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Generationenkampf

Oliver Samson25. Januar 2007

Nach einem rauen Wahlkampf wählt die UEFA ihren neuen Präsidenten. Amtsinhaber Johansson und Kandidat Platini trennt sehr viel. Verbunden sind sie aber durch eine innige Abneigung.

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Gute Mienen: Platini (links) und Johansson
Gute Mienen: Platini (links) und JohanssonBild: AP
Lichtgestalt: Franz Beckenbauer
Lichtgestalt: Franz BeckenbauerBild: AP

Der entscheidende Mann ist mal wieder Franz Beckenbauer. Weil er nicht zur Wahl als Präsident der Europäischen Fußballkonföderation UEFA steht. Amtsinhaber Lennart Johansson hatte eigentlich schon längst sein Erbe geregelt und den Kaiser Franz als seinen Nachfolger aufgebaut. Im Juli 2006 überlegte es sich Beckenbauer aber anders. Weil der Posten des UEFA-Präsidenten einen Ehrenamt ist und nicht mit der Vielzahl von Beckenbauers Werbeauftritten vereinbar, wie gemunkelt wird. Johansson, seit 1990 im Amt, sah sich gezwungen, wieder zu kandidieren. Denn eines will der Schwede auf jeden Fall verhindern: Dass auf dem Kongress der UEFA in Düsseldorf am Freitag (26.1.) der Herausforderer Michel Platini gewinnt.

"Flüchte in eine Kloster"

Der ehemalige Weltklassefußballer, eine Art französischer Beckenbauer, hatte seine Ambitionen schon vor Jahren öffentlich gemacht. Platini und Johansson sind sich aber in inniger Abneigung verbunden, die sich bei dem von Skandalen und Bestechungsversuchen überschatteten Präsidentschaftskampf des Fußballweltverband FIFA zwischen Johansson und Sepp Blatter 1998 manifestierte. Platini hatte sich früh als Wahlhelfer seines Förderers Blatters in Stellung gebracht. Die Aussicht auf einen Wahlsieg Johanssons kommentierte der Franzose damals folgendermaßen: "Dann flüchte ich in ein Kloster, um das Massaker nicht mit ansehen zu müssen." Blatter gewann und der getreue Wahlhelfer Platini sollte als Dankeschön der Posten eines technischen Direktors der FIFA zugeschoben bekommen. Johansson wusste dies zu verhindern. Mit den überlieferten Sätzen, wonach es "200 Leute auf der Welt" gäbe, die für diesen Job sehr gut geeignet wären, nicht aber Platini. "Er ist ein netter Mensch, seine Eignung sehe ich nicht", sagte Johansson. "Aber vielleicht hat er ja Talente, die ich nicht kenne."

Michel Platini bei der WM 1986 in Mexiko
Michel Platini bei der WM 1986 in MexikoBild: AP

Ein Talent, vor dem sich Johansson besser fürchten sollte, besteht darin, Stimmen zu sammeln. Nach dem Wahlmodus der UEFA hat jedes Land eine Stimme, Deutschland als mitgliedsreichster Verband zählt genauso viel wie Andorra oder Moldawien. Nach Blatterschem Vorbild ist Platini nun schon seit Jahren regelmäßig auf Wahlkampftour durch die notorisch klammen Klein-Verbänden Osteuropas und verteilt in Aserbaidschan, Lettland oder Kasachstan Gelder des UEFA-Entwicklungsprogramms. Wie Blatter setzt Platini neben strategisch eingesetzten Geldern auf Emotionen, auf Begriffe wie Fußballfamilie, Solidarität, Chancengleichheit. Die Zahl der Champions-League-Starter aus einem Land will er auf drei beschränken. "Ich bin ein Romantiker des Fußballs", sagt Platini oft.

Hoffnung für Andorra

Johansson gilt dagegen als ehrlich, treu und integer. Er kann darauf verwiesen, die UEFA unter seine Ägide zu einem steinreichen Unternehmen gemacht zu haben. Champions League und Europameisterschaft spülen Milliarden in die Kassen. Noch in der Woche vor der Wahl konnte Johannson jedem Mitglied rund 370.000 Euro per annum versprechen, ein Drittel mehr als bisher. Gerade für die kleinen Verbände ist dies viel Geld. Platinis Strategie konterte er mit dem Wahlversprechen, die teilnehmenden Mannschaften bei Europameisterschaften ab 2012 von 16 auf 24 zu erhöhen. Fast die Hälfte der 52 Mitgliedstaaten wären dann dabei. Auch Andorra und Moldawien dürften hoffen. Der Trick ist nicht neu und durchaus Erfolg versprechend: Alt-Fifa-Präsident Joao Havelange gewann 1974 die Wahl, weil er die Zahl der WM-Teilnehmer von 16 auf 24 erhöhte und 1994 hielt er sich dank der Aufstockung auf 32 im Amt.

Fußball FIFA Michel Platini und Joseph Sepp Blatter
Blatter mit seinem KnappenBild: AP

Die offene Unterstützung von FIFA-Präsident Blatter ist seinem Knappen Platini sicher. "Ich hätte lieber einen Fußballer. Als Fußballer, weiß ich, wann meine Zeit abgelaufen ist", sagt Blatter, 70, mit Hinweis auf Johansson, 77. Das Alter des Schweden ist eine der tragenden Säulen in Platinis Wahlkampf. Der Franzose, 51, gibt den angriffslustigen jugendlichen Generationskämpfer. Er fordert eine Altersbeschränkung für Funktionäre und empfiehlt Johansson regelmäßig den Ruhestand und die Konzentration auf seine liebstes Hobby, das Angeln. "Es liegt an den Verbänden, ob sie jemanden wählen wollen, der für die Zukunft steht, oder jemand, der die Vergangenheit repräsentiert", sagt Platini.

Deutsche Dankbarkeit

Der deutsche Fußballverband hat sich schon lange festgelegt. "Es hat nie einen besseren Präsidenten der UEFA gegeben", sagt Beckenbauer. Zudem befürwortete Johansson maßgeblich die deutsche WM-Bewerbung 2006, der DFB dankt für das Sommermärchen mit seiner Stimme.

Kurz vor der geheimen Wahl von Düsseldorf geben sich beide Kontrahenten siegessicher. Platini spielt alles oder nichts: Falls er verliert, wird er auch aus der UEFA-Exekutive ausscheiden. Der Ausgang der Wahl gilt als völlig offen. Ganz im Gegensatz zu der Beckenbauers. Der wurde vom DFB für den vierten europäischen Platz in der FIFA-Exekutive nominiert. Die Wahl gilt als Formsache.