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Weniger Hilfe für Afrika

Mirjam Gehrke30. August 2013

Deutschland verzeichnet trotz Krise ein stabiles Wachstum. Der Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttoinlandsprodukt ist 2012 dennoch gesunken. Das gefährdet Entwicklungserfolge in Afrika, warnen NGO-Vertreter.

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Ein Kind aus Uganda zieht ein anderes in einem Plastikbehälter
Bild: Leylah Ndinda

Dem englischen Philosophen Francis Bacon wird die Aussage zugeschrieben, Geld gleiche dem Dünger, "der nur nützt, wenn er flächendeckend ausgestreut wird". In der internationalen Entwicklungshilfe mangelt es zunehmend an diesem Dünger. Unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise haben zahlreiche OECD-Mitgliedsländer ihre Entwicklungshilfe in den vergangenen zwei Jahren zum Teil drastisch gekürzt: Spanien um fast die Hälfte, Italien um gut ein Drittel und Griechenland um 17 Prozent.

Deutschland hingegen hat sich erfolgreich gegen die Krise behauptet und verzeichnet seit 2010 wieder kontinuierliche Wachstumsraten. Trotzdem ist der Anteil der staatlichen Entwicklungszahlungen, die sogenannte ODA-Quote (Of­fi­cial De­vel­op­ment As­sis­tance), im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit 2005 gesunken, und zwar auf 0,37 Prozent. In absoluten Zahlen sei "Deutschland als Geberland vom zweiten auf den dritten Platz gerutscht", und rangiere damit jetzt hinter den USA und Großbritannien, so Tobias Kahler, Deutschland-Direktor von ONE. Die von U2-Sänger Bono gegründete Organisation setzt sich für die Bekämpfung extremer Armut und vermeidbarer Krankheiten ein - vor allem in Afrika. "Mit 0,37 Prozent gemessen am Bruttonationaleinkommen liegt Deutschland relativ gesehen im Mittelfeld der Geberländer", so Kahler, und das entspreche "nicht der wirtschaftlichen Situation, in der sich Deutschland befindet."

Entwicklungshilfeprojekt in Kenia: Umweltschonende Herde (Foto: Jörn Breiholz)
Entwicklungshilfeprojekt in Kenia: Umweltschonende HerdeBild: Jörn Breiholz

BMZ rechnet anders

Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) interpretiert die Zahlen anders: "Deutschland ist weltweit einer der größten Geber in der Entwicklungszusammenarbeit", sagt Gudrun Kopp im DW-Interview. Die parlamentarische Staatssekretärin im BMZ verweist auf eine Erhöhung der staatlichen Ausgaben für Entwicklungshilfe um 1,3 Milliarden Euro zwischen 2009 und 2012 - "auf aktuell 10,1 Milliarden Euro. Das ist eine ansehnliche Steigerung."

ONE habe übersehen, so Gudrun Kopp, dass der sinkende Anteil der Entwicklungshilfe "mit der wachsenden deutschen Wirtschaftsleistung zusammenhängt". ONE-Deutschland-Präsident Kahler lässt diese "Ausrede" nicht gelten: "Das ist so, als würde jemand, der mehr verdient und auch mehr Steuern zahlen müsste, sagen: Ich zahle jetzt weniger, weil ich mehr verdiene." Bei wachsender Wirtschaftsleistung müsse entsprechend mehr in Entwicklungszusammenarbeit investiert werden, fordert Kahler im DW-Interview. Andernfalls werde das Ziel, bis 2015 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Entwicklungshilfe zu investieren, deutlich verfehlt.

Gudrun Kopp, parlamentarische Staatssekretärin im BMZ (Foto: DW/ H. Jeppesen)
Gudrun Kopp, parlamentarische Staatssekretärin im BMZBild: DW/Helle Jeppesen

Afrika besonders betroffen

Der Rückgang der staatlichen deutschen Entwicklungshilfe im vergangenen Jahr hat Afrika überproportional getroffen: Über eine halbe Milliarde Euro weniger standen für die Armutsbekämpfung in den Ländern südlich der Sahara zur Verfügung. Das entspricht einem Rückgang von 16 Prozent im Vergleich zu 2011. Vor allem die ärmsten Länder des Kontinents südlich der Sahara bekommen diese Kürzungen zu spüren: "Unter den Top-Ten-Empfängern deutscher Entwicklungshilfe ist nur ein einziges afrikanisches Land, nämlich Kenia. Das heißt, dass ein Großteil der Gelder nicht an die Ärmsten geht, sondern an Schwellenländer und an viele G-20 Länder", so Tobias Kahler. Mit China, Indien, Brasilien, Indonesien und der Türkei zählen gleich fünf Schwellenländer zu den ODA-Hauptempfängern, wie aus der Statistik des BMZ hervorgeht.

Dabei gelte es, an bereits erzielte Erfolge in der Armutsbekämpfung in Afrika anzuknüpfen. "In Afrika gibt es sechzehn Länder, die es bis 2015 schaffen werden, die extreme Armut zu halbieren im Vergleich zu 1990. Dazu hat auch Deutschland beigetragen", hebt ONE-Chef Kahler hervor. Dabei handelt es sich unter anderem um Ruanda, Äthiopien, Malawi, Ghana, Uganda, Benin und Burkina Faso.

Angehörige der Mittelschicht in Ghana (Foto: DW)
In Ghana haben seit 1990 viele Menschen die Armut überwundenBild: Anneselma Bentil

Sicherheit entscheidet über Entwicklungserfolge

Afrika sei nach wie vor ein großer Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, betont Staatssekretärin Gudrun Kopp. Die Frage sei aber, "wie viel nachhaltige Entwicklung wir mit dem eingesetzten Steuergeld erreichen. Der Fokus sollte nicht auf der Summe direkt liegen, das ist irreführend. An dem Punkt sind wir in besonderer Weise auch gegenüber unseren Bürgern rechenschaftspflichtig."

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel hatte erst vor kurzem gefordert, das Ziel, ab 2015 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Entwicklungshilfe zu investieren, kritisch zu hinterfragen. Viel Geld auszugeben sei nicht schwer, so der Minister, die richtige Kunst bestehe darin, die richtige Wirkung zu erzielen. "Ohne Sicherheit kann man keinerlei Entwicklungsprojekte vor Ort voranbringen", so Staatsministerin Kopp gegenüber der DW. Bis 2015 wolle Deutschland an dem Ziel von 0,7 Prozent festhalten. "Im Augenblick könnten wir aber nicht zwei oder drei Milliarden Euro draufpacken", räumt Kopp ein und verweist auf die Zeit nach der Bundestagswahl im September: "Es ist die Frage, wie das neu zu wählende Parlament mit den Finanzen umgeht." Mit anderen Worten, wie internsiv die nächste Bundesregierung das Feld der Entwicklungszusammenarbeit düngen und beackern will.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (Foto. dapd)
Bundesentwicklungsminister Dirk NiebelBild: dapd