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Der Freiwilligendienst "kulturweit"

30. November 2010

Abenteuer garantiert. Seit einem Jahr gibt es einen deutschen Kulturaustausch für Freiwillige. Sie arbeiten in Projekten und machen Erfahrungen, die ihr Leben verändern. Von Bangladesch bis Usbekistan.

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Foto: privat Sarah Praeker in Quito/Ecuador
Bild: Silke Bartlick

Chittagong ist eine Hafenstadt im Süden von Bangladesch. Schrottreife Schiffe werden dort auseinandergenommen, man hat das vielleicht schon mal gesehen, in einer Dokumentation. Denn die Bedingungen, unter denen die Schiffe zerlegt werden, sind menschenunwürdig. Dort, in Chittagong, war Falk Busse ein halbes Jahr lang "das Goethe-Institut", wie er sagt. Zu Hause habe ihm das niemand geglaubt, erzählt der junge Mann. Aber genauso sei es gewesen.

Kultiviertes Abenteuer

23 Jahre alt ist er heute. Vor gut einem Jahr, als er den Bachelor in Kulturtheorie gerade in der Tasche hatte, hat er sich bei "kulturweit" beworben. Weil er mal raus wollte. Wenige Wochen später bekam er einen Anruf von der Leiterin des Goethe-Instituts Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs. Eine Einsatzstelle in der Selbständigkeit eine große Rolle spiele, haben sie Falk Busse angeboten. "Und weil ich auch in einer Stadt auf mich allein gestellt sein sollte, habe ich gedacht: Mehr Abenteuer geht nicht. Also, eigentlich genau das, was ich will. Also los!"

(AP Photo/Aman Sharma
Schiffswrack in ChittagongBild: AP

Sechs Monate lang war Falk Busse dann in Chittagong. Er hat bei Freunden der Leiterin des Goethe-Instituts gewohnt, einmal in der Woche mit ihr telefoniert und ansonsten vom Büro einer Sprachenschule aus Kulturprojekte geplant und realisiert. Eine Theatertruppe aus Kalkutta hat beispielsweise ihre Adaption von Leander Haußmanns Berlin-Komödie "Sonnenallee" gezeigt. Und Fotografen haben dokumentiert, was aus all den Schiffswracks rausgeholt wird, die in Chittagong unter fragwürdigsten Bedingungen auseinandergebaut werden.

"Dort sterben regelmäßig Menschen", erzählt Falk Busse. "Nachts wird auf offenem Feuer Öl verbrannt, das Grundwasser ist total verseucht". Man könne nicht einfach das Wasser aus dem Wasserhahn trinken in Bangladesch. Aber von den Abwrackarbeiten in Chittagong ist die Stahlindustrie des Landes abhängig. An ihr hängen Zehntausende von Arbeitsplätzen. "Für viele Leute ist das die einzige Einnahmequelle", sagt Falk Busse. "Was soll man mit diesen Leuten machen?"

Chance und Herausforderung

So viel Eigenständigkeit, wie sie Frank Busse erlebte, ist die große Ausnahme bei "kulturweit". Meist sind die Freiwilligen in Institutionen eingebunden. Ein Ersatz für professionelle Kulturarbeit vor Ort kann und will das Programm ohnehin nicht sein. Im letzten Sommer wurde der internationale Freiwilligendienst gestartet. Er wird vom Auswärtigen Amt gefördert, von der deutschen Unesco-Kommission durchgeführt, und ermöglicht es jährlich 400 jungen Menschen, sich sechs oder zwölf Monate lang bei einer Partnerinstitution der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zu engagieren – will sagen, bei einem Goethe-Institut, dem Pädagogischen Austauschdienst, dem Deutschen Archäologischen Institut oder an einer Auslandsschule.

"Es ist eine große Bildungschance und eine große Weiterentwicklungschance für unsere Freiwilligen", sagt Anna Veigel, die das Projekt "kulturweit" leitet und mit leuchtenden Augen erzählt, wie stark diese Monate in einer anderen Kultur mit all den neuen Herausforderungen die jungen Menschen prägen. Natürlich gibt es dabei auch Probleme, mit dem Visum, mit anderen Sicht- und unbekannten Verhaltensweisen, mit Armut, Lärm, Kriminalität und Krankheiten. Aber wer dann zurückkommt, sagt Anna Veigel, der sei irgendwie reifer, erwachsener geworden. So wie Sarah Präker, die sich nach Abschluss ihrer Erzieher-Ausbildung gefragt hat, wie es denn nun weiter gehen solle mit ihrem Leben. Und die sich dann für den Pädagogischen Austauschdienst beworben hat und an den Kindergarten der Deutschen Schule in Quito/Ecuador vermittelt wurde.

Foto: privat
Immer wieder sonntags ... gab es ein Essen in großer Runde.Bild: Sarah Praeker

Spanisch spricht Sarah Präker jetzt auch. Ganz ohne Sprachkenntnisse ist sie nach Ecuador gegangen. Aber ihre Gast-Mama, die war konsequent und hat nach wenigen Tagen nicht mehr Englisch mit Sarah gesprochen. "Du willst ja die Sprache lernen", hat sie gesagt. Weshalb die junge Deutsche Unterricht genommen hat, neben der Arbeit im Kindergarten. Und dann hat sie angefangen, sich mit der Kultur Ecuadors zu beschäftigen und mit der Politik des Landes – weil das dort jeder tut, wie sie erzählt. Und sie hat Salsa tanzen gelernt, ist herumgereist, zu Verwandten und Bekannten der Familie, bei der sie gewohnt hat. Und war überall willkommen und hat auf diese Weise viele neue Freunde gefunden.

Fürs Leben lernen

So eine Gastfreundschaft, wie sie sie in Ecuador erlebt hat, kannte Sarah Präker zuvor nicht. Die Menschen seien so unglaublich nett gewesen, alle hätten sie äußerst zuvorkommend aufgenommen. Jetzt, zurück in Deutschland, ist die junge Frau richtig glücklich, wenn sie die Gastfreundschaft mal weiter geben kann. Die will sie sich bewahren, sie gehört zu den vielen Spuren, die das halbe Jahr in Lateinamerika in ihr hinterlassen hat.

Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Aya Bach