1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Welches Europa soll's denn sein?

Peter Stützle25. Oktober 2012

Ein Deutscher, ein Brite und ein Finne reden über Europas Zukunft. Der Auftritt von drei Außenministern in Berlin zeigte, dass eine Einigung über die richtigen Folgerungen aus der Krise nicht ganz leicht wird.

https://p.dw.com/p/16VSO
Die Aussenminister Hague, Westerwelle und Stubb unterhalten sich zu Beginn der Konferenz. (Foto: Clemens Bilan/dapd)
Bild: dapd

Die Europäische Union habe den Nobelpreis gewonnen und, so hebt der britische Außenminister William Hague hervor, "die EU ist viel mehr als die Eurozone". Der nämlich gehört Großbritannien nicht an, will es auch gar nicht. "Die wichtigsten Errungenschaften der EU, die auch den meisten Nutzen für Europas Völker bringen, sind die Schaffung des Binnenmarktes und die Erweiterung der Europäischen Union." Für den Konservativen ist es natürlich auch vordringlich, die "Eurozone crisis", wie er die Eurokrise nicht ohne Bedacht nennt, zu lösen. Seine Folgerungen daraus aber sind ganz andere als die der deutschen Bundesregierung.

Deren Vorstellungen hatte Außenminister Guido Westerwelle zum Auftakt des von der privaten Koerber-Stiftung veranstalteten "Berliner Forums Außenpolitik" vorgetragen. 260 Teilnehmer aus mehr als 50 Ländern lauschten und diskutierten auf der Veranstaltung, auf der es auch um zahlreiche andere Fragen ging, am intensivsten aber um Europas Zukunft und seine Rolle in der Welt.

Der Deutsche will weitreichende Reformen

Für Westerwelle "sind wir mitten in einer Prägephase Europas". Noch immer seien es Krisen gewesen, die zu einer Weiterentwicklung der europäischen Einigung geführt hätten, erläutert der Liberale an einigen Beispielen. Jetzt sei es "Zeit, das zu tun, was in der Gründungsphase der Wirtschafts- und Währungsunion nicht möglich war", nämlich sie durch eine engere Zusammenarbeit in der Finanz-, Fiskal- und Wirtschaftspolitik zu ergänzen. Das erfordere aber auch mehr Mitsprache der "Bürger Europas", denn: "Ein Europa ohne volle demokratische Legitimation wäre auf Sand gebaut."

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle am Rednerpult. (Foto: Clemens Bilan/dapd)
Außenminister Guido Westerwelle will ein "besseres Europa"Bild: dapd

Es gehe aber, nimmt der Deutsche schon die Kritik seines britischen Kollegen vorweg, "nicht um ein simples mehr Europa, sondern um ein besseres Europa". Man müsse die Subsidiarität wiederbeleben, also die Zuständigkeit der unteren politischen Ebene für alles, was nicht unbedingt oben geregelt werden muss. Das "darf nicht verwechselt werden mit Re-Nationalisierung", sagte Westerwelle. Aber es sei nicht einzusehen, warum etwa über die Einführung von Frauenquoten in der Unternehmensführung nicht jedes Land für sich entscheiden kann.

Der Brite will mehr vom Gleichen

Für Hague dagegen ist es gerade nicht die Lehre aus der Krise, die europäische Integration auf weitere Politikbereiche auszudehnen. Vielmehr müsse man sicherstellen, dass die Krisenbewältigung in der Eurozone "nicht den Zusammenhalt und die Errungenschaften der EU als Ganzes gefährdet". Der Europäische Binnenmarkt, der größte Markt der Welt, müsse zu noch mehr wirtschaftlicher Freiheit ausgebaut werden. Europas Austausch mit der Welt müsse intensiviert werden, etwa durch ein Freihandelsabkommen mit den USA.

Großbritanniens Außenminister William Hague am Rednerpult. (Foto: Rainer Jensen/dpa)
Sieht in Europa vornehmlich einen Wirtschaftsraum: der britische Außenminister William HagueBild: picture-alliance/dpa

Auch die zweite wichtige Errungenschaft, die Erweiterung, ist für Hague noch längst nicht abgeschlossen. Es sei im gemeinsamen strategischen Interesse, dass die Türkei auf dem europäischen Pfad bleibt. Und Länder wie Moldawien, die Ukraine und Weißrussland seien ohnehin europäische Nationen. Warum nicht auch Russland, bleibt offen.

Seinem Vorredner Westerwelle stimmt Hague da zu, wo es um die Rückverlagerung mancher Zuständigkeit auf die nationale Ebene geht. Weniger sei manchmal mehr. Die Stärkung der demokratischen Legitimation bedeutet für ihn, den nationalen Parlamenten mehr Mitsprache in europäischen Dingen zu geben; das Europaparlament erwähnt er nicht einmal.

Der Finne fürchte ein Auseinanderdriften

Dem finnischen Außenminister Alexander Stubb ist bei beiden Vorrednern nicht ganz wohl. In der Eurokrise steht Finnland auf der gleichen Seite wie Deutschland, lehnt eine gemeinsame Schuldenhaftung ab. Optimistisch prophezeit er: "Das Schlimmste an der Krise ist vorbei, wenn wir in den nächsten acht Wochen die richtigen Entscheidungen treffen." Auch er sieht eine tiefere Integration als die richtige Lehre aus der Krise, mit einer Bankenunion als erstem Schritt.

Finnlands Außenminister Alexander Stubb am Rednerpult. (Foto: Rainer Jensen/dpa)
Finnlands Außenminister Alexander Stubb lehnt eine Änderung der Europäischen Verträge abBild: picture-alliance/dpa

Allerdings lehnt der finnische Konservative die Änderung der Europäischen Verträge ab, die Deutschland mit dem Ziel stärkerer europäischer Institutionen anstrebt. Er sei "besorgt, dass manche in Europa eine Spaltung zwischen Euro- und Nicht-Euro-Ländern anstreben". Alle EU-Länder außer Großbritannien und Dänemark wollten schließlich den Euro. Und Großbritannien sei ein "unverzichtbarer Partner in einem starken, freien Binnenmarkt. Wenn Großbritannien an den Rand gerät oder an den Rand gedrängt wird, schwächt das diese Rolle." Diese Gefahr sieht er bei einer Änderung der europäischen Verträge.

Stubb schließt deshalb mit einem Appell an seine beiden Kollegen: "William, bitte mach mit bei der Bankenunion, bleib’ nicht am Zaun sitzen. Guido, bitte öffne nicht den institutionellen Rahmen." Westerwelle bleibt in der anschließenden Diskussion mit dem Publikum dennoch dabei: Die Krise habe Schwächen der Institutionen offenbart. Die Gelegenheit, diese zu beseitigen, dürfe man nicht verpassen.

Regierungswechsel dürfte deutsche Haltung kaum ändern

Dass sich an dieser Haltung auch bei einem Regierungswechsel im nächsten Jahr nichts Grundsätzliches ändern dürfte, macht der designierte sozialdemokratische Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bei einem späteren Programmpunkt klar. In dieser Runde geht es, unter Beteiligung von Experten aus China, Indien und Australien, um die Asien-Pazifik-Region. Die diversen Konflikte in dieser Region führen zu teilweise scharfen Kontroversen. Da empfiehlt Steinbrück Europa als Modell, wie historisch gewachsene Streitfragen aus dem Weg geräumt werden können. Auch für ihn ist Europa sehr viel mehr als ein starker Binnenmarkt.