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Welche Wahl?

Daniel Scheschkewitz, Washington8. August 2002

"Wahl? Klar, am fünften November.“ Zum Stichwort Wahl fällt den Amerikanern nicht der Kampf ums Kanzleramt, sondern die bevorstehende Kongresswahl ein.

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Deutschland ist weit weg: Milwaukee Avenue in ChicagoBild: AP

Amerika kreist um sich selbst, so hat es den Anschein. Denn bis jetzt ist die Bundestagswahl für die US-Medien kaum ein Thema. Das wäre nicht weiter verwunderlich. Schließlich stehen in den USA ebenfalls Wahlen bevor. Im November entscheiden die Amerikaner über die Zusammensetzung ihres Kongresses. Aber auch ohne die Wahlen im eigenen Land ist das Interesse an der Bundestagswahl gering. Dabei ist es keineswegs so, als interessiere man sich nicht für Deutschland. Über das Erfurter Schulmassaker und den Abgang von Telekomchef Ron Sommer wurde auch in den USA ausführlich berichtet.

Warum waren das Themen, der Bundestagswahlkampf aber bislang nicht? Nun, beides hat mit der inneren Verfassung der USA zu tun. Schulmassaker waren vor Erfurt vor allem ein amerikanisches Phänomen. Und der erzwungene Rücktritt von Telekomchef Ron Sommer war für die Amerikaner ein Lehrstück, wie man anderswo mit erfolglosen Managern umgeht, die das Aktienportfolio von Kleinanlegern in den Sand gesetzt haben. Das interessiert auch die börsengeschädigten Amerikaner.

Ein Bayer in Ostdeutschland

Der Bundestagswahlkampf dagegen hat bislang wenig mit den USA zu tun. Erstens wird er nicht von der Außenpolitik beherrscht, auch wenn sich das schnell ändern könnte, sollte der Irak doch noch zum Hauptthema des deutschen Wahlkampfes werden. Und zweitens ist er kompliziert zu vermitteln. Ein bayerischer Kanzlerkandidat, der im Osten um Stimmen kämpfen muss und die Vielzahl der antretenden Parteien, die auch noch in verschiedenen Koalitionen miteinander regieren können. Erklären Sie mal einem durchschnittlich gebildeten Amerikaner was eine große Koalition ist!

Hinzu kommt, dass man in der US-Politik mit allen wahrscheinlichen Ausgangsszenarien der Wahl gut leben kann. Kein anderer westlicher Regierunsgchef war seit dem 11. September so oft im Weißen Haus zu Gast wie Bundeskanzler Gerhard Schröder. Sein Herausforderer Edmund Stoiber hat sich ebenfalls bei Präsident George W. Bush vorgestellt und gilt, wie alle Unionskandidaten vor ihm, als zuverlässiger Partner der Vereinigten Staaten. Auch deshalb ist das Interesse begrenzt.

Zeitungsleser wissen mehr

Wenn der deutsche Wähler dann doch einmal ins Visier der amerikanischen Medien gerät, ist es ausschliesslich in der sogenannten Qualitätspresse. Die "New York Times" berichtete unlängst über die umstrittene Entscheidung Stoibers, die unverheiratete Ostdeutsche Katherina Reiche als potentielle Familienministerin in sein Wahlkampfteam zu holen.

Die "Washington Post" informierte ihre Leser über die Wahlkampfauftritte Stoibers im Osten. Der Tenor der Veröffentlichung: der konservativ-bayerische Katholik Stoiber hat Mühe die protestantischen Ostdeutschen von sich zu überzeugen, selbst wenn ihre wirtschaftliche Lage nach wie vor miserabel ist.

Radiohörer kennen den Wahlausgang

Und NPR - das hervorragende Netzwerk öffentlicher Radiostationen in den USA - brachte Ende Juli einen Bericht ihres Deutschlandkorrespondenten. Danach könnten sich sozialdemokratische Wähler am 22. September den Urnengang ruhig sparen. Für NPR hat Schröder die Wahl nämlich schon verloren.