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Wenige Teilnehmer bei Salafisten-Kundgebung

Marco Müller10. Juni 2012

Ob der "1. Islamische Friedenskongress" in Köln friedlich ablaufen würde - das war nach den Ausschreitungen zwischen Salafisten und der Polizei Anfang Mai in Bonn die große Frage. Die befürchteten Unruhen blieben aus.

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Die Polizisten im Vordergrund beobachten die Kundgebung der Salafisten (Foto: Marco Müller/DW)
Bild: DW/Müller

Am Wetter kann es nicht gelegen haben. Sonne und Wolken im Wechsel bei 22 Grad und ab und an ein angenehmes Lüftchen. Trotzdem kamen zum "1. Islamischen Friedenskongress" am Samstag (09.06.2012) auf dem Barmer Platz in Köln-Deutz nach Polizeiangaben nur rund 300 Zuhörer. Die Veranstalter hatten mehr als 1000 Teilnehmer erwartet.

Aufgerufen zu der Kundgebung hatte der ehemalige Profiboxer Pierre Vogel. Der 33-jährige Konvertit wird vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt als einer der wichtigsten Identifikationsfiguren der Salafisten in Deutschland. "Wir wollen zeigen, wie der Islam den wahren Frieden bringt - Frieden im diesseits und Frieden im Jenseits", so hatte der islamische Prediger die Veranstaltung in einer Audio-Botschaft im Internet angekündigt. Explizit hatte er auch Nicht-Muslime eingeladen. Von ihnen nahmen allerdings nur wenige die Einladung an. Die meisten Besucher waren Anhänger Pierre Vogels, darunter Männer mit langen Bärten und gehäkelten Kappen, viele Frauen waren verschleiert, einige trugen auch einen Gesichtsschleier.

Vor dem Lastwagen, dessen Ladefläche als Bühne dient, stehen Leute. Der größte Teil des Platzes ist jedoch leer. (Foto: Marco Müller/DW)
Rund 300 Zuhörer fanden sich vor der Bühne einBild: DW/Müller

Kongress abseits von Passanten

Der "1. Islamische Friedenskongress" fand auf dem Barmer Platz in Köln-Deutz statt - einem Schotterplatz zwischen der Lanxess Arena, einer rund 20.000 Menschen fassenden Mehrzweckhalle, und den großen Messehallen auf der rechtsrheinischen Seite der Stadt. Zwar befindet sich der Platz unmittelbar am Deutzer Bahnhof, aber eben am rückwärtigen Ausgang.

Kaum verwunderlich also, dass es nur sehr wenige Passanten gab, die zufällig an der Kundgebung vorbeikamen. Einige hatten sich gezielt diesen Ort ausgesucht, um sich zu versammeln: Mitglieder der rechtsextremen Partei Pro NRW.

Anhänger von Pro NRW halten Plakate und Schilder hoch. Im Vordergrund spricht einer der Anhänger ins Megafon (Foto: Marco Müller/DW)
Anhänger von Pro NRW protestieren gegen Pierre Vogel und die SalafistenBild: DW/Müller

Zaun trennt Salafisten und Rechte

Pro NRW hatte eine Veranstaltung mit 30 Teilnehmern angekündigt, um gegen die Veranstaltung der Salafisten zu protestieren. Bei einer Demonstration von ebenso vielen Pro-NRW-Mitgliedern in Bonn Anfang Mai kam es zu schweren Ausschreitungen. Nachdem die Rechtsextremen mit Mohammed-Karrikaturen Muslime provoziert hatten, versuchten einige der 500 Gegendemonstranten, viele von ihnen Salafisten, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen. Dabei waren 29 Polizisten verletzt worden, zwei von ihnen durch Messerstiche schwer. Mehr als 100 Gewalttätige wurden damals festgenommen, 29 Polizisten wurden verletzt.

Vor diesem Hintergrund hatten Sicherheitsbehörden die Befürchtung, es könne auch diesmal wieder zu Ausschreitungen kommen. Darum war die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort. Der größte Teil des Barmer Platzes wurde umzäunt und durfte nicht betreten werden. Er diente als Pufferzone zwischen den Salafisten und den Rechtsextremen. Rund 100 Meter breit war dieser Sicherheitsbereich - drumherum Dutzende Mannschaftswagen der Polizei, zwei Wasserwerfer und ein Panzerwagen.

Christoph Gilles steht vor einigen Dutzend Bereitschaftspolizisten (Foto: Marco Müller/DW)
Christoph Gilles, Pressesprecher der Polizei KölnBild: DW/Müller

Wie viele Polizisten im Einsatz waren, wollte Christoph Gilles, Pressesprecher der Polizei Köln, aus taktischen Gründen nicht sagen. Nur so viel: "Wir sind mit ausreichend starken Kräften vor Ort, um hier einen weitestgehend störungsfreien Ablauf zu gewährleisten."

