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Tod mit Symbolcharakter

3. Mai 2011

Die US-Regierung kann den Tod von Osama bin Laden als großen Sieg im Kampf gegen Al Kaida verbuchen. An der Afghanistan-Politik wird sich deswegen kaum etwas ändern. Dennoch hat die Aktion politische Auswirkungen.

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US-Außenministerin Hillary Clinton hinter einem Rednerpult (Foto: AP)
"Wir haben den längeren Atem", sagt Hillary ClintonBild: AP

US-Außenministerin Hillary Clinton gab sich nach dem Tod des Top-Terroristen Bin Laden entschlossen. Man werde Al Kaida und deren Verbündete unter den Taliban in Afghanistan weiter jagen und gleichzeitig die Regierungsbildung im Land und die Isolierung der Terroristen unterstützen, sagte sie am Montag (02.05.2011) in Washington.

Die Übergabe der Verantwortung an die Afghanen werde wie geplant weitergehen. Die Botschaft an die Taliban bleibe die gleiche, habe aber mehr Nachdruck erhalten: "Wir haben den längeren Atem", unterstrich Clinton und fuhr fort: "Ihr könnt uns nicht besiegen, aber ihr könnt euch dafür entscheiden, euch von Al Kaida abzuwenden und an einem friedlichen politischen Prozess teilnehmen."

Der Tod von Osama bin Laden beherrscht die Schlagzeilen auf der ganzen Welt. Doch die Folgen zum Beispiel für das Engagement der US-Amerikaner in Afghanistan sind begrenzt. Die derzeitige, im Rahmen der NATO verabschiedete Strategie sieht einen ersten Abzug der US-Truppen im Juli vor. Allerdings wird dieser vermutlich zunächst mehr oder weniger symbolisch sein. Erst im nächsten Jahr werden größere Truppenkontingente nach Hause zurückkehren dürfen. Ende 2014 sollen dann die afghanischen Soldaten und Polizisten für die Sicherheit im Land sorgen.

Ein Kapitel ist beendet

Vermummte Al-Kaida-Mitglieder (Foto: AP)
Die Terroristen sind in Afghanistan nicht mehr so präsent wie früherBild: AP

Die Experten sind sich einig: An diesem Plan wird der Tod Osama bin Ladens wenig ändern. Michael Werz, Experte für internationale Sicherheitspolitik am regierungsnahen "Center for American Progress" erklärte der Deutschen Welle: "Das hängt zum einen damit zusammen, dass Al Kaida in Afghanistan schon seit längerem nur eine untergeordnete Rolle spielte und zum zweiten natürlich damit, dass Osama bin Laden im operativen und militär-taktischen Bereich in den vergangenen Jahren keinen großen Einfluss mehr hatte." Sein Tod habe eine große symbolische Bedeutung, "aber keine unmittelbaren, was die Frage des Gefechtsfeldes in Afghanistan angeht", so Werz weiter.

Dieser symbolische Wert der Tötung Bin Ladens durch die US-Einsatzkräfte ist allerdings nicht zu unterschätzen. Es ist nicht nur der Abschluss eines dominanten Kapitels in der US-Außenpolitik, es lässt auch die Kritiker des US-Präsidenten verstummen, die ihn bisher als zu weich und kompromissbereit bezeichnet haben. Und der des Al-Kaida-Anführers gibt Obama mehr Freiraum bei der Gestaltung seiner Afghanistan-Strategie, sagt Gideon Rose, der außenpolitische Experte des Council on Foreign Relations in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Rose war unter Präsident Bill Clinton Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats. "Wenn Obama den Kurs nicht verändern will, dann muss er das nach den jüngsten Ereignissen nicht", meint Rose. "Aber wenn er einen etwas schnelleren Rückzug aus Afghanistan möchte, kann er das jetzt besser rechtfertigen, denn niemand kann mehr sagen, das gehe nicht, weil Bin Laden noch immer da draußen auf seine Chance lauere.

Debatte über kleinen oder großen "Fußabdruck"

US-Soldaten in Afghanistan (Foto: AP)
Schrittweise sollen die US-Soldaten vom Hindukusch abgezogen werdenBild: AP

Interessant für die weitere Diskussion über die Truppenstärke in Afghanistan und die richtige Anti-Terrorismusstrategie sei in diesem Zusammenhang auch, so Rose, wo die Informationen über den Aufenthaltsort Bin Ladens hergekommen sind: "Wenn sich herausstellt, dass die Informationen nicht im Zusammenhang mit der größeren Truppenstärke stehen, dann spricht das für den Ansatz, weniger Truppen im Land zu lassen." Wenn das Aufspüren des Top-Terroristen aber die Folge des größeren Truppeneinsatzes ist, dann sei diese kontroverse Debatte damit nicht beendet, so Rose.

Vize-Präsident Joe Biden ist einer der Vertreter des sogenannten kleinen "Fußabdrucks" durch das US-Militär und eines verstärkten Einsatzes beispielsweise von unbemannten Drohnen. Präsident Obama hat die Zahl der Soldaten in Afghanistan verdreifacht. Seinem Vorgänger George W. Bush hatte er vorgeworfen, über den Krieg im Irak den eigentlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 aus den Augen gelassen zu haben.

Derzeit wird in der Tat in Washington diskutiert, wie die amerikanische Präsenz in Afghanistan nach 2014 aussehen soll, erklärte die Afghanistan-Expertin Vanda Felbab-Brown der Deutschen Welle. Der Sondergesandte der US-Regierung, Marc Grossmann, sei vor kurzem in Afghanistan gewesen, um das mit der dortigen Regierung auszuhandeln, sagte sie. Es hänge alles von der Lage im Land ab. Bei einem Totalabzug der Amerikaner drohe ein Bürgerkrieg, wenn die afghanischen Sicherheitskräfte die Sicherheit nicht garantieren könnten. Daher würde es sie "sehr wundern, wenn es 2014 zu einem Totalabzug kommt".

Viele Fragen an Pakistan

Doch die Aktion der Amerikaner nur gut 50 Kilometer nördlich von Islamabad rückt, auch darin sind sich alle Experten einig, die Beziehungen zwischen den USA und Pakistan in das Zentrum der Afghanistan-Politik Washingtons. Schließlich haben die Amerikaner die Aktion auf dem Staatsgebiet Pakistans durchgeführt, ohne die Pakistanis vorher zu informieren. Zu groß war offensichtlich die Angst, dass etwas durchsickert.

Die Pakistanis sind nun in Erklärungsnöten: Entweder sie haben von dem Aufenthalt Bin Ladens gewusst, dann war das Misstrauen der Amerikaner gerechtfertigt und zeigt die tiefe Kluft zwischen beiden Nationen auf. Oder sie hatten tatsächlich keine Ahnung, dass der Top-Terrorist direkt unter ihrer Nase untergeschlüpft ist, was ebenfalls ein schlechtes Licht auf ihre Fähigkeit als Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus wirft.

Verhältnis zu den USA

Michael Werz vom Center for American Progress erklärt, es sei zu hoffen, dass man in Pakistan durch diese Situation erkennt, dass die Unterstützung von Terroristen international nicht vertretbar sei, und eine andere Politik einschlägt, die das Land stabilisiert. "Sollte das nicht der Fall sein", so Werz, "wird eine Diskussion stärker werden, die in den vergangenen Tagen schon sehr deutlich zum Ausdruck gekommen ist, nämlich die Frage: Bedeuten die Probleme mit Pakistan, dass sich die USA stärker an Indien binden sollen?"

Die Tatsache, dass Pakistan und China ein sehr enges Verhältnis hätten, treffe auch häufig auf Unverständnis. Sein Schluss: Es ist "eine größere strategische Fragestellung, die ansteht, sollte sich das US-pakistanische Verhältnis nicht stabilisieren lassen".

Und auch Präsident Obamas oberster Terrorismusberater John Brennan spielte auf Pakistan an, als er am Nachmittag erklärte, warum der Tod Bin Ladens ein entscheidender Wendepunkt ist: "Wir werden die Gelegenheit nutzen, der pakistanischen Bevölkerung und den Menschen in der Gegend zu beweisen, dass Al Kaida der Vergangenheit angehört und dass wir hoffen, den Rest von Al Kaida genauso zu begraben wie Bin Laden."

Autorin: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Thomas Grimmer