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Wenn der Boss böse wird

Caroline Michel11. April 2004

Während die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes bundesweit steigt, erleben immer mehr Menschen in Deutschland Mobbing-Attacken. Die Auswirkungen auf die Psyche: von Krankheit über Depressionen bis zum Selbstmord.

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Depressionen als Folge von Ärger im JobBild: Bilderbox

Das Bundesarbeitsgericht in Deutschland definiert Mobbing als "systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte". "Bossing" ist die wohl gemeinste Mobbing-Variante: Hinter allen Anfeindungen und Verleumdungen steckt der eigene Chef - die Person, deren Aufgabe es eigentlich ist, dafür zu sorgen, dass es in seinem Team fair zugeht. Er spinnt von seinem Chefsessel aus ein feinmaschiges Netz, in dem sich der unerwünschte Mitarbeiter früher oder später hilflos verstrickt. Und die Kollegen sitzen oft mit einem hämischen Lächeln auf den Lippen dabei und sind froh, dass die Wahl des Chefs - zumindest diesmal - nicht auf sie gefallen ist.

Das leise Gift

"To mob" bedeutet im Englischen so viel wie "über jemanden lärmend herfallen". Mobbing ist allerdings subtiler, es verseucht das Betriebsklima und greift umso schneller um sich, je mehr Kollegen und Vorgesetzte sich daran beteiligen. "Bossing" ist die moderne abgeleitete Bezeichnung für planvolles, zielgerichtetes Mobbing "von oben nach unten", also vom Boss gegen seine Mitarbeiter gerichtet. Im Gegensatz zum "normalen" Mobbing, das manchmal auch einfach "nur" emotionale Ursachen hat - Neid, Wut oder Antipathie -, hat Bossing meist das erklärte Ziel, den ungeliebten Mitarbeiter dauerhaft loszuwerden.

Selbstzweifel

Bei der Jungjournalistin Petra hatte es mit einer Auseinandersetzung mit der Chefredaktion begonnen. "Rückblickend konnte ich feststellen: Nach diesem Krach hat es mit dem Mobbing angefangen", erzählt Petra. Für sie brach eine Welt zusammen: Mit ganzem Herzen hatte sie bisher all ihre Zeit und Energie in ihre Arbeit investiert. Der Lohn: Ihre Arbeit wurde geschätzt, sie wurde mit Lob überschüttet und bekam immer anspruchsvollere Aufgaben. Dann, auf einmal, änderte sich die Situation: Die spannenden Themen gingen an andere, ihre eigenen Artikel wurden größtenteils noch nicht einmal mehr abgedruckt. Sie seien qualitativ nicht Ordnung, schlecht recherchiert und langweilig. Petra nahm sich die Kritik zu Herzen: Sie versuchte, noch besser zu sein. Aber kein Artikel fand mehr Gnade vor den Kollegen und dem strengen Chefredakteur. "Ich hab eine Weile gebraucht um diese Boshaftigkeit dahinter zu erkennen, dass man mir den Spaß nehmen wollte. Und bis dahin fragt man sich natürlich: Was mache ich falsch?", sagt Petra.

Hilfe für Mobbing-Opfer

Mehr als zwei Millionen Menschen leiden in Deutschland unter Mobbing-Attacken. Das Netz von Hilfsangeboten für Mobbing-Opfer ist inzwischen flächendeckend: Psychologen, Krankenkassen, Kirchen und spezielle Beratungsstellen versuchen, Betroffenen zu helfen. Aber die Erfolge sind allenfalls mäßig: Nur im Anfangsstadium können Gespräche - die zum Teil im Beisein eines "neutralen Dritten" geführt werden - das Arbeitsklima wieder dauerhaft verbessern. Meistens enden aber vor allem Bossing-Fälle damit, dass der Mitarbeiter geht.

Auch Petra hat den Verlag verlassen. Allerdings mit einem guten Zeugnis und einer Abfindung in der Tasche. Sie hatte Glück, einen guten Anwalt und den Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen.