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Weltmeisterschaft total in Europas Haupstadt

Bernd Riegert, Brüssel6. Juli 2006

Es ist schwül und drückend heiß in diesen finalen Tagen der Fußball-WM, tagsüber verkriechen sich die EU-Beamten in ihren klimatisierten Büros, aber abends geht eine seltsame Wandlung vor.

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Krawatten runter, Trikots überstreifen, raus ins Freie, Bierdosen öffnen, schwitzen, fiebern. Und jeden Abend ist Autokorso, denn in der internationalen Europametropole Brüssel gibt es Fangruppen für jede Mannschaft, die bei der WM mitmischt.

Überraschte Ureinwohner

Die belgischen Ureinwohner, deren Team sich nicht qualifiziert hat, reiben sich verwundert die Augen, wenn das sonst so verschlafene Europa-Viertel sich Abend für Abend in ein Fahnenmeer verwandelt. Dienstag (4.7.2006) feierten Tausende Italiener, Mittwoch hupten Tausende Franzosen durch die Nacht. Auf der Place de Luxembourg sammelten sich zum improvisierten Public Viewing auf viel zu kleinen Fernsehern Hunderte deutsche Schlachtenbummler. "So viele Deutsche auf einem Haufen und deutsche Flaggen waren zum letzten Mal bei der Besetzung Belgiens hier", grummelte ein Alteingesessener.

Wilde Fahrt

Aber alles blieb friedlich, selbst als die italienischen Fans nach dem Sieg der Squaddra Azzura völlig aus dem Häuschen gerieten. In wilder Fahrt jagten die Kleinwagen um das große Denkmal auf dem Platz vor dem Europäischen Parlament. "Das Einzige, was hier fehlt, ist ein ordentlicher Brunnen, in den wir reinspringen könnten", brüllte Francesco, ein 22-jähriger Praktikant aus Rom.

Eher langweilige Themen

Etwas gedrückt war die Stimmung beim portugiesischen EU-Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso, der sich einige der Spiele seiner Nationalmannschaft in Deutschland angeschaut hatte. Offiziell äußert sich die Kommission als Hüterin des europäischen Gemeinschaftsgefühls natürlich nicht zur WM, sondern eher zu langweiligen Themen wie Iran, Nordkorea, Fischerei oder Subventionen.

Im Europäischen Parlament hat man auf die Fußballfans wenig Rücksicht genommen. Debatten fanden auch nachmittags und abends während der Spiele statt - vor Rängen, die noch leerer waren als sonst.

Keine Chance für Finnland

In der Aussprache über das Programm der finnischen Ratspräsidentschaft meinte Premierminister Matti Vanhanen. Es sei ja schön, dass die besten vier Mannschaften allesamt aus Europa stammen. Das müsse Ansporn sein, dass Europa auch beim weltweiten Wirtschaftswettbewerb wieder Spitze wird. "Wir müssen auch beim Wachstum Weltmeister werden", so Vanhanen. Der finnische Abgeordnete Alexander Stubb ließ sich gar zu der These hinreißen, dass die Nationen, die in Europa das schlechteste Wirtschaftswachstum und die höchsten Staatsdefizite haben, die besten Fußballmannschaften hervorbrächten. (Hä?) Danach kann es nur einen Weltmeister geben: Italien. Und Finnland, das Musterländle hat nie, nie, nie eine Chance.