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Weibische Wegelagerei

27. Februar 2003

Auch am Beginn des 21. Jahrhunderts dominieren Männer die Gesellschaft - zumindest vordergründig. Aber im Karneval, in der "fünften Jahreszeit", dürfen auch Frauen sichtbar das Zepter schwingen.

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Sechs Tage vor Aschermittwoch übernehmen die Frauen im Karneval für einen Tag die Regie. Am Weiberfastnachts-Donnerstag werden dazu alljährlich Tausende Männer von "närrischen Weibern" symbolisch entmannt: Ihnen wird der Schlips abgeschnitten. Gleichzeitig reißen die Frauen in den Rathäusern der rheinländischen Karnevals-Hochburgen die Macht an sich. An ihrem Amtssitz müssen die Bürgermeister als Zeichen ihrer Kapitulation oft einen großen Schlüssel an eine Frauen-Abordnung herausrücken.

Jungfrauen und gemeine Töchter

Karneval in Köln
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Die Weiberfastnacht geht auf den seit dem 14. Jahrhundert bezeugten Brauch zurück, dass in Städten die Ehefrauen der ratsfähigen Familien zu einem eigenen Mahl und Tanz geladen wurden. Aber auch Witwen, Jungfrauen und Freudenmädchen. Später veranstalteten die Frauen selbst Feste mit heiterem Brauchzeremoniell und dem befristeten Recht, den Männern zu befehlen. Verschiedene Formen der Weiberfastnacht haben sich in fränkischen Orten, im Wieverfastelovend in Köln und bei den Marktfrauen in München erhalten. Unabhängig von der Weiberfastnacht gibt es in alemannischen Orten die stets von Männern gefeierte Altweiberfastnacht.

Aufstand der Wäscherinnen

Im Rheinland hat die Wieverfastelovend eine lange Tradition. Im Jahr 1824 beschlossen die Wäscherinnen im rechtsrheinischen Beuel (heute ein Stadtteil von Bonn), am Donnerstag vor Karneval die Herrschaft an sich zu reißen, wofür sie sich zu einem Damenkomitee zusammenschlossen. Während ein großer Teil der Männer mit Schiffen unterwegs war, um die gewaschene Wäsche auszufahren, übernahmen sie die Kontrolle über das jecke Treiben. Dieser Brauch etablierte sich weit über die Grenzen Beuels hinaus, wo seit 1957 nicht nur das Alte Beueler Damenkomitee von 1824, sondern auch alle Komitees aus den Ortsteilen am alljährlichen Sturm auf das Rathaus beteiligt sind, mit dem der Höhepunkt der fünften Jahreszeit eingeleitet wird.

Highlife im Kloster

Die rheinländischen Ursprünge der Weiberfastnacht reichen sogar, nach dem Bonner Volkskundler Alois Döring, bis ins 18. Jahrhundert zurück. Da nämlich soll es im Kölner Benediktinerkloster St. Mauritius am besagten Donnerstag hoch hergegangen sein. Döring berichtet über Straßensperren durch die Damen, die den Männern - nur unter Herausgabe von Geld - die Weiterfahrt erlaubt haben sollen. Von dem Erworbenen hätten sie sich einen schönen Abend gemacht, heißt es. Aus sicherer Quelle weiß der rheinische Kulturforscher, dass dieses Verhalten auch heute noch - zumindest in der Eifel - praktiziert wird.