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Weniger Wärme, mehr Licht: Koreanische Sonnenscheinpolitik à la George Bush

20. Februar 2002

Ein Kommentar von Hans Spross

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Er unterstütze die Südkoreaner, die im Geiste der Freundschaft und Aussöhnung den Kontakt zu Nordkorea suchen; aber gleichzeitig werde Amerika es nicht zulassen, dass Nordkorea und andere gefährliche Regime die Freiheit mit Massenvernichtungswaffen bedrohen. Mit diesen Worten umriss US-Präsident George Bush in der vergangenen Woche, kurz vor seiner Abreise nach Japan, Südkorea und China noch einmal die Essenz seiner Nordkorea-Politik.

Diese Politik hat also zwei Gesichter - ein entspanntes und ein grimmiges, und für Bush liegt darin gar kein Widerspruch.

Das sieht man im Fernen Osten, und nicht zuletzt in der südkoreanischen Regierung des Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Kim Dae-jung, ganz anders. Auf vergleichsweise harmlose militärische Provokationen des Nordens - etwa Infiltrationsversuche mit Mini-U-Booten - antwortet das Militär des Südens mit gnadenloser Härte. Und auch das nationale Sicherheitsgesetz ist weiter in Kraft, das nicht genehmigte Kontakte mit dem Norden unter schwere Strafe stellt.

Aber wenn es um die große Politik auf diplomatischer Bühne geht, schaltet Seoul gegenüber Pjöngjang auf Dauer-Lächeln um. Diese sogenannte "Sonnenscheinpolitik" ist inzwischen in das politische Vokabular eingegangen.

Kim Dae-jung setzt auf Annäherung, Kontakte, Wandel durch Annäherung, also auf klassische Mittel der Entspannungspolitik. Unangenehme Tatsachen werden dabei ausgeblendet. Egal, ob es sich um Nordkoreas Menschenrechtsverletzungen handelt, um seine Weigerung, Atominspekteure ins Land zu lassen, oder um seine vielfältigen Exportaktivitäten auf dem Gebiet der Raketentechnologie - das alles soll die innerkoreanische Annäherung nicht in Gefahr bringen, und auch nicht das möglichst ungetrübte letzte Amtsjahr von Präsident Kim Dae-jung.

Kein Wunder also, dass im Blauen Haus, im Präsidentenpalast in Seoul, düstere Stimmung herrschte, nachdem George Bushs Wortschöpfung von der Achse des Bösen, zu der er auch Nordkorea zählte, wie eine Bombe im Lager der Sonnenscheinpolitiker eingeschlagen war.

Für Bush sind die Prioritäten seit dem 11. September 2001 ganz klar: Erstens geht es darum, die Terroristen im Umfeld der Anschläge vom 11. September unschädlich zu machen. Zweitens geht es darum, Staaten, die auf dem Gebiet der Produktion und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen tätig sind, das Handwerk zu legen.

Dieses zweite Ziel ist nicht erst durch den 11. September ins Zentrum der amerikanischen Politik gerückt, aber es hat durch die Anschläge von New York und Washington noch einmal einen besonderen Nachdruck erhalten.

Bush ist von der Korea-Politik seines Vorgängers Clinton abgerückt, der noch ganz zum Schluss seiner Amtszeit einen Besuch in Pjöngjang in Erwägung gezogen hatte. Bush und seine Mannschaft halten nichts vom Lächeln um des Lächelns willen, auch nicht seine charmante Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice.

Diese brachte die amerikanischen Besorgnisse in bezug auf Nordkorea auf den folgenden Punkt: Nordkorea sei heutzutage der aggressivste Verkäufer von militärischer Raketentechnologie auf der Welt, und es verkaufe an jeden - egal welche Absichten der Käufer habe. Trotzdem - und gerade deshalb - seien die USA jederzeit zu Gesprächen mit dem Regime in Pjöngjang bereit, zu Abrüstungsgesprächen, wohlgemerkt, und ohne Bedingungen, wie Präsident Bush auf seiner Asien-Reise betonte.

Es muss auch den Amerikanern klar sein, dass Pjöngjang auf dieses Angebot zur Zeit nicht eingehen wird. Denn wenn es seine Mittelstreckenraketen nicht mehr ungehindert exportieren und mit seinen Plutoniumvorräten nicht mehr erpressen kann, würden dieser Militärdiktatur entscheidende Teile der Macht wegbrechen.

Ist das amerikanische Gesprächsangebot also geheuchelt? Man muss es eher als undiplomatisch bezeichnen: Es ist direkt, die Karten liegen auf dem Tisch, der Gegenspieler muss sich seinen nächsten Schritt überlegen.

Unterdessen hindert niemanden Präsident Kim Dae-jung daran, die wärmenden Strahlen seiner Sonnenscheinpolitik gen Norden zu richten - sein Verbündeter George Bush hat der Wärme nur etwas Helligkeit hinzugefügt.