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Weihnachtsgeschenk für die Regierung

Jens Thurau18. Dezember 2002

Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat ihren Deutschland-Bericht veröffentlicht. Sie mahnt darin Strukturreformen und staatliche Ausgabenkürzungen an, berichtet aber auch Positives.

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Blühende Landschaften lassen noch ein Weilchen auf sich wartenBild: AP

In ihrem am Dienstag (17.12.2002) in Berlin veröffentlichten Deutschland-Bericht bleibt die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bei ihrer Wachstumsprognose für 2003 von 1,5 Prozent. Das Risiko, dass die Wirtschaft weniger stark wachsen werde, sei aber größer als die Wahrscheinlichkeit eines höheren Wachstums, heißt es. Immerhin: Ihre schon vor Wochen abgegebene Schätzung über das deutsche Wirtschaftswachstum hat die internationale Organisation mit Sitz in Paris nicht noch einmal nach unten korrigiert.

Wachstumsziel noch erreichbar

Autor des Berichts ist der Deutschlandexperte Eckhard Wurzel. Er hatte schon vor Wochen auf ein Wachstum von 1,5 Prozent für 2003 getippt. Dabei bleibt er auch nach den jüngsten Katastrophenmeldungen über neue Haushaltslöcher. "Wir würden sagen, dass das Risiko, dass das Wachstum geringer sein wird als 1,5 Prozent, größer geworden ist", mahnt Wurzel zur Vorsicht. Trotzdem hält er 1,5 Prozent Wachstum im Jahr 2003 immer noch für möglich – "falls Reformen in Angriff genommen werden."

Erst zu Wochenbeginn hatten das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle und das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) ihre Wachstumsprognosen für Deutschland gesenkt. Während die Hallenser keine Details nannten, revidierte das RWI seine Prognose auf 1,0 von 1,4 Prozent. Auch die OECD knüpft ihre vergleichsweise positive Prognose an weitere Bedingungen. Wurzel stellt klar: "Es gibt zur Konsolidierung der Staatsfinanzen keine Alternative - und sie sollte auf der Ausgabenseite verstärkt werden. Das heißt, dass Steuererhöhungen durch verstärkte Ausgabenkürzungen ergänzt werden sollten."

An Haut und Haaren reformieren

Reformiere sich das Land nicht an Haut und Haaren, so Wurzel, dann werde die Krise nicht gemeistert. Gründe für die wirtschaftliche Talfahrt sind aus OECD-Sicht der schwierige Anpassungsprozess nach der Vereinigung und das Verschieben überfälliger Reformen im Sozialsystem und auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit sei hoch, weil Arbeit in Deutschland zu teuer sei.

Seit Jahren wächst die Wirtschaft langsamer als in den meisten anderen Staaten Europas. Das Arbeitsvolumen - gemessen in Arbeitsstunden - ist geringer als noch Mitte der Neunziger Jahre und verschärft durch die erhöhte Produktivität die Probleme am Arbeitsmarkt. Gleichwohl: Erste, zaghafte Reformschritte seien erkennbar, so zum Beispiel bei der Umsetzung der Hartz-Vorschläge.

Wiedervereinigung ist keine Ausrede

Einen ausgeglichenen Haushalt bis 2006 - wie von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) immer noch angestrebt - hält Wurzel zwar für ein ehrgeiziges, aber durchaus erreichbares Ziel. Und er lobte die Riester-Rente als Schritt in die richtige Richtung. Kein Wunder, dass sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) artig für die Studie bedankte. Konnte er sie doch als Bestätigung des Regierungskurses werten.

Nach Ansicht des Berliner OECD-Repräsentanten Heino von Meyer muss sich Deutschland aber wesentlich stärker als bisher an seinen Nachbarn orientieren. "Deutschland muss sich dem internationalen Wettbewerb stellen. Und das nicht nur bei Gütern und Dienstleistungen, sondern auch bei Politikansätzen - und Ergebnissen", fordert Meyer. Klar sei auch: Weltwirtschaftslage und Belastungen durch die Wiedervereinigung seien zwar wichtige Gründe für die derzeitigen Probleme - als Entlastung für die Politiker sei das aber nicht zu verstehen. Alle Parteien hätten zu lange über Reformen nur geredet, statt sie anzupacken.