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Weniger Geld, mehr Arbeit und immer älter

Wulf Wilde27. Juni 2013

Die internationale Lehrergewerkschaft sieht sich durch den OECD-Bildungsbericht in ihren Befürchtungen bestätigt: Die Einkommen von Lehrern sinken, gleichzeitig werden ihre Arbeitsszeiten immer länger.

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Lehrer beim Unterricht in Ulmer Gymnasium - Foto: Stefan Puchner (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"In Ghana unterrichten viele Lehrer Klassen mit 50 Schülern, sie verdienen nicht gut und sicher ist ihr Job auch nicht", berichtet Ama Ntiedu. Die 25-jährige deutsche Lehramtsstudentin, deren Vater aus Ghana stammt, weiß aber auch: "In Afrika genießen Lehrer mehr Respekt." Anders als in Deutschland hat der Lehrerberuf in vielen Ländern noch immer ein hohes Ansehen und macht ihn daher für viele Jugendliche attraktiv. Auch wenn Lehrer gewöhnlich weniger verdienen als ihre ähnlich gut ausgebildeten Altersgenossen.

"Wir sehen, dass in vielen Ländern die Reputation des Berufs vom Geld nur teilweise abhängt", sagt Bildungsforscher Andreas Schleicher von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). "Schauen sie nach Finnland: Dort werden Lehrer nur mittelmäßig bezahlt, haben aber ein sehr hohes Ansehen, weil es dort ein ganz anders Berufsfeld ist, das gute Karrierechancen bietet." Ähnliches gelte auch für Großbritannien und Osteuropa. In Deutschland würden Lehrer dagegen sehr gut bezahlt, hätten aber trotzdem kein gutes Ansehen.

Andreas Schleicher - Foto: Stephanie Pilick (dpa)
Bildungsforscher Schleicher: "Gute Leistung muss belohnt werden"Bild: picture-alliance/dpa

Lehrergehälter sinken weltweit

"Auf der anderen Seite ist Geld, wenn man die besten Leute für den Lehrerberuf gewinnen will, ein wichtiger Faktor", sagt Schleicher. Der Bildungsforscher ist mitverantwortlich für den neuesten Bildungsbericht der OECD, den die Organisation in dieser Woche vorstellte. Danach liegt das Gehalt eines Lehrers im OECD-Durchschnitt zwischen elf und 20 Prozent unter dem eines gleichaltrigen Arbeitnehmers mit Studienabschluss.

Ähnliches gilt laut der internationalen Lehrergewerkschaft Education International (EI) auch für Entwicklungs- und Schwellenländer. "In vielen sehr armen Ländern liegen die Lehrergehälter über dem durchschnittlichen Bevölkerungseinkommen, das zumeist jedoch kaum zum Überleben reicht", so Gunters Satlaks von EI. "Nimmt man jedoch, wie im OECD-Bericht, die gleiche Bevölkerungsgruppe als Maßstab, bestätigt sich der Trend aus dem OECD-Bericht." Und zwar nicht nur im Bezug auf die Höhe der Lehrgehälter, sondern auch was den Abwärtstrend betrifft.

So stellt der OECD-Bericht fest, dass die Einkommen von Lehrern in den OECD-Ländern zwischen 2009 und 2011 erstmals seit zehn Jahren wieder gesunken sind. Im Schnitt zwar nur um zwei Prozent, doch in einigen Ländern mussten in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise erhebliche Einschnitte hingenommen werden. Beispielsweise in Griechenland, wo die Lehrergehälter um 17 Prozent gekürzt wurden und zudem das Nettogehalt aufgrund einer zusätzlichen Solidaritätssteuer noch stärker sank. Im OECD-Vergleich überdurchschnittliche Gehaltskürzungen mussten auch die Lehrer in Ungarn, Irland und Spanien hinnehmen.

Angemessene Bezahlung ist nicht alles

Außerhalb der OECD-Staaten sinken die Lehrereinkommen laut Education International schon seit längerem. "Die Entwicklung, die wir bei den Gehältern von Lehrern beobachten, ist sehr besorgniserregend, insbesondere in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, in vielen südostasiatischen Ländern und in Lateinamerika", berichtet EI-Mitarbeiter Satlaks. Dafür sei jedoch weniger die Wirtschaftskrise verantwortlich, die in diesen Ländern weit weniger zu spüren sei als in Europa und Nordamerika.

Schulklasse im Kongo - Foto: Laudes Martial Mbon (AFP)
Schulklasse im Kongo: Entwicklung bei Lehrergehältern besorgniserregendBild: Laudes Martial Mbon/AFP/Getty Images

"Der Grund sind Reformen im Bildungssystem, die in den vergangenen Jahrzehnten durchgeführt worden sind", sagt Satlaks. "Einige Regierungen versuchen zwar Gehaltsstopps und -kürzung mit der Wirtschaftskrise zu begründen, den Trend gibt es jedoch schon länger." Und er betrifft den gesamten Bildungsbereich. "Es geht nicht nur um eine angemessene Bezahlung, sondern auch um akzeptable Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten", so Satlaks. "Es hilft nicht, wenn man Lehrern viel Geld bezahlt, sie aber nicht gut aus- und weiterbildet und sie gleichzeitig 100 oder sogar 200 Schüler unterrichten lässt." Das sei einer der Gründe dafür, warum die Attraktivität des Lehrerberufs in einigen Entwicklungs- und Schwellenländern langsam abnehme und Stellen in einigen Ländern bereits mit ehrenamtlichen, schlecht ausgebildeten Lehrkräften besetzt würden, wie beispielsweise im Senegal.

Für den IE-Mitarbeiter zeichnet sich in vielen Entwicklungsländern schon heute eine gefährliche Entwicklung ab, die er auch im neuesten OECD-Bericht wiederzuerkennen glaubt. "Wie der OECD-Bericht zeigt, gibt es einige beunruhigende Trends: Die Lehrergehälter sind erstmals nach einem Jahrzehnt gesunken, gleichzeitig sind die Unterrichtszeiten gestiegen und die Lehrerschaft immer älter geworden. Die Kombination dieser drei Trends sollte uns für die Zukunft beunruhigen."

Demografischer Wandel als ernsthaftes Problem

In der demografischen Entwicklung sieht auch Andreas Schleicher von der OECD ein Problem. "In Deutschland, Italien und Schweden ist die Hälfte der Lehrerschaft schon jetzt über 50 Jahre. Das ist schon eine sehr verzerrte Altersstruktur." Zumal sich an der Entwicklung so schnell nichts ändern wird: Da es immer weniger Schüler gibt, würden derzeit auch weniger neue Lehrer eingestellt. In einigen Jahren, wenn sich die Ü50-Generation in den Ruhestand verabschiedet, könnte das wiederum zu einem Nachwuchsproblem werden.

Grundschulklasse - Foto: Ronny Arnold (DW)
Unterricht in einer deutschen Grundschulklasse: Weniger Geld und immer mehr ArbeitBild: Ronny Arnold

In vielen Ländern gebe es das heute schon. Deshalb sollte der Lehrerberuf auch weiter attraktiv bleiben. "Und wenn man die besten Leute für den Lehrerberuf gewinnen will, muss man sie auch entsprechend bezahlen", meint Bildungsforscher Schleicher und schickt ein eindringliche Warnung hinterher: "Wer an den Kindern spart, der ruiniert sich seine Zukunft. Die Bildungsausgaben von heute sind die ökonomischen Erträge von morgen."