Eine Christin unter Dutzenden Salafisten

Kurz vor Beginn der Veranstaltung wurde es auf dem Veranstaltungsgelände der Salafisten etwas lauter, als eine Christin vor der Bühne für ihren Glauben eintrat. Sie lieferte sich ein Wortgefecht mit einem Salafisten und wurde dabei umringt von weiteren Glaubensanhängern. Der Kreis wurde immer enger. Die Umstehenden filmten und fotografierten das Wortgefecht. Die Polizei musste nicht einschreiten.

Eine Frau wird umringt von Salafisten und diskutiert mit einem von ihnen (Foto: Marco Müller/DW)
Eine Christin liefert sich ein Wortgefecht mit einem Salafisten. Dabei wird sie von den umstehenden Salafisten gefilmt und fotografiert.Bild: DW/Müller

Nacheinander stiegen verschiedene Redner der Salafisten auf die Ladefläche des weißen Lastwagens, der als Bühne diente. Darunter war auch Ibrahim Abou Nagie, der mit Koranverteilungen in verschiedenen deutschen Städten Aufsehen erregt hatte. Die Salafisten propagieren den Ur-Islam und lehnen eine theologische Modernisierung ab. Sie treten für eine Gesellschaft nach den Regeln der islamischen Rechtsordnung Scharia ein. Kaum verwunderlich, dass die Redner sich gegen Sex vor der Ehe aussprachen. Des weiteren kritisierten sie die deutschen Medien. Diese würden ein zu schlechtes Bild von ihnen zeichnen. Außerdem sprachen sie sich gegen das Assad-Regime in Syrien aus und kritisierten die Haltung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der nicht wisse, was ein Salafist sei.

Innenminister will härter gegen Gewaltprediger vorgehen

Friedrich hatte einen Tag zuvor in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" erklärt, entschieden gegen salafistische Gewaltprediger vorgehen zu wollen, denn: "Salafisten bekämpfen die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung und wollen stattdessen ihre radikale Ideologie in Deutschland einführen."

Portrait von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (Foto: dapd)
Bundesinnenminister Friedrich lässt die Salafisten beobachtenBild: dapd

Eine Maßnahme gegen Gewaltprediger könne auch sein, dass, sofern sie staatliche Zuschüsse wie Hartz IV bekämen, ihnen diese gekürzt werden könnten. Doch besser sei, so Friedrich: "Es muss verhindert werden, dass solche Leute überhaupt die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Das ist nach der aktuellen Gesetzeslage möglich." Der Innenminister lässt derzeit eine Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes prüfen, um Gewaltprediger leichter abschieben zu können.

Schauspieler überraschend auf der Bühne

Veranstalter Pierre Vogel verglich in seiner Rede die angebliche Islamfeindlichkeit in Deutschland, speziell in den Medien, mit der Judenfeindlichkeit während des Nationalsozialismus. Plötzlich bittet er einen Zuhörer auf die Bühne. Es handelt sich um Willi Herren, einen deutschen Schauspieler, der vor allem durch die Fernsehserie "Lindenstraße" bekannt geworden ist. Pierre Vogel bittet ihn auf die Bühne. Die beiden umarmen sich. Willi Herren gibt seiner Bewunderung für Vogel Ausdruck.

Schauspieler Willi Herren spricht in ein Mikrofon. Neben ihm steht Pierre Vogel und lacht (Foto: dpa)
Schauspieler Willi Herren mit Salafist Pierre VogelBild: picture-alliance/dpa

Pierre Vogel "handzahm"

"Ich dachte, das Ganze ist größer, ein Stückchen pompöser", fasst einer der wenigen Passanten die Veranstaltung zusammen. Es klingt fasst enttäuscht. Der 19-Jährige ist eigentlich angereist, um das EM-Fußball-Spiel Deutschland gegen Portugal zu schauen.

Einen anderen Zuhörer, einen schlanken Mann Anfang 30, interessierte der Prediger Pierre Vogel. "Ich wollte den Spinner mal sehen. Der war ja ganz handzahm". Auf die Frage, ob ihn die Redner überzeugt hätten: "Nein, Gott bewahre."

Zuhörer vor dem Lastwagen mit der Bühne (Foto: Marco Müller/DW)
Die Ladefläche des LKW dient als BühneBild: DW/Müller

Eine Muslima, die mit ihrem Mann und ihrem kleinen Kind da war, fühlte sich dagegen in ihrem Glauben bestätigt. Sie sei froh, dabei gewesen zu sein. Erst einen Tag vorher hatte sie von der Veranstaltung erfahren. In einigen Medien hätte sie gelesen, die Veranstaltung fände nicht statt. Vielleicht seien deshalb so wenig Leute da gewesen, resümiert sie. "Vielleicht aber auch wegen Fußball", räumt die Frau mit schwarzem Kopftuch und Brille ein.

Keiner der interviewten Teilnehmer wollte seinen Namen nennen. Anhänger der Salafisten filmten mit Videokameras und Handys unentwegt sowohl Journalisten als auch Zuhörer. Den einen oder anderen verunsicherte dies. Ansonsten blieb die Veranstaltung friedlich.