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Weichenstellung in Vietnam

Rodion Ebbighausen21. Januar 2016

Die Kommunistische Partei Vietnams hält ihren 12. Parteitag ab. Dort werden die Politik der nächsten Jahre und das neue Führungspersonal festgelegt. Das kann Folgen für den Konflikt im Südchinesischen Meer haben.

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12. Parteitag der Kommunistischen Partei Vietnams (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa/L.Thai Linh

Die Politik der kleinen Nadelstiche im Territorialkonflikt im Südchinesischen Meer setzt sich 2016 fort. Kaum war das neue Jahr angebrochen, ließ die Volksrepublik China ein Zivilflugzeug auf einer erst kurz zuvor fertiggestellten künstlichen Insel landen. Vietnam protestierte umgehend. Es handle sich bei der Landung auf der international als Fiery Cross Reef bekannten Insel um eine Verletzung der vietnamesischen Souveränität. Auch der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, erklärte, dass China mit dieser Aktion Spannungen verstärke und die regionale Stabilität gefährde. Unbeeindruckt von diesen Protesten sind seither noch zweimal chinesische Zivilmaschinen auf dem Rollfeld im Meer gelandet.

Der 12. Parteitag der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV), der vom 21. bis zum 28. Januar in Hanoi stattfindet, könnte nun die politische Ausrichtung eines Akteurs stark verändern. "Vietnam ist einer der Hauptbeteiligten in dem Konflikt und die Auseinandersetzung zwischen Vietnam und China ist das komplizierteste Element dieses Konflikts", so der Politologe Gerhard Will im Interview mit der Deutschen Welle.

Flugzeuge auf Fiery Cross Reef (Foto: AP)
Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichte dieses Foto nach der Landung eines Zivilflugzeugs auf dem Fiery Cross ReefBild: picture alliance/AP Photo/Xinhua/X. Guangli

USA und China buhlen um Vietnam

Wie wichtig die anstehende politische Weichenstellung in Vietnam auch für die regional dominierenden Mächte USA und China ist, zeigen die Staatsbesuche der vergangenen Monate.

Im Juli 2015 reiste Nguyen Phu Trong, der amtierende Generalsekretär der KPV, in die USA. Präsident Obama machte eine Ausnahme vom Protokoll und empfing den Parteichef im Weißen Haus, was eigentlich Staats- und Regierungschefs vorbehalten ist. "Der Besuch war ein Meilenstein in der Entwicklung der vietnamesisch-amerikanischen Beziehungen", sagt Will. Bis vor wenigen Jahren hätte der amerikanische Präsident einen kommunistischen Generalsekretär aus Vietnam nicht im Weißen Haus empfangen, so wie dieser nicht den ehemaligen Kriegsgegner hätte besuchen können. Nguyen Phu Trong untermauerte auf der Pressekonferenz in Washington die neue Dimension des Treffens: "In einer sich schnell ändernden Welt müssen wir neue Wege im Denken und Handeln gehen."

Im November 2015 besuchte Xi Jinping Vietnam und betonte vor der Nationalversammlung die Gemeinsamkeiten beider Länder. Er sagte: "Vietnam und China müssen in einer komplizierten Welt miteinander kooperieren." Die nominell kommunistischen Nachbarländer zelebrierten zwar auf Parteiebene Einheit und Freundschaft, aber der Territorialkonflikt hat insbesondere beim vietnamesischen Volk das Misstrauen wachsen lassen.

11. Parteitag der Kommunistischen Partei Vietnams (Foto: picture alliance)
Auf dem Kongress wird in der Regel nur abgenickt, was vorher hinter verschlossenen Türen beschlossen wurdeBild: picture-alliance/dpa/L.Thai Linh

Politischer Fünfjahresplan

Im Ergebnis ist festzuhalten: In den vergangenen Jahren haben die USA erfolgreicher als China um Vietnam geworben. Das könnte jetzt auch auf dem Parteitag zum Tragen kommen. Dort wird nämlich maßgeblich über Vietnams zukünftige Politik entscheiden. Er legt die politische und damit auch außenpolitische Agenda für die nächsten fünf Jahre fest.

