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Nahost Zukunft

24. September 2011

Es ist nur scheinbar Bewegung im Nahost-Konflikt. Denn beide Seiten stehen sich weiter unversöhnlich gegenüber, der Antrag auf UN-Mitgliedschaft der Palästinenser wird scheitern und der Friedensprozess bleibt auf Eis.

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Grenzmauer (Foto: AP)
Grenze zwischen dem palästinensischen Gazstreifen und JerusalemBild: AP

Bundesaußenminister Guido Westerwelle war sichtlich besorgt: Er hoffe sehr, sagte er am Freitag (23.09.2011) in New York, dass dieser Tag "nicht als ein Beginn einer großen Verhärtung im Nahost-Friedensprozess in die Geschichte eingehen wird". Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte am Vormittag UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Antrag auf UN-Vollmitgliedschaft Palästinas übergeben. Ein Schritt, vor dem die USA, Israel aber auch europäische Staaten gewarnt hatten, weil er zu einer Eskalation der Lage im Nahen Osten beitragen könnte. In den anschließenden Reden sowohl von Abbas als auch von Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hatten zwar beide ihren Willen zum Frieden betont, aber ihre bekannten Positionen vertreten. Und die machten bisher die Fortsetzung der Friedensgespräche unmöglich.

Westerwelle im UN-Sicherheitsrat (Foto:dapd)
"Hoffentlich keine Verhärtungen im Friedensprozess": Bundes-Außenminister WesterwelleBild: dapd

Bundesaußenminister Westerwelle forderte, die internationale Gemeinschaft müsse ihre Anstrengungen bei den Vermittlungsbemühungen verstärken – und das geschah schon am Nachmittag in Form einer Erklärung des Nahost-Quartetts. Das aus Vertretern der USA, der UN, der EU und Russlands bestehende Gremium legte einen konkreten Zeitplan vor: innerhalb eines Monats sollen Israelis und Palästinenser mit Friedensgesprächen beginnen, innerhalb von drei Monaten Vorschläge zu den Fragen der Grenzziehung und der Sicherheit vorliegen. "Substantielle Fortschritte" sollen innerhalb von sechs Monaten erzielt werden. Ende 2012 soll das Friedensabkommen stehen.

Sicherheitsrat berät Montag

Außenminister Westerwelle begrüßte die Erklärung des Nahost-Quartetts. Es sei zu hoffen, so ließ er durch einen Sprecher mitteilen, "dass mit der präzisen Fristsetzung für die Aufnahme und Durchführung von direkten Gesprächen der Verhandlungsstillstand im Nahen Osten überwunden werden kann". Es ist allerdings unklar, was geschehen soll, wenn diese Fristen von den beiden Seiten nicht eingehalten werden. Das Nahost-Quartett hat keinerlei Machtbefugnisse. Letztlich handelt es sich um einen Vorschlag, von denen es in der Vergangenheit bereits einige gegeben hat. Außer dem Zeitplan enthält der Text keine Aussagen etwa zu den jüdischen Siedlungen oder den Grenzen eines palästinensischen Staates. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, die Erklärung sei "Ausdruck der Überzeugung der internationalen Gemeinschaft, dass ein gerechter und dauerhafter Friede nur durch Verhandlungen erreicht werden kann".

Abbas und Netanjahu (Foto: dpa)
Nur ein scheinbar vertrautes Verhältnis: Abbas und NetanjahuBild: picture-alliance/dpa

Deswegen hatten vor allem die EU und die USA versucht, Abbas von dem Antrag auf UN-Mitgliedschaft Palästinas abzubringen. Die Mehrheit der Länder in der UN-Vollversammlung bringt Abbas dagegen Sympathien entgegen – er wurde mit lang anhaltendem Applaus gefeiert. Der UN-Sicherheitsrat, der nun über den Antrag der Palästinenser entscheiden muss, wird sich bereits am Montag (26.09.2011) deswegen treffen. Eine Entscheidung ist dann aber nicht zu erwarten, höchstens die Einsetzung eines Ausschusses. Und selbst wenn die Palästinenser die nötigen neun der 15 Stimmen in dem höchsten UN-Gremium hinter sich hätten: die USA haben bereits ihr Veto angekündigt. Der Antrag der Palästinenser ist also nahezu aussichtslos.

Hat das Quartett ausgedient?

Die Folgen dieses Schrittes sind noch nicht absehbar. Nicht nur im Sicherheitsrat, sondern auch bei den Israelis, die mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht haben, und im US-Kongress, wo Abgeordnete ankündigten, den Palästinensern die finanzielle Hilfe zu streichen, die immerhin eine halbe Milliarde US-Dollar im Jahr beträgt. Khaled Elgindy vom Washingtoner Brookings-Institut meint aber, dass der Antrag nicht die Katastrophe sei, als die ihn viele Beobachter bezeichnen.

Elgindy war Berater der Palästinenser in den Statusverhandlungen mit Israel von 2004 bis 2009 und argumentiert, dass man keinen Friedensprozess zerstören kann, den es nicht gibt. "Wir sehen jetzt, dass ein großer Teil der internationalen Gemeinschaft zu der Erkenntnis kommt, dass das bisherige Vorgehen nicht funktioniert hat." Abbas' Schritt "könnte einen Prozess anstoßen, der Früchte trägt", sagt Elgindy, einen Prozess, der neue Ideen, neue Akteure oder eine Verschiebung des Einflusses der derzeitigen Akteure bringt. Das Quartett jedenfalls, meint Elgindy, sei schon seit Jahren kein effektiver Mechanismus mehr und stark durch die USA geprägt gewesen. Jetzt würden möglicherweise Frankreich oder andere europäische Länder mehr Einfluss bekommen. Die baldige Aufnahme von Friedensgesprächen hält Elgindy aber für unwahrscheinlich.

Alternativen zum UN-Mitgliedsstatus

Raketenangriff im Mai 2007 (Foto: AP)
Immer wieder haben militante Palästinenser aus dem Gazastreifen Raketen in Richtung Israel abgefeuertBild: AP

Auch James Phillips glaubt nicht, dass es innerhalb eines Jahres eine Einigung gibt. Der Nahost-Experte der konservativen Heritage-Stiftung ist der Ansicht, dass sich die Lage im Nahen Osten durch den Antrag Abbas' verschlechtert hat. Außerdem, so fügt er hinzu, "ist Frieden unmöglich, solange Hamas den Gazastreifen im Würgegriff hat, denn selbst wenn Abbas und Netanjahu ein perfektes Abkommen erzielen, kann Hamas es mit einer neuen Runde von Raketenterror in die Luft sprengen." Es gebe niemanden, der hier vermitteln könne. Wenn dazu noch friedliche Demonstrationen der Palästinenser außer Kontrolle geraten, was sich bereits jetzt abzeichne, würde das die Atmosphäre vergiften und die Aussichten auf Frieden langfristig zunichte machen.

Unbeeindruckt davon haben die Palästinenser nun die Initiative ergriffen. Sollte ihr Antrag auf UN-Mitgliedschaft im Sicherheitsrat abgewiesen werden, bleiben ihnen Alternativen. Ihr bereits jetzt schon existenter Beobachterstatus könnte aufgewertet werden. Oder sie können bei der UN-Vollversammlung den Antrag auf "Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedsstaat" stellen – und wären dann beispielsweise berechtigt, den internationalen Gerichtshof in Den Haag anzurufen. Die Mehrheit in dem UN-Gremium bei einem solchen Antrag gilt als sicher.

Manuskript: Christina Bergmann
Redaktion: Tamas Szabo/Sabine Faber