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Autoren hinter Gittern

16. Oktober 2009

Das deutsche PEN-Zentrum hat auf das Schicksal verfolgter Journalisten und Schriftsteller aufmerksam gemacht – das große Thema Menschenrechte auf der Buchmesse in Frankfurt betrifft nicht nur China.

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Symbolbild PEN
"Writers in Prison" kümmert sich um die Belange inhaftierter JournalistenBild: AP

Elf Jahre Haft für den iranischen Filmkritiker Siamak Pourzand. 20 Jahre Gefängnis für den kubanischen Journalisten Acosta Herrero. 10 Jahre für den Dichter Tao Shi aus China. Der russische Journalist Vladimir Chugunov wird seit Jahren zwischen Gefängnissen und psychiatrischen Kliniken hin- und hergeschoben.

Die Liste bedrohter und verfolgter Autoren, die der deutsche PEN auf der Frankfurter Buchmesse vorgelegt hat, ist lang. "Über alle Kontinente geht ein Sturm der Verfolgung, der Unterdrückung, der Einkerkerung und der Ermordnung von Journalisten und Schriftstellern", sagt Dirk Sager vom PEN-Präsidium.

Drakonische Strafen

Fahrende Bücherei (Foto: Irani)
Nicht jedes Buch ist im Iran so einfach zu bekommen wie bei dieser fahrenden BüchereiBild: Irani

Allein im ersten Halbjahr 2009 registriert der deutsche PEN 644 solcher Fälle in 98 Staaten. 22 Schriftsteller, Journalisten oder Herausgeber wurden ermordet, weil sie von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht haben. Eine "Statistik des Grauens" heißt es im Bericht "Writers in Prison".

Die Vorwürfe, die in autoritär oder diktatorisch geführten Staaten gegen kritische Autoren erhoben werden, ähneln sich: "Unterminierung der staatlichen Sicherheit", "Diffamierung der Regierung", "Verbreitung von Gerüchten", "Weitergabe von Staatsgeheimnissen", Terrorismus. Die Beschuldigten werden vorgeladen und verhört, Schuldbekenntnisse oder so genannte Selbstbezichtigungen werden erpresst, drakonische Strafen verhängt.

Öffentlichkeit für die Opfer

Bild von Tao Shi (Foto: AP)
Demonstranten fordern in Berlin die Freilassung des Dichters Tao ShiBild: AP

Das besondere Augenmerk des PEN richtet sich in diesem Jahr auf China, das Partnerland der Buchmesse. Dort gebe es keine Anzeichen für eine Wende zum Besseren, heißt es im Bericht "Writers in Prison". Im Gegenteil: Hinter den glänzenden staatlichen Fassaden öffne sich - so wörtlich - "ein Abgrund von Willkür und Grausamkeit". Die Regierenden in Peking, so die Stellungnahme des PEN, instrumentalisierten den Buchmessen-Auftritt für ihre Ziele. In den Respekt für Kultur und Geschichte Chinas mische sich Befremden über ein Land, das die Menschenrechte, die Meinungs- und Informationsfreiheit weithin missachte.

Aber auch der Iran steht im Mittelpunkt des Interesses. Dort seien, so Dirk Sager, fast 80 Menschen bei den Demonstrationen im Sommer umgekommen, tausende seien eingekerkert, darunter auch Schriftsteller und Journalisten. "Wir sind bestürzt, über das was da passiert", erklärt Sager.

Bestürzt zeigt sich der PEN auch über die nicht enden wollenden Journalistenmorde in Russland. Über katastrophale Haftbedingungen in kubanischen Gefängnissen. Über Rauschgiftkriminalität und kriminelle Wirtschaftsstrukturen in Mexiko und anderen lateinamerikanischen Staaten, auch dort zählten Journalisten zu den Opfern. Das PEN-Zentrum will all dies öffentlich machen. "Furchtbar ist es für den, der im Gefängnis gequält wird, aber noch furchtbarer ist diese Tortur, wenn der Betreffende in Vergessenheit gerät. Wir wollen die Opfer in der Diskussion halten", so Dirk Sager.

Writers in Exile

Logo Writers in Prison
"Writers in Prison" will die Leiden der Autoren öffentlich machen

Das PEN-Zentrum in Deutschland leistet auch praktische Hilfe. Jeweils sechs Verfolgten und ihren Familien bietet es - im Rahmen des von der Bundesregierung großzügig finanzierten Programms "Writers in Exile" - eine Wohnung und ein Stipendium an. Sie können hier ein Jahr lang frei von materieller Not und Verfolgung leben, lernen und schreiben. Sofern ihre Gesundheit ihnen dies erlaubt. Die Verfolgten, die in Deutschland ankommen, sind schwer traumatisiert. "Sie haben schreckliche Dinge erlebt: Anonyme Anrufe, das ist so das Harmloseste. Prügel. Drohbriefe. Druckverbote. Haft und Folter."

Eine psychologische Betreuung der traumatisierten Stipendiaten ist in Deutschland im Rahmen der für sie geltenden Krankenversicherung freilich nicht vorgesehen - völlig unverständlich, wie die Verantwortlichen des PEN erklären. Und schließlich: Für die allermeisten Verfolgten ist eine Rückkehr in die Heimatländer nicht möglich. Sie müssen daher in Deutschland Anträge auf Asyl oder auf Einbürgerung stellen, oft eine strapaziöse Geduldsprobe. Die Wohnungen aber müssen frei gemacht werden für neue Stipendiaten, die Mühlen der deutschen Behörden indes mahlen langsam.

Autorin: Cornelia Rabitz
Redaktion: Sarah Mersch