Noch ist nur wenig über den politischen Fünfjahresplan bekannt. In einem Briefing zum Parteitag Ende Dezember 2015 umriss die KPV die außenpolitische Linie in bekannten Mustern, so Erwin Schweisshelm von der Friedrich-Ebert Stiftung in Hanoi gegenüber der DW: Vietnam werde den Multilateralismus ausweiten, sich am internationalen Recht, insbesondere am Seerecht orientieren und sehe sich weiterhin als zuverlässigen Partner und verantwortliches Mitglied der Staatengemeinschaft.

Personalentscheidungen

Entscheidender als der Fünfjahresplan dürften die ebenfalls anstehenden Personalentscheidungen sein. Die endgültige Besetzung der Spitzenposten - Generalsekretär, Premierminister, Präsident und Präsident der Nationalversammlung - ist alles andere als sicher. Bis vor einer Woche gingen die meisten Beobachter davon aus, dass der jetzige Premier Nguyen Tan Dung aussichtsreichster Kandidat für den einflussreichen Posten des Generalsekretärs ist. Seit der letzten Sitzung des Zentralkomitees vor dem Parteitag (12.01.2015) werden Zweifel immer lauter. Auf Facebook wurde bereits verkündet, dass sich angeblich der Gegenspieler Dungs - der amtierende Generalsekretär Nguyen Phu Trong - durgesetzt haben soll. Gewissheit wird erst der Parteitag bringen.

Unstrittig ist aber, dass es innerhalb der Partei zwei Flügel gibt. Es gibt die eher westlich orientierten Gruppe um den jetzigen Premier Nguyen Tan Dung, die pragmatisch und weniger ideologisch aufgestellt ist. Ihr gegenüber stehen die Konservativen, die den USA misstrauen und sich tendenziell eher Richtung China orientieren.

Nguyen Tan Dung (Foto: picture alliance)
Der amtierende Premierminister Nguyen Tan Dung gilt vielen Beobachtern als PragmatikerBild: picture-alliance/dpa/A.Yusni

In den letzten Jahren ist es Nguyen Tan Dung gelungen, deutliche Akzente zu setzen. Er war es, der das Freihandelsabkommen Trans-Pazifische-Partnerschaft (TPP), dem die USA, aber nicht die Volksrepublik China angehören, maßgeblich vorangetrieben hat. Der Politologe Will sagt dazu: "Gerade durch den Abschluss der TPP sind die Weichen schon gestellt. Die Hinwendung zu den USA wird einen wesentlich stärkeren Platz einnehmen, als es in der Vergangenheit der Fall war. Da sind schon einige Entscheidungen im Vorfeld gefallen, die wahrscheinlich auf dem Parteitag bestätigt werden." Das sei ein deutliches Zeichen Richtung China, von dem Vietnam wirtschaftlich unabhängiger werden will, und ein wichtiger Erfolg für die USA. Carl Thayer, emeritierter Politologe der Universität von New South Wales, ist überzeugt, dass Nguyen Tan Dung die internationale Integration Vietnams aktiv vorantreiben würde - wenn er sich durchsetzt.

Sollte das konservative und ideologische Lager die Oberhand gewinnen, wäre eine stärkere Annäherung an China und eine vorsichtigere internationale Integration Vietnams die Folge. Die Partei und insbesondere die Konservativen fürchten eine friedliche Evolution, die von außen etwa durch NGOs ins Land gebracht werden soll.

China denkt um

Statt der beiden genannten Szenarien ist aber auch in drittes denkbar. Das politische System Vietnams zielt auf ein Gleichgewicht, wie Thayer schreibt. Er vermutet, dass der prowestliche und der konservative Flügel im Politbüro beziehungsweise Zentralkomitee etwa gleich stark vertreten sein werden. Manche Kritiker sehen darin eine Selbstblockade, die die Politik des Landes lähmt. Will widerspricht dieser Einschätzung teilweise. "Es wird niemals eine eindeutige und uneingeschränkte Hinwendung zu den USA geben." Das wäre angesichts der geographischen Nähe und des stetig wachsenden politischen Gewichts der Volksrepublik auch töricht.

Als Folge der Spannungen in der Region und der größeren außenpolitischen Flexibilität Vietnams habe es in China ein Umdenken gegeben. "China hat Vietnam lange nicht so richtig ernst genommen", sagt Will. Zumindest bei den politischen Vordenkern habe eine Diskussion begonnen: China müsse die Länder in Südostasien, und da steht Vietnam an erster Stelle, stärker in den Blick und ihre Bedürfnisse ernst nehmen.