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Wem gehören die ungarischen Medien?

16. Juli 2003
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Budapest, 16.7.2003, PESTER LLOYD, deutsch

Nach der Wende erreichte die Privatisierungswelle sehr schnell auch die Massenmedien des Landes. Die altehrwürdige Parteizeitung Népszabadság, deren Ehre zwar viele bezweifelten, wurde dank der Unterstützung der Mitarbeiter relativ schnell bei Bertelsmann verankert, die Regierungsgazette Magyar Hírlap landete beim Schweizer Medienmogul Marquard und Magyar Nemzet gelangte in die französische Hersant-Gruppe, von der die defizitäre Zeitung jedoch schnell wieder abgestoßen wurde. Auch der Axel Springer Verlag zögerte nicht, und zehn der Partei-Tagesblätter der Komitate kamen in Hamburger Hände, weitere fünf wurden in den WAZ-Verlag integriert, eine von der Daily Telegraph-Gruppe aufgekauft. Später erwarb Ringier die Magyar Hírlap von Marquard und der Schweizer Verlag kaufte unlängst auch von Bertelsmann die Mehrheitsanteile der Népszabadság. Im Besitz von Ringier befindet sich daneben ebenfalls das auflagenstärkste Boulevardblatt, Blikk, dazu die populärste Sportzeitung des Landes. Der Magazin- und Zeitschriftenmarkt ist zum großen Teil zwischen Springer, Marquard und der finnischen Sanoma-Gruppe aufgeteilt. Ähnlich sieht es bei den bedeutenden kommerziellen Rundfunkstationen aus, die gleichfalls von ausländischen Großunternehmen erworben oder gegründet wurden. Als Beispiele lassen sich hier die beiden großen kommerziellen und landesweit ausgestrahlten Fernsehkanäle TV2, hinter dem SBS (Basis USA) steht, sowie RTL-Klub anführen, dessen Name für sich spricht.

Diese Tatsache – die ein großer Teil der ungarischen Bevölkerung wahrscheinlich gar nicht kennt – zog unlängst das Interesse des Europäischen Journalistenverbandes auf sich. Die Berufsvertretung drückte ihre Besorgnis darüber aus, dass große westeuropäische Medienkonzerne den ungarischen Markt (und auch den der anderen Reformländer) beherrschen, was Fragen über die Unabhängigkeit dieser Medien aufwirft und die Möglichkeit zu einer unerwünschten politischen Einflussnahme eröffnet. Letzteres umso mehr, da die Journalisten, die in der neuen, kompetitiven Medienlandschaft um ihre Existenz bangen müssen, leicht unter Druck gesetzt werden können.

Ist diese Besorgnis gerechtfertigt? Teilweise wahrscheinlich ja, aber sicherlich nicht in politischer Hinsicht. Die beiden großen meinungsbildenden Tageszeitungen von Ringier sind linksliberal eingestellt, die redaktionelle Führung des Blikk ebenso. Es war eine politische Groteske der Orbán-Ära, dass seitens der konservativen Regierung die Springer-Zeitungen damals wiederholt Angriffen ausgesetzt wurden, weil diese "zu Hause konservativ, in Ungarn jedoch linksanfällig" seien.

Man neigt dazu, zu denken, dass die Investoren einfach Zeitungen herausgeben wollen, die attraktiv für Leserschaft und potentielle Inserenten sind. Tatsache ist aber, dass die Einführung niveauloser Vorbilder in der Regenbogenpresse genauso unerfreulich ist wie vieles aus der Produktion des kommerziellen Fernsehens, das seine ohnehin schon ziemlich niveaulosen westlichen Vorbilder deutlich unterbietet. Doch von politischem Einfluss kann – zumindest in den bisherigen Jahren – wohl kaum geredet werden. Die Zeitungen passen sich einfach den herrschenden Trends der öffentlichen Meinung an. Es scheint, die Mehrheit der Ungarn will interessante, aber vernünftige Zeitungen lesen, die sie nicht indoktrinieren, sondern informieren wollen. In diesem Sinne ist der jüngste Zug eines der "internationalen Mediengiganten" interessant: die Westdeutsche Allgemeine erwarb die Mehrheitsanteile der HVG (Wirtschaftswochenmagazin – MD). Es handelt sich um die weitaus beste Wochenzeitung des Landes, die nach dem Muster des Economist noch in der Reformzeit der 80er gegründet wurde. Die Zeitung ist linksliberal par excellence – und wirft einen Jahresgewinn in der Höhe von Hundertmillionen ab, wovon all die Konkurrenten nur träumen können. (fp)