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Weihnachten für Ausländer

Monika Vosough Mohebbi25. Dezember 2006

Zu Weihnachten sind die Studentenheime wie leergefegt. Da kann es für ausländische Studenten ganz schön einsam werden. Damit das nicht passiert, vermittelt sie der Bonner Verein Experiment an deutsche Gastfamilien.

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Eine Studentin aus Afrika bestaunt Weihnachtsmänner aus Holz.
Fremde TraditionenBild: picture-alliance/ ZB

So aufgeregt vor Weihnachten war Kevin Guepour seit seiner Kindheit nicht mehr. Denn in diesem Jahr wird es ein ganz besonderes Fest für ihn, in einem neuen Land und mit fremden Leuten. Der 28-jährige Student von der Elfenbeinküste feiert Weihnachten in einer deutschen Familie. Seit Tagen macht Kevin sich Gedanken darüber, wie die Feiertage wohl werden. "Ich habe ein bisschen Angst. Ich weiß nicht, wie das in einer deutschen Familie geht." Deutschland sei nicht Afrika, sagt Kevin.

Erst vor drei Monaten ist Kevin aus seiner Heimat in die Kleinstadt Emden gekommen, um an der Fachhochschule integrative Frühpädagogik zu studieren. Als er vom Verein Experiment e. V. gehört hat, war er sofort begeistert und hat sich beworben. Weihnachten wird zwar auch bei ihm zu Hause in der Elfenbeinküste gefeiert, aber in einer deutschen Familie - das ist ein ganz neues Erlebnis. In einigen Tagen geht es nun für Kevin nach Schwabach in der Nähe von Nürnberg, in eine Gastfamilie mit Kindern, Eltern und Großeltern. Trotz Angst und Aufregung überwiegt die Vorfreude: "Ich kann eine andere Kultur und eine andere Familie kennen lernen. Und ich kann über meine Heimat erzählen."

Miteinander lernen und leben

Schon seit 22 Jahren bringt Experiment e. V. ausländische Studenten zu Weihnachten in deutschen Familien unter. Dieses Jahr sind es fast 100 und sie kommen aus vielen verschiedenen Ländern, Kulturen und Religionen. Bei der Auswahl der richtigen Familien für die Studenten achtet der gemeinnützige Verein vor allem auf gemeinsame Interessen. Denn das Motto des Projekts heißt "Learning together, living together" - voneinander lernen, indem man miteinander unter einem Dach lebt. Davon, sagt Cornelia Merkt, könnten beide Seiten profitieren: "Die ausländischen Studierenden lernen das deutsche Weihnachtsfest, deutsche Familien und ihr Alltagsleben für zwei Wochen kennen." Und für die Familie sei das natürlich auch eine Bereicherung, weil sie dadurch eine ganz andere Kultur kennen lernen.

Damit so viele Studenten wie möglich die Chance bekommen, kann jeder nur ein Mal an dem Projekt teilnehmen. Für die Familien gilt diese Regel nicht. Viele machen daher jedes Jahr wieder mit, nachdem sie einmal in das Programm aufgenommen wurden. Familie Sievers nimmt seit 13 Jahren ausländische Studenten über die Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel bei sich auf. Sie hatten schon Besuch von Studenten aus Portugal, Israel, Marokko und Japan. Vater Armin macht das auch für seinen 16-jähriger Sohn Jan und seine 12-jährige Tochter Muriel: "Wir hatten uns gedacht, dass das für die Kinder ganz interessant sein kann, wenn sie aufwachsen und erfahren, dass es Menschen aus anderen Kulturen gibt, die anders leben und anders denken." Daraus könnten sich ja möglicherweise auch dauerhafte Kontakte ergeben.

Manieren oder Kühlschrank

Dass es auch Kuriositäten oder Missverständnisse gibt, wenn zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen, hören die Mitarbeiter von Experiment e. V. immer wieder. Gerade im Alltag und im Zusammenleben aber, so die Vereinschefin Engeline Kramer, könnten Menschen aus verschiedenen Ländern gut voneinander lernen. Dass durch kulturell bedingte Verhaltensunterschiede auch schnell Missverständnisse entstehen können, hat Familie Sievers beim Besuch einer Japanerin vor einigen Jahren gelernt: "Ich hatte ein bisschen Schwierigkeiten mit ihr, weil ich ihr jeden Tag das Frühstück zubereiten musste," sagt Armin Sievers. Dass das einen kulturellen Hintergrund hatte, sei ihm dann später klar geworden. Als wohlerzogene Japanerin gehöre es sich nicht, bei anderen Leuten allein an den Kühlschrank zu gehen.

In diesen Situationen, meint Gudrun Sievers, könne man viel über fremde Kulturkreise erfahren. Man könne die eigene Sichtweise überprüfen und auch Vorurteile abbauen. Auch dieses Jahr erwartet Familie Sievers Besuch zu Weihnachten. Einige E-Mails haben sie schon mit der jungen Japanerin ausgetauscht. Viel wissen sie aber noch nicht von ihr, sie wollen sich überraschen lassen. Doch eins ist klar: Der Besuch wird auch dieses Jahr wieder für ein ganz spezielles Weihnachtsfest sorgen.