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Wenig Spielraum für Kerry

Michael Knigge24. Februar 2004

Der Favorit der Demokraten für die US-Präsidentschaftskandidatur wirft Amtsinhaber Bush eine verfehlte Wirtschaftspolitik vor. Einen Richtungswechsel wird es aber auch unter einem Präsident Kerry nicht geben.

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Kerry kritisiert die Wirtschaftspolitik von Präsident BushBild: AP

Seitdem John Kerry die Kandidatur seiner Partei für die US-Präsidentschaftswahl fast sicher hat, greift er in jüngster Zeit verstärkt Amtsinhaber George Bush statt seiner innerparteilichen Herausforderer an. Neben der Außenpolitik der Regierung steht die Wirtschaftspolitik besonders im Mittelpunkt seiner Kritik. Kerry prangert die vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit, das Rekorddefizit, die Steuersenkungspolitik sowie die Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland an.

Sollte er am 2. November 2004 gewählt werden, kündigte der Senator an, werde er die Steuersenkungen für Reiche auslaufen lassen, das Defizit reduzieren und die Verlagerung von Jobs in Niedriglohnländer bremsen. Trotz dieser Versprechen halten Experten einen grundsätzlichen Kurswechsel in der amerikanischen Wirtschaftspolitik für sehr unwahrscheinlich.

Keine drastischen Veränderungen

"Es wird keine drastischen Veränderungen geben", sagt Thomas Cusack, Leiter der Arbeitsgruppe Institutionen, Staaten und Märkte am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). "Der Schuldenabbau und eine für die Regierung ungünstigere Politik der US-Notenbank würden Kerry zu schaffen machen."

Auch Christian Jasperneite, Volkswirt bei der Privatbank M.M. Warburg, sieht nur geringen Spielraum für einen ökonomischen Kurswechsel. "Ich glaube nicht, dass die Wirtschaftspolitik unter einem Präsidenten Kerry einen großen Schwenk vollziehen würde", betont er. "Alles in allem geht es der amerikanischen Wirtschaft ganz gut und die USA sind relativ glimpflich aus der Rezession herausgekommen."

Atmende Haushaltspolitik

Nach Einschätzung von Jasperneite wird der Schuldenabbau in den nächsten Jahren Priorität haben - unabhängig davon, ob Kerry oder Bush im Weißen Haus residiert. "In den USA funktioniert im Gegensatz zu Europa die so genannte atmende Haushaltspolitik: In rezessiven Phasen hat man immer große Defizite, anschließend kommt es zu einer Phase der Stabilisierung." Kerrys Ziel, das Defizit innerhalb von vier Jahren zu halbieren, bezeichnet Jaspnerneite als wenig ambitioniert. "Wenn die Wirtschaft läuft, ist das problemlos möglich, wie die Vergangenheit immer wieder gezeigt hat."

Der Verlagerung von Arbeitsplätze ins Ausland wird dagegen auch ein Präsident Kerry nicht aufhalten können. "Ich denke, dass ist mehr Rhetorik als Substanz", betont WZB-Experte Cusack und ergänzt: "Das produzierende Gewerbe macht ohnehin nur noch rund 15 Prozent der amerikanischen Wirtschaft aus." Kerry könne möglicherweise einige Steueranreize zur Verlagerung von Firmen ins Ausland abschaffen, aber nicht den seit langem anhaltenden Trend stoppen, sagt Volkswirt Jasperneite. "Das macht auch nach dem Prinzip der komparativen, der vergleichenden Vorteile ökonomisch keinen Sinn. Sollen die USA etwa mit Mexiko im Wettbewerb um einfache Produktionstätigkeiten stehen? Jedes Land muss sich auf das konzentrieren, was es am besten kann. Deshalb sollten die USA sich auf Hightech-Jobs fokussieren, und nicht versuchen alte Industrien künstlich am Leben zu erhalten."

Hände gebunden

Auch bei der für die US-Wirtschaft ungünstigen Bindung der chinesischen Währung an den US-Dollar sind Kerry nach Auffassung der Experten die Hände gebunden. "Für die Aufwertung der chinesischen Währung kann Kerry genauso wenig tun wie Bush", erläutert Jasperneite. "Die Chinesen wären verrückt, wenn sie das machen würden. Die chinesische Wirtschaft kann nur aufgrund der Währung wettbewerbsfähig bleiben und würde bei deren Aufwertung gegenüber dem Dollar ins Wanken geraten." Zudem gebe es eine starke Lobby von US-Firmen, die in China investieren wollten, keinen zu starken Druck auf das Land auszuüben, sagt WZB-Experte Cusack.

Doch es gibt auch Bereiche, in denen Kerry Zeichen setzen kann, betont Jasperneite: "Die Steuerentlastungen sind größtenteils bei den Reichen angekommen, was konjunkturell nicht optimal ist. Da die Sparquote bei diesen Einkommensschichten sowieso schon sehr hoch ist, wird kein zusätzliches Konsumpotenzial genutzt." Hier, sowie bei der Sozialversicherung und bei der Personalbesetzung könnte Kerry der Wirtschaftspolitik seinen Stempel aufdrücken. "Kerry könnte Organisationen wie die US-Börsenaufsicht (Security and Exchange Commission) mit Leuten besetzen, die nicht in den Anschein erwecken, dass sie völlig unter einer Decke mit einigen Firmen stecken," sagt Cusack von der WZB.