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Wendepunkt in Chinas Umweltpolitik?

Cao Haiye15. Februar 2005

China lehnt das Kyoto-Protokoll, das am Mittwoch (16.2.) in Kraft tritt, ab. Das Land hätte angesichts seiner Umweltsünden auch keine Chance, das Protokoll zu erfüllen. Doch ein Mann in China will dies ändern.

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Luftverschmutzung in Peking macht den Menschen das Leben schwerBild: AP

China hat zwar seit September 2003 ein Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Demnach muss bei jedem größeren Bauvorhaben vor Erteilung der Baugenehmigung eine entsprechende Prüfung über die Folgen für die Umwelt vorgelegt werden. Bisher stand das Gesetz aber nur auf dem Papier, kaum ein Bauherr und kaum eine Behörde haben sich daran gehalten.

Lange Zeit galt Chinas Umweltministerium deshalb als zahnloser Tiger. Dies zu ändern, ist oberstes Ziel von Pan Yue - er ist der neue, junge Chef des Ministeriums. Und schon hat sich die Behörde mit den mächtigen Energiekonzernen des Landes und anderen Wirtschaftsinteressen angelegt. Mitte Januar 2005 veröffentlichte das chinesische Umweltministerium eine Liste von Großprojekten, bei denen bereits mit dem Bau begonnen worden war, ohne dass die entsprechende Genehmigung vorlag. Gleichzeitig verhängte das Ministerium einen Baustopp für alle 30 Projekte, die teilweise ein Investitionsvolumen von mehreren 100 Millionen Yuan haben. Darunter sind 26 Kraftwerke, wie auch einige sehr umstrittene Staudämme. Massiv betroffen ist vor allem die Firma, die auch den Drei-Schluchten-Staudamm am Jangtse-Fluss baut, eines der mächtigsten Staatsunternehmen des Landes.

Kontrolleure unter Druck

Im heutigen China, wo es aufgrund des Baubooms regelmäßig zu Engpässen bei der Energieversorgung kommt, ist das energische Eingreifen der Umweltbehörde überraschend. Mit Widerstand von anderen Ressorts sei zu rechnen, erklärt Yang Fuqiang, Vertreter der in den USA gegründeten Umweltschutzinitiative "Energy Foundation", in Peking: "Obwohl es Aufgabe der Umweltbehörde ist, solche Projekte zu stoppen, kam die Entscheidung für viele unerwartet, da in der Vergangenheit tatsächlich keiner diesen Schritt gewagt hatte." Selbst wenn eine Verordnung zum Baustopp vorliege, gerate die Behörde unter Druck von außen und müsse immer wieder Kompromisse schließen und die Umweltsünder gewähren lassen. "Aber diesmal ist es anders", meint Fuqiang. "Sicherlich wird das Interesse von einigen Personen und bestimmten Gruppen davon berührt, daher kann man sich vorstellen, dass die Umsetzung auf großen Widerstand stößt."

Der Widerstand war sogar so groß, dass Ministerpräsident Wen Jiabao es für nötig hielt, sich persönlich für die Maßnahmen des Umweltministeriums einzusetzen. Das energische Durchgreifen wird in den chinesischen Medien als "Sturm im Umweltschutz" bezeichnet - er sei ohne Vorwarnung und mit plötzlicher Gewalt über die illegalen Baumaßnahmen hinweg gezogen und habe sie vorläufig zum Erliegen gebracht.

Wichtiger Schritt

Doch wirklich plötzlich kam dieser Schritt nicht, so die Meinung des Experten. Es sei eine Folge der verstärkten Forderungen der Politik nach einer nachhaltigen Entwicklung und außerdem eine Reaktion auf den dramatischen Zustand der Umwelt in China. "Die Umsetzung der Gesetze war nicht streng genug", klagt Fuqiang, "deshalb hat sich die Umweltlage im Land ständig verschlechtert. Jetzt sieht man sich gezwungen zu zeigen, dass die Behörde die entsprechende Kompetenz und auch den Mut hat, solchen Projekten Einhalt zu gebieten."

Die bislang übliche Praxis nach dem Motto "erst mal mit dem Bauen anfangen, und sich später um die Genehmigung kümmern" soll dadurch beendet werden. Ob die betroffenen Bauprojekte dennoch weiter gebaut werden dürfen, wenn die erforderlichen Studien vorliegen, werde davon abhängen, ob das Ergebnis Umweltschäden ausschließe, meint Fuqiang. Vor allem aber glaubt er an die langfristige Wirkung der Aktion: "Das Umweltministerium will zeigen, dass man es jetzt ernst meint, und nicht mehr anderen Ressorts nachgeben wird. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Kriterien von nachhaltiger Entwicklung durchzusetzen. Von nun an muss auf die Stimme der Umweltbehörde gehört werden. Meiner Meinung nach ist das ein Wendepunkt."