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Weinberg und Weinstock

5. Mai 2012

Von Pater Gerhard Eberts, Augsburg

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Pater Gerhard Eberts MSF (Missionar von der Heiligen Familie), Augsburg Berge (Niedersachsen)
Pater Gerhard EbertsBild: Gerhard Eberts

In Trier bin ich zum Priester geweiht worden. Meine ersten Seelsorgeeinsätze führten mich zu Gemeinden an die Mosel. Mit dem Selbstbewusstsein eines jungen Priesters habe ich damals dort über die Gleichnisse Jesu von Weinstock und Weinberg gepredigt. Nach einer Predigt kam ein Winzer und lobte: Sie haben schön gepredigt – und nach einer Pause fügte er mit einem Schmunzeln hinzu  – aber von Weinbergen verstehen Sie nicht viel!  Ich habe geschluckt. Doch als der Winzer mir anbot, mit ihm in seinen Weinberg zu gehen, habe ich mir das nicht zwei Mal sagen lassen.

Dabei habe ich gelernt; An der Mosel  gibt es vor allem steil ansteigende Weinberge, die viel Arbeit machen. Und nicht nur dem Weinberg wird Aufmerksamkeit geschenkt, sondern jedem einzelnen Weinstock. Jeder einzelnen Rebe. Siebzehn Mal, so sagt man im Rheingau, geht der Winzer während des Jahres um seinen Weinstock, ehe er ernten kann.

Ich bin durch den kleinen Anschauungsunterricht natürlich kein Experte für Weinanbau geworden. Aber ich habe besser verstanden, was mit den Texten von Weinberg und Weinstock in der Bibel gesagt werden soll.

Der Weinstock ist kleiner als die anderen Bäume, sagen die Lehrer Israels; aber durch seine Frucht überragt er sie alle. So ist der Weinstock zum Bild für Christus geworden; zum Bild der Verbundenheit zwischen Christus und jedem einzelnen Getauften, zum Bild der Einheit zwischen Christus und der Kirche, zum Bild der Verheißung.

„Ich bin der Weinstock“, sagt Jesus. „und ihr seid die Reben.“ Dies ist das Geheimnis unseres Christseins. Nur, wenn unsere Gemeinschaft mit Jesus Christus so eng ist wie die der Reben mit dem Weinstock, wird unser Leben fruchtbar. Und so, wie wir mit Christus, dem Weinstock, verbunden sind, so sind wir auch untereinander verbunden.

Wenn wir die Texte vom Weinstock und seinen Reben aufmerksam lesen, finden sich drei Themen, die sich einander immer mehr durchdringen. Bleiben – Reinigen – Fruchtbringen.

Bleiben. „Bleiben“  ist gewiss keines der Lieblingswörter unserer Zeit. Ganz im Gegenteil – es zählt das Neue, das Andere. Beweglichkeit ist gefordert, die Fähigkeit, sich schnell vom Bisherigen zu lösen. Doch die Bereitschaft zu bleiben, gibt es kein Wachstum, ohne Zusammenhalt keinen Fortschritt.

Damit das Bleiben aber nicht in Erstarrung ausartet, ist ein zweites Wort wichtig:

Reinigen.  Was heißt reinigen? Reinigen ist etwas ganz Persönliches. Damit Frucht wächst, sind Sonne und Regen, Sturm und Stille nötig. Der Sturm, der das Unfruchtbare, Vertrocknete hinwegfegt. Der Regen, der den Schmutz wegwischt. Aber ebenso die Sonne, die die Süße schenkt. Und schließlich die Stille, die es aushält, dass etwas wächst. 

Alle Bemühungen, beieinander zu bleiben und sich reinigen zu lassen, haben ein Ziel. Und das wird mit dem dritten Wort markiert:

Frucht bringen. Jesus spricht von Frucht bringen. Nicht von erfolgreich sein.  Das ist etwas ganz Verschiedenes. Erfolg wird geplant, produziert, gemessen, gewogen. Frucht bringen hat dagegen etwas mit Wachstum zu tun. Wachstum bleibt immer ein Geheimnis. Ein Geschenk.

Wenn der Weinstock Frucht bringt, ist es damit aber noch nicht getan: Die Rebe, nachdem sie geerntet wurde, tritt den Weg durch die Kelter an, wird zerstoßen und zerrieben, muss hinein in den Prozess des Gärens. Was dadurch entsteht, ist köstlicher Wein. Das alles ist im Evangelium nur Bild und Gleichnis des Lebens, speziell des religiösen Lebens. Jeder, der in seinem Leben nicht nur Erfolge, sondern auch Rückschläge erlebt hat, jeder, der sich selbst zurückgenommen hat, um für andere da zu sein, jeder, der nicht nur von Solidarität geredet hat, sondern sie zu leben versucht, wird erfahren, dass geglücktes Leben nicht möglich ist ohne Zeiten der Prüfungen und der Enttäuschungen, des Reifens und des Ausharrens.

Schön waren die Weinfeste, die ich an der Mosel erleben durfte – nicht mit Touristen – sondern mit  Winzern! So muss es bei der Hochzeit zu Kana gewesen sein, als Jesus sein erstes Wunder wirkte, indem er Wasser in Wein verwandelte und so einem Brautpaar aus der Patsche half. Gott will, dass wir froh werden.

Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Frau Dr. Silvia Becker.