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Weihnachten Domhofschule Bonn

17. Dezember 2011

Alle großen muslimischen und christlichen Feste werden an einer Bonner Grundschule gefeiert. So sollen die Schüler und Schülerinnen, die oft einen Migrationshintergrund haben mehr über die beiden Religionen erfahren.

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Schüler der Domhofschule singen Weihnachtslieder (Foto: DW/ Ulrike Hummel)
Bild: DW

Alle großen muslimischen und christlichen Feste werden an einer Bonner Grundschule gefeiert. So sollen die Schüler und Schülerinnen, die oft einen Migrationshintergrund haben mehr über die beiden Religionen erfahren.

Sie lernen Gedichte von Heine und Rilke, schreiben eigene Verse zur Weihnachtsgeschichte und singen deutsche Lieder im Chor. Für christliche und muslimische Kinder an einer Bonner Grundschule ist das längst Normalität. Die Adventszeit ist geprägt vom täglichen Einüben des Programms, das die Schüler den Eltern bei der bevorstehenden Weihnachtsfeier vorführen. Jeden Morgen wird der Adventskranz feierlich entzündet, ein Kalender mit Türchen hängt in jeder Klasse. Und einmal wöchentlich verwandelt ein Musikstudent die Aula der Domhofschule in einen vorweihnachtlichen Konzertsaal.

Respekt vor anderen Kulturen

Dabei ist das gar nicht so selbstverständlich: Rund 340 Kinder aus 29 Nationen lernen hier nicht nur Mathe oder Deutsch, auch den Respekt vor anderen Kulturen und Religionen. "Ob christlich oder muslimisch, bei uns bereiten sich alle Kinder auf Weihnachten vor", sagt Schulleiterin Annie Kawka-Wegmann. Auch für die muslimischen Kinder sei die Geburt Jesu wichtig. Denn im Islam ist Jesus ein wichtiger Prophet und heißt Isa. Er werde in 15 Suren des Korans erwähnt und sei bekannt dafür, niemals eine Sünde begangen zu haben. Annie Kawka-Wegmann hat das von ihren muslimischen Schülern gelernt.

Annie Kawka-Wegmann, Rektorin der katholischen Grundschule Bonn-Mehlem (Das Foto wurde von Frau Kawka-Wegmann zur Verfügung gestellt)
Annie Kawka-Wegmann, Schulleiterin DomhofschuleBild: Annie Kawka-Wegmann

Sechzig Prozent der Schüler an der Domhofschule haben eine Zuwanderungsgeschichte. Die meisten von ihnen kommen aus dem arabischen Raum. Kein Wunder, dass hier Zimtsterne, Christstollen und Baklava die weihnachtliche Tafel bereichern. Hier ist der Islam längst Teil des Schulalltags geworden, auch wenn der Weg dahin bisweilen steinig war. Die Mehrheit der Kinder ist muslimisch und die Schulleitung legt großen Wert darauf, dass religiöse Feiertage wie Weihnachen oder das muslimische Opferfest von Christen und Muslimen gemeinsam begangen werden. Die Domhofschüler wissen über die jeweils andere Religion mittlerweile einiges. "An Weihnachten hat Maria ein Kind in der Krippe bekommen", sagt die neunjährige Sama. Die gleichaltrige Naima fügt hinzu, dass der Koran es ein wenig anders erzählt: Dort soll Isa unter einem Feigenbaum geboren sein.

Weihnachtsgeschichte im Islamunterricht

Islamkundeunterricht in der Domhofschule (Foto: DW/Ulrike Hummel)
Islamkundeunterricht in der DomhofschuleBild: DW

Das Wissen der Schüler über andere Religionen kommt nicht von ungefähr: Wegen des hohen Anteils muslimischer Kinder hatte sich die Schulleitung schon früh um die Teilnahme an einem Modellversuch bemüht. Seit 1999 wird in Nordrhein-Westfalen an ausgewählten Schulen "Islamkunde in deutscher Sprache" unterrichtet. Im Unterschied zum regulären Religionsunterricht der christlichen Kirchen wird das Wissen über den Islam ausschließlich unter Staatsaufsicht vermittelt. Seit 2004 beschäftigt die Schule einen Islamkunde-Lehrer. Auch für ihn sei es wichtig, "dass die christlichen Feste Platz finden im Islamunterricht", sagt Bernd Ridwan Bauknecht. Der Jahreszeit entsprechend werden Bezüge des Islams zum Christentum oder anderen Religionen erklärt. "Ich finde, das Interreligiöse muss in allen Jahrgangsstufen eingebettet sein, und Weihnachten ist da ganz wichtig", sagt der Islamlehrer.

Interkulturelles Gesamtkonzept

Außer dem Islamkundeunterricht hat die katholische Grundschule "Am Domhof" in Bonn-Mehlem mit der Universität Köln ein interkulturelles Gesamtkonzept entwickelt – und mit Erfolg umgesetzt: Laut amtlicher Statistik liegen die Übergangsquoten zum Gymnasium hier rund 70 Prozent über dem Landesdurchschnitt. Schulleiterin Annie Kawka-Wegmann hat schon vor Jahren das Prinzip der koordinierten Alphabetisierung (KOALA) eingeführt.

Unterricht in der Interkulturelle Schule (Die Bilder wurden von der Rektorin der Schule, Annie Kawka-Wegmann, zur Verfügung gestellt - Fotograf: Ludolf Dahmen)
Interreligiöses LernenBild: Ludolf Dahmen

Dabei werden Erst- und Zweitsprache der Kinder im Unterricht miteinander verzahnt. Durch das Angebot "Deutsch für Mütter" sollen Eltern von Migrantenkindern in das Schulgeschehen eingebunden werden. Gemeinsame Feierlichkeiten wie Weihnachten dienen letztendlich auch dem Dialog der Eltern untereinander. Doch nicht überall stößt das umfassende Konzept auf Zustimmung: "Es kommen auch regelmäßig Eltern zu uns, die ihre Kinder wieder abmelden, wenn sie hören, dass hier die Muttersprache Arabisch oder Türkisch gelehrt wird", sagt die Schulleiterin. Andere deutschen Eltern schrecke das gemeinsame Feiern muslimischer Feste ab. Auch gebe es streng muslimische Eltern, die ein Problem mit dem Weihnachtsbaum hätten. Aber das seien Einzelfälle. Die Anerkennung der Muttersprache und der Religion sei die Basis für ein gleichberechtigtes Miteinander. "Gerade die Religion manifestiert sich in der Kultur, und deswegen sind diese Feste ein ganz wesentlicher Bestandteil", sagt Annie Kawka-Wegmann.

Baklava unterm Tannenbaum

Für die Kinder, die an der Schule bleiben, gilt: Sie leben und erleben Integration. So ist für viele muslimische Familien Weihnachten inzwischen auch ein Feiertag. Unter dem geschmückten Tannenbaum werden auch hier orientalische Süßigkeiten als Gebäck gereicht, und in manchen Familien gibt es sogar Geschenke. Wenn sie über ihre Weihnachtswünsche sprechen, glänzen die Augen der christlichen und muslimischen Kinder. Ob Lego "Harry Potter", Fußball-Trikot oder neuer Schulranzen, der Weihnachtswunschzettel kennt weder Religionszugehörigkeit noch kulturelle Wurzeln.

Autorin: Ulrike Hummel

Redaktion: Christina Beyert