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Weltwirtschaftsmotor Indien

Karl Zawadzky, zurzeit Washington24. September 2005

Die indische Wirtschaft wächst und wächst. Mehr noch: Nach Auffassung des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat Indien die Chance, zu einem Wachstumsmotor für die Weltwirtschaft zu werden.

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Vorteil Arbeitskräfte: Call-Center in BangaloreBild: dpa

Bedingung dafür ist, dass die Öffnung der Wirtschaft beschleunigt wird und auf dem indischen Markt Reformen vorgenommen werden. Für das laufende Jahr stellte IWF-Volkswirt Raghuram Rajan bei der Vorlage des World Economic Outlook Ende September 2005 in Washington ein Wachstum der indischen Wirtschaft von 7,1 Prozent fest, für das kommende Jahr prognostizierte er ein Wachstum von 6,3 Prozent.

Millionen Inder neu auf dem Arbeitsmarkt

Eine dynamische und offene Wirtschaft Indiens hätte nach Auffassung des Internationalen Währungsfonds einen wichtigen Einfluss auf die Weltwirtschaft. Im World Economic Outlook zeigt sich der IWF optimistisch, dass in Indien die Chancen der Globalisierung genutzt und die dafür nötigen Reformen vorgenommen werden. Würden die Rahmenbedingungen richtig gesetzt, werde Indien erheblichen Nutzen daraus ziehen, dass es als eine von wenigen großen Volkswirtschaften für die nächsten 40 Jahre über ein wachsendes Angebot an Arbeitskräften verfügt. Allein im nächsten Jahrzehnt werden zwischen 75 und 110 Millionen Inder zusätzlich auf den Arbeitsmarkt kommen. Das schafft bei den richtigen Rahmenbedingungen einen Zuwachs an Einkommen und Investitionen, allerdings auch durch eine Zunahme der Industrialisierung und Motorisierung eine wachsende Nachfrage an Energie. Dabei ist Indien schon heute der siebtgrößte Importeur an Erdöl.

Vor allem aber ist Indien seit Beginn der 1990er Jahre eine der weltweit am stärksten wachsenden Volkswirtschaften. Vor diesem Hintergrund sieht der Währungsfonds gute Chancen, dass Indien zu einem der Wachstumsmotoren der Weltwirtschaft wird. In Asien spielt Indien bereits eine wichtige Rolle. Zum Beispiel erwirtschaftet das Land bereits ein Fünftel des Zuwachses an Wirtschaftsleistung; der Beitrag zum weltweiten Wirtschaftswachstum beläuft sich auf zehn Prozent. Allerdings gehen von China 53 Prozent des Wirtschaftswachstums in Asien und 28 Prozent des Zuwachses an weltweiter Wirtschaftsleistung aus.

Wachstum mit Shakespeare

Der Abstand zwischen China und Indien ist groß. Aber die Chancen Indiens sind ebenfalls groß, beim Wirtschaftswachstum erheblich zuzulegen. "Um das Wirtschaftswachstum fortzusetzen oder noch zu verstärken, bedarf es weiterer Reformen", erklärt IWF-Chefvolkswirt Rajan. Dabei habe die Regierung den dafür nötigen Konsens nicht gebildet und die Schritte hin zu einer Haushaltskonsolidierung hätten populistischen Botschaften Raum gegeben. Aber: "Da ist eine Strömung, wie Shakespeare geschrieben hat, die die Zukunft eröffnet. Indien sollte es sich nicht leisten, diese Strömung zu verpassen."

Indien hat die Chance, bei der wirtschaftlichen Wachstumsrate zu China aufzuschließen. Dass dies bislang nicht gelungen ist, führt der Währungsfonds auf die gegenüber dem Ausland vergleichsweise geschlossene Wirtschaft zurück. So steuert Indien nur 2,5 Prozent zum Welthandel mit Waren und Dienstleistungen bei, China dagegen 10,5 Prozent und die übrigen Schwellenländer in Asien zusammen 9,3 Prozent. Indien hat hohen Nachholbedarf bei der Integration in die Weltwirtschaft und ein hervorragendes Potenzial, um aus dieser Integration Nutzen zu ziehen.

Weg mit den Zöllen

Nötig dafür ist nach Meinung des Währungsfonds eine Verringerung der Importzölle und der versteckten Handelshemmnisse. Ebenso sollte das indische Arbeitsrecht in der Industrie flexibilisiert werden, des weiteren sind nach Auffassung des Währungsfonds die Rahmenbedingungen für Investitionen aus dem Ausland zu liberalisieren. Das betrifft auch das Wirtschaftsklima, das ausländischen Investitionen nicht förderlich ist. Ebenfalls wirken die erheblichen Defizite bei der Infrastruktur nicht gerade einladend auf ausländische Investoren.

Trotz dieser negativen Faktoren, zu denen auch das Defizit im Staatshaushalt von acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts zählt, hat Indien in den vergangenen beiden Jahrzehnten erhebliche Fortschritte erzielt. Dabei hat das Wachstum der indischen Volkswirtschaft nach Auffassung des Internationalen Währungsfonds auch mit der rasanten Zunahme der Importe zu tun; sie sind 2003 und 2004 um jeweils ein Drittel gestiegen und mittlerweile vier Mal größer als 1990. In gleicher Weise haben die indischen Exporte zugenommen, zum Schluss um 34 Prozent pro Jahr.

Beträchtliche Wohlstandszunahme

Indien profitiert vom weltweiten Nachfrageboom nach Stahl und petrochemischen Produkten. Ebenso sind die Ingenieurleistungen wesentlich gestiegen, auch die Exporte an Arzneimitteln und Dienstleistungen. China ist mittlerweile ein wichtiger Kunde der indischen Wirtschaft. Nach Auffassung des Internationalen Währungsfonds kommt es nun darauf an, dass Indien sich stärker in die Weltwirtschaft eingliedert. Das kann nach der IWF-Projektion bis 2010 zu einer Verdoppelung der indischen Exporte und zu einer Verdreifachung der Importe führen. Nicht nur die indische Wirtschaftsleistung würde davon profitieren, sondern für die Masse der Bevölkerung würde der Wohlstand beträchtlich zunehmen.