe, warum immer mehr weiße Südafrikaner in Townships ziehen, so Ester. "Ich habe drei oder vier Freunde hier und wenn jemand kommt, der auf Ärger aus ist, dann stehen meine Freunde für mich ein", erzählt sie.

Armut vereint

Ein Pärchen steht vor seiner Wellblechhütte (Foto:Kerstin Poppendieck)
Gemeinsam leben im TownshipBild: Kerstin Poppendieck

Esters Familie ist eine von zwölf weißen Familien unter mehreren Tausend farbigen Familien, die heute in der stetig wachsenden Blechhüttensiedlung Blikkiesdorp wohnen. Obwohl sie am Anfang oft komisch angesehen wurde und die Leute über sie geredet haben, fühlt sich Ester heute im Township akzeptiert. Bernadete De Kock kann sich noch sehr gut daran erinnern, als sie Ester das erste Mal in Blikkiesdorp gesehen hat. Es war ein Schock für sie. Die farbige Südafrikanerin dachte immer, dass weiße Menschen automatisch reich wären. Das hatte sie schon so in der Schule gelernt.


Mittlerweile ist Bernadete davon überzeugt, dass durch die Vielfalt der Menschen in Blikkiesdorp der Traum von der Regenbogennation Südafrika wahr werden kann. "Wenn sich die Menschen in unserer Regierung schon nicht verstehen, wie können sie da erwarten, dass wir hier ganz unten uns verstehen?" fragt Bernadete. In Blikkiesdorp lebten Farbige, Somalis, Inder und Weiße friedlich zusammen. "Mich freut es zu sehen, das Menschen sich tatsächlich versöhnen und vereinigen können."