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Weltverantwortung

19. Mai 2012

Von Pater Gerhard Eberts, Augsburg

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Pater Gerhard Eberts MSF (Missionar von der Heiligen Familie), Augsburg
Pater Gerhard Eberts MSF, (Missionar von der Heiligen Familie), AugsburgBild: Gerhard Eberts

Eine Legende erzählt: Als Jesus zum Himmel auffuhr, begleiteten ihn Engel. Die Engel fragten ihn: Wie soll das mit deinem Werk auf Erden weitergehen, wenn du jetzt im Himmel bist?“ Jesus antwortete: „Ich habe mein Werk meinen Jüngern anvertraut.“ „Und wenn das schief geht – mit deinen Jüngern? Welchen Plan hast du dann?“ „Ich habe keinen anderen Plan.“

Jesus hat keinen anderen Plan, als dass seine Jünger und Jüngerinnen sein Werk fortsetzen. Im Johannesevangelium betet Jesus zu Gott, dem Vater: „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe ich sie in die Welt gesandt“. Seinen Jünger gibt er ausdrücklich den Auftrag: „Geht in alle Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.“

Die Welt, in die Jesus seine Jünger und Jüngerinnen sendet, was ist darunter zu verstehen? Die Umwelt? Die Lebenswelt der Menschen? Man spricht auf der einen Seite von Weltverliebtheit, und auf der anderen Seite von Weltflucht. Wir erleben es, dass Menschen ihre eigene Welt erträumen oder erzwingen wollen und wir kennen Menschen, für die eine Welt zusammenbricht. Jesus, der seine Jünger und Jüngerinnen in die Welt sendet, sagt im gleichem Atemzug: „Sie sind nicht von der Welt.“

Die „Welt“ ist Gottes gute Schöpfung, ist der blaue Planet, die Erde. Und zugleich ist diese Welt nicht nur von Glück und Frieden geprägt, sondern auch von Gewalt, Unterdrückung, Hunger und Krieg. Wie sollen wir mit diesen Widersprüchlichkeiten umgehen?

Um die Polarität zu verstehen zwischen guter und böser Welt lohnt es sich, bis an den großen Schöpfungstext am Anfang der Bibel zurückzugehen. Dieser Text von der Erschaffung der Erde, der Pflanzen und Tiere und schließlich des Menschen lässt sozusagen die ganze Welt vor unserem Auge Revue passieren: diese wunderbare Welt in ihrer Vielfalt. Ein Geschenk des Schöpfers, der uns Leben und Lebensfreude gönnt.

Doch auf den Schöpfungshymnus in den beiden ersten Kapiteln der Bibel folgt mit hartem Schnitt die Erzählung vom Paradies und Sündenfall. Jetzt sind plötzlich ganz andere Töne zu hören: Nicht mehr den Jubel über die Kostbarkeiten der Welt, sondern die Klage über ihre Verlorenheit. Die Mühsal und die Enttäuschung des Lebens klingen an, all die Plackerei und all die Vergeblichkeit, und der Tod, der alles Leben grausam beendet, der scheinbar alle Sinnerfahrung zunichtemacht. Von menschlicher Schuld ist die Rede, von ihrer entfremdenden, zerstörenden Macht. Zu dieser „Welt“ so sagt Jesus, sollen seinen Jüngerinnen und Jünger nicht gehören. Sie sollen aus dieser dunklen und gewalttätigen Welt gerettet werden.

Diese Rettung kommt durch Jesus von Nazareth. In ihm wird Gott Mensch, begibt sich Gott mitten in die leidvolle Geschichte der Menschen. Durch Jesus wird die Welt zu einem Ort, an dem Gott durch Jesu Tod und seine Auferstehung Menschen ihre Würde zurückgibt und ihnen ewiges Leben schenkt.

Dieser Weg Jesu prägt die Weltanschauung der Christen. Christen werden sich nicht der Welt gleichförmig machen. Aber noch viel weniger werden sie resignieren gegenüber der Welt der Finsternis und des Hasses. So gesehen, ist weder Weltverachtung noch Weltverliebtheit erlaubt. Christen sind berufen, diese Welt zu gestalten. Sie fühlen sich dabei solidarisch mit Menschen aus anderen Kulturen und Religionen, denen die Sorge für eine gerechte, menschenwürdige und friedfertige Welt ebenso eine Herzensangelegenheit ist.

In den Tagen zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten beten Christen weltweit um das Kommen des Heiligen Geistes. Er ist es, der nach den Worten der Bibel aus der noch ungeordneten Welt, dem „Tohuwabohu“, Gottes guter Schöpfung machte. Es ist der Geist durch den Gottes Sohn Mensch und durch den Jesus von den Toten auferweckt wurde. Dieser Heilige Geist wird Jüngerinnen und Jüngern Jesu geschenkt, damit sie an die Schöpfung Gottes bewahren und weiterbauen.

„Sende aus deinen Geist“, so heißt es in einem alten Gebet, „und das Antlitz der Erde wird erneuert.“ Gemeint ist damit die ganze globale Welt, auch der kleine Kosmos jedes Einzelnen. Oder wie es in einem rhythmisches Jugendlied heißt: „Erneuere die Welt - und fange bei mir an.“

Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Frau Dr. Silvia Becker.