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Weiße unter sich

Thomas Kruchem (np)6. März 2009

Südafrikas Buren, einst Nutznießer der Apartheid, fühlen sich nicht wohl im neuen Südafrika. Deshalb haben sich ihr eigenes Reich in der Wüste am Orange River geschaffen.

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Ein Trecker mit Anhänger steht vor einer Hütte
Burische Bauernidylle in der WüsteBild: Thomas Kruchem

Orania ist ein kleines Städtchen am Orange River 60 Kilometer unterhalb des Van-der-Kloof-Stausees in Südafrika. In der kargen Wüstensteppe hier betrieb Ende des 19. Jahrhunderts ein gewisser Stefanus Vermeulen eine Farm. Später errichtete die Regierung Wohnheime für schwarze Arbeiter, die den Staudamm bauten. 1989 schließlich kauften einige Buren, die sich selbst "Afrikaaner" nennen, das abgelegene Anwesen, nannten es Orania und schufen sich ihre ganz eigene Idylle. Eine Idylle allerdings, in der zumindest teilweise der Geist der Apartheid fortlebt, jener Rassentrennung, die unermessliches Leid in Südafrika verursachte. In einer Parklandschaft am Fluss leben heute 700 weiße Afrikaaner: Schreiner, Maurer, eine Juwelierin, ein Steuerberater und Bauern wie der 31-jährige Stefanus de Klerk.

In Gottes Namen

Ein Bauer pumpt mit einer Maschine Wasser auf seine Felder
Bauer de Klerk pumpt Wasser auf seine MaisfelderBild: Thomas Kruchem

De Klerk baut Mais, Weizen und Luzernen an, obwohl dafür viel Wasser aus dem Fluss heran gepumpt werden muss. Um ein Kilo Weizen zu erzeugen, braucht es an die tausend Liter Wasser. Für den Anbau von Oliven oder Pekannüssen, die sich sparsam mit Mikrosprinklern oder Untergrund-Bewässerung versorgen lassen, fehle ihm das Startkapital, sagt der schüchtern wirkende Bauer. Er liebt die Weite der Landschaft hier, die die Koi "Karoo" tauften: "steinige Fläche".

"In der Karoo leben nicht so viele Menschen", sagt de Klerk. "Das Klima ist großartig. Die Nächte sind klar, es ist ruhig. Wir haben keinen Smog hier wie in den großen Städten." Den Duft der Wüstenbüsche, zum Beispiel des "Khanabosh", von dem die Schafe richtig schön fett würden, empfindet der junge Farmer als "lekker", wunderbar. "Ich liebe die Karoo. Ich würde niemals in eine Großstadt oder eine andere Gegend ziehen."

Stefanus de Klerk schickt seine Kinder in die Volksschule von Orania. Er geht jeden Sonntag in die Kirche, er fühlt sich hier zuhause: "Jeder braucht einen Ort, wo er seiner Kultur entsprechend leben kann. Wir zum Beispiel glauben an Gott. Alles, was wir tun, tun wir in seinem Namen. Ich wüsste nicht, wie wir sonst all das schaffen könnten, was wir hier tun."

Selbstgerechte Bitterkeit

Hütten auf einem Acker
Neue Häuser für die Buren. Orania wächst langsam, aber stetigBild: Thomas Kruchem

Im schmucken Restaurant Oranias, wo deftige Küche zu Klaviermusik serviert wird, sitzt Manie Opperman, ein pensionierter Archäologe. Er ist nachdenklicher als der Bauer de Klerk, ein wenig bitter sogar. Oppermann stört sich daran, dass in manchen Lebensbereichen Opfer der Apartheid heute bevorzugt werden - damit auch sie eine Chance haben, sozial aufzusteigen. "Der Afrikaaner fühlt sich derzeit wie ein Verstoßener im eigenen Lande", klagt er. "Er gehört nirgendwo hin, er hat kein geistiges Zuhause." Das Gerede schwarzer Politiker von einer "Regenbogen-Nation" verbreite ein Trugbild, meint Opperman. "Tatsächlich leben wir nicht in einer multirassischen, sondern in einer schwarzen Gesellschaft mit ein paar Weißen." Und die Regierung interpretiere die Verfassung entsprechend, sie fälle rassistische Entscheidungen - was auch andere Minderheiten beklagten, zum Beispiel die Mischlinge."

Rückzug in den Schmollwinkel

Die neue Regierung in Südafrika hält der burische Rentner für ungerecht. Sie bevorzuge die Schwarzen bei der Vergabe von Jobs und tilge afrikaanse Kultur, Sprache und Geschichte aus den Schulbüchern. Und deshalb, so sagt Oppermann, wollten die Afrikaaner in Orania für sich leben. Hier träumen sie von einer irgendwann wieder großen burischen Gemeinde, für die dieses kleine Städtchen die Keimzelle sein soll. Eine rein weiße Keimzelle, versteht sich - mit zwei Schulen nur für weiße Kinder, einer Radiostation und sogar einer eigenen Währung.

Vier Musiker in traditioneller Kleidung spielen auf ihren Blasinstrumenten
Schwarze unerwünscht: Die Buren in Orania wollen unter sich seinBild: Thomas Kruchem

Die Bürger Oranias befolgten alle Gesetze, betont Opperman. Sie hätten Kontakt auch zu schwarzen Kommunen, wollten sich aber nicht entfremden lassen von ihrer Identität als Volksgemeinschaft, sondern ungestört ihre Kultur wie Geschichte pflegen. Dazu gehört auch, dass gesetzestreuen Bürger in Orania gerne den umstrittenen Liedermachen Bok van Blerk auflegen, der in seinen Texten eine rassistische Vergangenheit glorifiziert. Die Privilegierten von einst, so scheint es, haben sich am Orange River einen Schmollwinkel gebaut.